Stille

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Er hatte ein süßes, kleines Restaurant am Stadtrand ausgesucht. Es gefällt mir wirklich und ich fühle mich in seiner Gegenwart sogar wohl. Wir setzen uns an einen Tisch am Fenster und studieren die Karten, die man uns soeben reicht. Er räuspert sich und sagt dann: "Die Spagetti hier sind echt gut, solltest du mal probieren." Ich verziehe mein Gesicht, Nudeln hatte ich genug in der Anstalt gegessen. Ich tippe auf das Wort "Pizza Margarita" und lächele dann, während mir das Wasser schon im Mund zusammen läuft. Allein der Gedanke an eine frische Pizza, Wahnsinn. Er lacht und schüttelt den Kopf. Was ist denn bitte so lustig? Als könnte er meine Gedanken lesen sagt er: "Erfrischend, wie sehr du dich über eine Pizza freust." Als der Kellner kommt und unsere Bestellung aufnimmt, die natürlich Noah für mich aufsagt, stellt er uns zwei Gläser Wein auf den Tisch. Einerseits wäre dies eine gute Gelegenheit, endlich mal an Alkohol zu kommen. Natürlich gibt es in der Anstalt nichts. Aber andererseits erinnert mich der Geruch von Alkohol an meinen Stiefvater, was mich zusammenzucken lässt. Vorsichtig nippe ich an meinem Glas. So schlecht schmeckt es ja gar nicht. Etwas mutiger trinke ich noch einen Schluck. Und noch einen. Überrascht sehe ich, das mein Glas bereits leer ist. Überheblich greife ich auch nach Noahs Glas, der das ganze Geschehen kritisch beäugt. "Mach mal halblang", murmelt er dann. Ich für meinen Teil kichere nur und stelle das leere Glas ab. Ein warmes Kribbeln überkommt mich und meinen Körper. Es ist so ein Gefühl wie auf der Achterbahn, wenn es ganz schnell runtergeht. Wie, wenn Adrenalin in euren Körper schießt und Glückshormone ausgeschüttet werden. Erneut kichere ich und spiele mit meinen Haaren. Ihr denkt euch jetzt, zwei Gläser sind nicht viel, aber ich habe doch noch nie Alkohol zu mir genommen. Ist das eine normale Reaktion? Noah beobachtet mich bloß, greift dann nach meiner Haarsträhne und wickelt sich diese um den Finger. Für einen Moment ist es so, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Wir sehen uns bloß an und es ist ganz still im Raum, ich blende alle Geräusche aus. Plötzlich wird ein Teller vor mir abgestellt und eine dampfende Pizza erscheint vor meinen Augen. Der magische Moment ist vorbei, so schnell er auch da war, war er wieder weg. Dem Kellner gebe ich ein Zeichen, damit er mir noch mehr Wein bringt. Wann würde ich sonst wieder die Chance haben, mich volllaufen zu lassen? Außerdem bin ich in Begleitung eines gut aussehenden Mannes und da bringt mir miese Laune auch nichts. Er isst seine Spagetti und ich meine Pizza, natürlich schweigend. Es ist mir echt unangenehm und ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. Schließlich kommt noch mehr Wein, den ich fast in mich hinein kippe. Noah lässt das alles zu und schiebt den leeren Teller von sich weg. Huch, wie schnell isst er denn? Mittlerweile habe ich vier Gläser Wein und eine halbe Pizza in mir, weshalb ich beschließe eine Pause zu machen. Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich muss lachen. Ja, ich lache. Zum ersten Mal seit .. Langer Zeit. Überrascht sieht er mich an und lacht dann auch. Und oh Gott, ich glaube ich habe noch nie so etwas schönes gesehen. Noah legt etwas Geld auf den Tisch und trinkt dann das letzte Glas Wein. Ich habe keine Ahnung, woher diese plötzliche Mut kommt, aber ich ergreife Noahs Hand und ziehe ihn aus dem Restaurant raus. Er ist sichtlich verwirrt, lässt seine Hand aber in meiner. Ich brauche dringend mehr Alkohol, aber wie kann ich ihm das deutlich machen? In der Nähe des Restaurants befindet sich ein Kiosk. Ich schleppe Noah mit dahin und zeige auf eine Wodka Flasche. Er ist alles andere als begeistert, nickt aber dann und kauft mir diese. Begeistert nehme ich die Flasche und setze meine Lippen an die Flaschenöffnung. Und wie es brennt, das könnt ihr mir glauben. Ein warmes Gefühl verbreitet sich in meinem Bauch und wärmt mich von innen. Mutig trinke ich erneut einen Schluck und setze dann ab um zu husten. Es ist schrecklich, aber zugleich auch befreiend. Gemeinsam setzen wir uns auf eine Bank und ich reiche ihm die Flasche, er schüttelt aber seinen Kopf. "Ich muss doch Auto fahren", gibt er dann von sich. Ich zucke bloß mit den Schultern und lehne mich dann an ihn. Genau das ist es, was ich brauche. Nähe. Nicht von irgendwem, nein, von Noah. Klar kann ich alles auf den Alkohol schieben, aber sind wir doch mal ehrlich. Wer würde nicht die Nähe eines so schönen Mannes wollen? Langsam wird es kalt und ich fange an zu frieren. Noah legt den Arm um mich und reibt seine Hand an meiner Schulter auf und ab. Langsam erhebe ich mein Gesicht und starre direkt auf seine Lippen. Sie sind so voll, so geschwungen. Er bemerkt meinen Blick und lächelt. "Wir sollten langsam gehen", flüstert er mit einer rauen Stimme, die alles so sexy wirken lässt. Und auf ein mal höre ich jemanden sagen: "Nein." Sekunden vergehen, bis ich bemerke, dass ich diese Stimme bin, die soeben ertönte. Ich schlage meine Hände vor meinen Mund und reiße erschrocken meine Augen auf. Was habe ich gerade getan?

Captured in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt