Prolog

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Der Schatten war hungrig. Er war noch jung und hatte noch nie die Seelen von Menschen gekostet, die ihn stark machen würden. Heute würde er zum Verschlinger werden. Sein Körper setzte sich nicht gegen dieses Verlangen zur Wehr, glitt geradezu nahtlos über in das Schattensein und ließ sich von seinen Instinkten leiten.

Es dauerte, bis er den ersten Menschen in seiner Gegenwart spüren konnte. Es war ein einzelner, vollkommen allein unterwegs im Dunkel des nächtlichen Waldes. Je näher der Schatten seinem Opfer kam, desto mehr spürte er die Lebenskraft, die in diesem wohnte und desto weniger konnte er sich zurückhalten. Er bewegte sie schneller, flog geradezu zwischen den Bäumen hindurch, schreckte die Tiere auf, an denen er vorbeirauschte, die ihn aber nicht im Geringsten interessierten. Sein Ziel lockte ihn an wie ein Leuchtfeuer und es loderte immer heller und heller.

Der Mann bemerkte ihn nicht, bis es für ihn schon zu spät war. Der Schatten griff von vorne an, glitt auf ihn zu, packte ihn und saugte ihm die Seele aus dem Leib und ließ den leblosen Körper zu Boden fallen. Es war nicht genug gewesen.

Der Schatten brauchte mehr und er würde im Wald nicht mehr bekommen. Erneut übernahmen seine Instinkte die Oberhand und leiteten ihn und irgendwann war es soweit, dass er sie spürte. Die Siedlung. So viele Menschen auf einem Haufen. So viel Lebenskraft. So viel Stärke.

Das Verlangen packte ihn noch stärker als zuvor. Mit unnatürlicher Geschwindigkeit bewegte er sich fort und als er kurz vor dem Morgengrauen das Dorf erreichte, war nichts mehr an Verstand in ihm erhalten.

Es war noch so früh und dennoch waren in einem Haus die Bewohner schon wach. Auf dieses Haus bewegte er sich zu und trat ein. Die Bewohner wussten nicht wie ihnen geschah, nur eine von ihnen stieß noch einen kurzen Schrei aus, bevor er ihnen einen nach dem anderen das Leben aussaugte. Es waren vier an der Zahl.

Doch da waren noch mehr. Sie waren nicht im Wohnraum gewesen, weswegen er sie in seinem wilden Verlangen zuerst nicht wahrgenommen hatte, aber sie waren da.

Ein Mädchen trat in den Raum. Auf ihrem Arm trug sie einen Säugling. Der Schatten hatte keinen Blick für die Augen des Mädchens, die sich vor Entsetzen weiteten. In seiner Wahrnehmung gab es nur den Säugling. Dieses neue Leben war stärker als die anderen, die er genommen hatte. Es würde ausreichen, um ihn zu besänftigen.

Langsam näherte er sich dem Mädchen an, welches vor ihm zurückwich, jede einzelne Faser ihres Körpers angespannt und darauf fixiert sich und das kleine Kind zu retten.

Aber der Schatten war schneller und er war stärker. In einer fließenden Bewegung, riss er den Säugling an sich, welcher augenblicklich zu schreien anfing und nahm auch ihm das Leben, das jetzt durch den Körper des Schattens floss wie ein Lebenselixier.

Das Mädchen schrie nicht, aber er hörte wie sie um ihr Leben bettelte, mit einer so leisen Stimme, dass er, dessen Sinne nicht die eines Menschen waren, es kaum vernahm. Es war stark und es wäre genau richtig, sich auch noch seine Energie einzuverleiben, aber da war etwas, was ihn davon abhielt. Es war nicht nur, dass er sich ausreichend genährt hatte, es war etwas anderes. Er hatte dieses Gefühl noch nie bei einem Menschen wahrgenommen, aber er hatte davon gehört, was es war und innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde konnte er dieses Gefühl einordnen. Der Schatten wollte sie zu einer der seinen machen. Sie war perfekt. Das perfekte Gefäß, um seinen Nachkommen hineinzusetzen. Nur war gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Trotzdem konnte er sie nicht töten. Sie musste am Leben bleiben, das gebot ihm sein Arterhaltungsinstinkt.

Und ehe man es sich versehen konnte, verschwand der Schatten aus dem Haus, verließ das Dorf und kehrte zurück in den Wald, just in dem Moment, als die ersten Strahlen der Sonne begannen, den Himmel zu erhellen.

Der Schatten war satt. Er zog sich wieder zurück und ließ den menschlichen Körper wieder zum Vorschein treten, den er bewohnte.



(Kleiner Random Fact: Der Prolog hat exakt 666 Wörter xD )


DämonenschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt