Als ich schließlich nach einem langen Einkauf nach Hause kam machte ich mich wie bereits am Vortag daran, etwas für Dad und Lukas zu kochen. Ich deckte gerade den Tisch, als Dad mit Mia im Türrahmen erschien. Sofort kam Mia auf mich zugerannt und klammerte sich an meinem Hemd fest.
»Gibt es etwa Spaghetti?« Fragte sie mit großen Augen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um in die Kochtöpfe spitzeln zu können, wofür sie jedoch definitiv noch zu klein war.
»Hallo kleine Motte.« Begrüßte ich sie und strich ihr eine dunkle Locke aus dem Gesicht. Dann hob ich sie hoch auf meinen Arm, damit sie in die Töpfe lugen konnte. Ihre Augen begannen zu strahlen und fröhlich klatschte sie in die Hände. In diesem Moment wünschte ich mir, auch noch einmal so jung sein zu können wie Mia. Man freute sich über die kleinsten Dinge, war behütet und unwissend über all das Leid und Grauen, das einem mit dem Alter bevorstand.
Ich begrüßte nun auch meinen Dad und begann das Essen zu servieren, als Lukas wie gerufen herein spazierte. Ich zwang mich erneut dazu, ein paar Happen zu essen, was Dad und Lukas offenbar freudig zur Kenntnis nahmen. Nach dem Essen zogen die beiden sich in Dads Arbeitszimmer zurück, um etwas bezüglich der Firma besprechen zu können. Da ich sowieso nicht viel zu ihren wirtschaftlichen Diskussionen beitragen konnte, beseitigte ich währenddessen das Chaos in der Küche und erledigte meine Hausaufgaben. Nachdem auch diese Routine erfüllt war, schnappte ich mir Mia und steckte sie in die Badewanne. Bereits in der Wanne legte sich ein schläfriger Ausdruck über ihre Wangen und als ich sie anschließend ins Bett brachte, dauerte es keine Minute und schon schien sie im Land der Träume versunken zu sein.
In meinem Zimmer warf ich mich zu allererst aufs Bett, wobei mein Blick auf das Buch auf dem Nachttisch fiel. Es war der Jane Austen Roman, den Mr. Black mir heute Morgen mit der Absicht gegeben hatte, meine Einstellung Happy Ends gegenüber zu ändern. Warum machte er sich überhaupt erst die Mühe? Schließlich war ich nur eine seiner Schülerinnen, eine von vielen. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass er an eine beliebige Schülerin einfach seine Bücher verlieh. Andererseits aber hatte er wohl einfach mein Interesse zur Literatur bemerkt und war wohl positiv überrascht darüber gewesen, dass sich eine Schülerin tatsächlich und aufrichtig dafür interessierte. Plötzlich wurde mir bewusst, welche Richtung meine Gedanken einschlugen und ich war schockiert. Machte ich mir tatsächlich Gedanken darüber, was Mr. Black von mir dachte? Sofort kamen mir Poppys Worte in den Sinn »Du stehst auf ihn.«
Na gut, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte seine Gegenwart eine gewisse Wirkung auf mich, was jedoch kein Wunder war. Immerhin schien es den anderen Mädchen in meinem Kurs nicht anders zu ergehen. Mr. Black hatte einfach diese Art Präsenz, die alle Blicke auf sich zog, sobald er einen Raum betrat und offenbar stellte auch ich in diesem Fall keine Ausnahme dar. Aber stand ich deswegen gleich auf ihn? Nein, das war absoluter Schwachsinn. Ich fand ihn attraktiv und sympathisch, aber das war es auch schon. Obendrein hatte ich noch immer an dem Ende meiner zweijährigen Beziehung mit Danny zu knabbern, denn zwölf Wochen hatten gewiss nicht ausgereicht, um den Tod meiner Mutter und das Beziehungsaus zwischen Danny und mir zu verarbeiten.
Je mehr ich über die Tatsache nachdachte, zwei geliebte Menschen verloren zu haben, fühlte ich den Schmerz in meine Glieder kriechen, spürte Übelkeit meine Kehle heraufklettern. Schnell schluckte ich den Kloß hinunter und verdrängte die Gedanken wieder. Stattdessen griff ich nach dem Buch auf dem Nachttisch und begann zu lesen.
Der Rest der Woche verlief Gott sei Dank ereignislos. Poppy hatte mir erzählt, dass Mr. Black die Auseinandersetzung mit Madison wohl von Anfang an mitbekommen hatte. Sie berichtete mir, dass er Madison anschließend vor dem kompletten Kurs zusammengestaucht und sie zu einer Stunde Nachsitzen verdonnert hatte. Zwar hatte auch Poppy die Schulbank eine Stunde länger drücken dürfen, da sie Madison gegenüber handgreiflich geworden war, doch das war es ihr, wie sie mir mit einem breiten Grinsen mitteilte, wert gewesen. Später informierte ich sie noch über Lukas' Vorhaben, am Wochenende auszugehen. Natürlich war sie von der Idee mehr als begeistert, wobei ich mir nicht so ganz sicher war, ob ihre Freude vielleicht mehr daher rührte, dass mein Bruder mit von der Partie sein würde.

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Please love me
RomanceDer erste Band der Please-Reihe! Eine Liebe gegen jegliche Vernunft. Herz gegen Verstand. Worauf würdest du hören? Vor zwölf Wochen war mein Leben völlig aus den Fugen geraten. Ich verlor meine Mutter und meine erste große Liebe. Beides an einem Tag...