Realität

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Zitternd schrecke ich auf, während mir Tränen über die Augen laufen. Immer wieder diese schlimmen Träume und sie nehmen kein Ende. Angst davor, wieder einzuschlafen, stehe ich auf und tapse nur im Tshirt bekleidet den Flur entlang nach draußen. Es ist zwar sehr kalt, weckt mich aber dafür richtig. Ich lege meine Arme um meinen Körper und schließe die Augen. So bleibe ich für einige Zeit stehen, bis eine Stimme hinter mir ertönt. "Emilia, was tust du hier?" Noah. Ich öffne meine Augen langsam und sehe direkt in sein Gesicht. "Du musst doch frieren", gibt er von sich und legt klischeehaft seine Jacke um mich. Dankbar ziehe ich sie an und schaue ihm wütend in die Augen. Jetzt auf ein mal macht er sich Sorgen? Wo war er denn die ganze Zeit, mein ach so toller Betreuer? Er rauft sich die Haare. "Emilia, bitte sieh mich nicht so an. Ja, ich bin dir aus dem Weg gegangen, aber versteh doch bitte.. Ich.." Er stockt und sieht mich einfach nur an. So stehen wir hier, im dunkeln, so nah ich bräuchte nur meine Hand ausstrecken und würde seine Brust berühren. Selbst bei dieser Dunkelheit sehe ich das Strahlen in seinen Augen. Auf ein mal zieht er mich an sich ran und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Emilia, was tust du mit mir?" Und in dem Moment bricht etwas in mir. Eine Kettenreaktion, denn alles in mir löst sich auf und ich fange an zu weinen wie ich es schon lange nicht mehr getan habe, an seine Brust gelehnt. Noah streichelt mir unablässig über den Rücken und küsst immer wieder meinen Hinterkopf. Irgendwann bin ich zu erschöpft zum weinen und wir gehen rein, er ergreift dabei allerdings meine Hand. Mein Herz geht automatisch ein paar Takte schneller und mein Gesicht verzieht sich irgendwie zu einem Lächeln. Die Anstalt ist ganz ruhig, ziemlich ungewohnt. In meinem Zimmer angekommen lege ich mich ins Bett, Noah bleibt im Türrahmen stehen. Er will grade gehen, als ich flüstere: "Geh bitte nicht." Erstaunt sieht er mich an und lächelt. "Ich bleib bei dir." Mit den Worten steigt er zu mir und hält mich einfach nur fest. Mein Kopf pocht von dem ganzen Weinen und ich habe schon wieder geredet, was mir nicht wirklich gefällt, aber dennoch fühle ich mich so wohl.
Am nächsten Morgen wache ich total verwirrt auf und blicke auf Noahs schlafendes Gesicht. Panik überkommt mich plötzlich, denn es erinnert mich an all die Tage, an denen ich in Simons schlafendes Gesicht gesehen hatte. Nervös wälze ich mich hin und her bis auch Noah aufwacht und mich blinzelnd ansieht. "Emilia", gibt er mit rauer Stimme von sich und ich schmelze dahin. Gesicht an Gesicht liegen wir uns gegenüber. Sollte jetzt jemand reinkommen, würde Noah seinen Job verlieren. Aber irgendwie ist das gerade nur nebensächlich, es gibt nur ihn und mich und diesen Moment. Wir bleiben noch so, bis eine Schwester auf den Fluren rumbrüllend jeden an die Pillen erinnert, was mich in die Realität zurück holt. Ich bin bloß eine Irre und er mein Pfleger, das hat keine Zukunft.

Captured in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt