Nobody Cares - S E C H S

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Meine Füße hinterlassen Spuren auf dem mit Schnee bedeckten Weg, der zu meinen Haus führt. Hinter mir höre ich lautes, fröhliches Kinderlachen und kann mir ohne mich umzudrehen vorstellen, wie sich die kleinen Menschen in den Schnee fallen lassen und beginnen Schneebälle zu formen. Ich muss leicht lächeln. Sie wissen nicht, was später vielleicht auf sie zu kommen wird. Tod, Hass, Schmerz, Liebe. Wer weiß das schon. Entweder das Schicksal nimmt dich in die Arme oder es tritt dir richtig in den Arsch. Bei mir ist wohl eher Letzteres der Fall. Monoton setze ich einen Fuß vor den anderen und beobachte meine schwarzen Boots, die vorne eine leichte Schneehaube bekommen haben. Eigentlich will ich gar nicht nach Hause. Ich will weiter in dem wunderschönen Schnee stehen, die Flocken auf meiner Haut spüren. Doch meine Hände fühlen sich an, als würden sie gar nicht mehr zu mir gehören, so kalt und taub sind sie.
Plötzlich trifft ein Schneeball meinen Rücken. Ich drehe mich um und schaue in die Gesichter von zwei Mädchen, die mit erschrockenen Gesichtern zu mir herüber schauen.
Ich starre die beiden an und glaube in ihnen, Keira und mich wieder zu erkennen.
Irgendwie schaffen es meine tauben Hände einen Schneeball zu formen und ihn zu den Schwestern zu werfen. Er trifft die Schulter des einen Mädchens. Sie lachen mich an und mein Herz erwärmt sich ein wenig, denn ich weiß, dieses Lachen ist echt. Wie lange ist es her, als mich jemand so angelacht hat? Ich weiß es nicht.
'Passt aufeinander auf, okay?', sage ich leise.
Die Mädchen nicken und schauen mich an. Ich krame den Schlüssel aus meiner Tasche und schließe die Haustür auf. Dann drehe ich mich nochmal um. Die Mädchen spielen wieder zusammen. Ich hoffe so sehr, dass sie nie auseinander gerissen werden. Nicht so, wie Keira und ich. Ein letztes Mal schaue ich
in den Himmel und beobachte die tanzenden weißen Punkte. Sie geben mir für einen kleinen Moment Kraft. Keira ist bei mir. Sie passt auf mich auf, wie versprochen.
'Ich hab dich lieb, Schwesterherz', flüstere ich, bevor ich in mein Haus eintrete.

Als ich am nächsten Tag aus dem Haus gehe, ist der Schnee verschwunden. Weg. Als hätte es ihn nie gegeben und doch war er da. Die Kraft, die er mir gestern gegeben hat, verkleinert sich. Seufzend krame ich die Zigarettenschachtel aus meiner Tasche und zünde mir Eine davon an. Dann gehe ich den altbekannten Weg entlang bis zur Bushaltestelle. Ich muss schon sagen, bei den Bushäuschen hat die Stadt keine Kosten und Mühen gescheut. Ist ja nicht so, dass es durch die Überdeckung durch regnen kann oder die Scheiben zum Teil fast eingeschlagen sind. Auch, als die Häuschen erbaut worden sind , sahen sie nicht besonders einladend aus. Aber mir soll es egal sein. Ich setze mich auf die Bank und blase den Rauch meiner Kippe aus. Ich begutachte die Scheiben, die irgendwelche Jugendliche mit Edding beschmiert hatten. 'Wer das liest ist wunderschön' steht da zum Beispiel. Ich lache trocken auf. Natürlich. Ich wende den Blick ab, denn ich höre das Geräusch des anfahrenden Busses. Er hält vor mir und ich steige ein, setze mich wie immer ans Fenster und lehne den Kopf an die Scheibe. Ich beobachte die Straßen und Häuser, wie sie an mir vorbei ziehen, als der Bus sich in Bewegung setzt. Und dann fällt mein Blick auf eine Wand, auf der mit Graffiti nur ein Satz geschrieben ist : 'Nobody cares unless you're pretty or dying.' Wer auch immer das geschrieben hat.. Er hat irgendwie Recht. Willkommen in unserer Gesellschaft.

Rain fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt