~Kapitel 18~

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Weitere Wochen flossen davon. Lyanna befand sich mit Rhaegar immer noch in den sieben Königslanden, jedoch in Dorne, im Turm der Freude. In der Nacht ihrer Flucht von Winterfell begleiteten sie noch zwei treue Mitglieder der Königsgarde: Ser Arthur Dayn und Ser Oswell Whent. Zu diesen beiden gesellte sich in Dorne noch Ser Gerold Hohenturm, der „Weiße Bulle". Laut Rhaegar waren sie zu ihrem Schutz da, doch Lyanna fühlte sich von den Mitgliedern der Königsgarde nur beobachtet. Natürlich blieb ihr Verschwinden aus Winterfell nicht unbemerkt. Etwa eine Woche nach ihrer Flucht bemerkte sie die seltsamen Blicke der dornischen Angestellten, doch Lyanna ignorierte diese. Viele Nachrichten von außerhalb der Burg, in der sie mit Rhaegar lebte, bekam sie allerdings nicht. Ser Arthur Dayn war der einzige der drei Ritter, der ihr auf ihre Bitte erzählte, welche Folgen ihr Verschwinden hatte. Ihr Bruder Brandon war auf dem Weg nach Schnellwasser gewesen, um seine Verlobte Catelyn Tully zu ehelichen. Als ihn jedoch die Nachricht von Lyannas Verschwinden erreichte, ritt er sofort nach Königsmund, um Gerechtigkeit zu fordern.

Nach Lyannas letzter Information befand sich Brandon kurz nach Harrenhal und war keine zwei Tage von Königsmund entfernt. Lyanna hoffte, sie würden die Angelegenheit friedlich klären und bestand anfangs auch darauf, selbst nach Königsmund zu reisen und die Sache zu klären. Doch Rhaegar war unter keinen Umständen bereit, sie außerhalb des Schlosses zu lassen. Auch wenn es sie ärgerte, so eingeschränkt zu sein, tat sie es ihm zu liebe. Es war auch seine Idee, mit der Flucht bis zu ihrer Niederkunft zu warten, dass das Kind in den sieben Königslanden geboren wird. Lyanna wollte keinen Streit beginnen, die Hebammen die ihr zur Seite gestellt wurden, sagten es sei nicht gut für das Kind zu viel zu diskutieren, also fügte sich Lyanna ihrem Schicksal. Sie schritt in ihre Gemächer im Turm der Freude und rief ihre neue Zofe zu sich. Sie betrat schüchtern das Zimmer, den Blick auf den Boden gesenkt und die schwarzen Haare streng nach hinten gekämmt.

„Allyria, warum bist du so schüchtern heute? Gibt es Neuigkeiten aus Königsmund? Ist Rhaegar von der Jagd heimgekehrt?" Doch Allyria trat sanft vor und fing an, Lyannas Haare zu bürsten. „Ja Mylord Prinz ist wieder zurück gekehrt von der Jagd, er schoss drei fette Hasen. Doch das ist nicht der Grund für meine Verschwiegenheit." brachte sie schüchtern hervor. „Also ist es Königsmund? Sagt, geht es meinem Bruder gut? Wo ist er?" verlangte Lyanna zu wissen. „Er... er kam in den Thronsaal im Roten Bergfried, erzählte man mir. Er verlangte, Prinz Rhaegar zu sprechen und... und zu sterben. Euer Bruder war sich sicher, Mylord Prinz hätte euch geraubt und dabei vergewaltigt. Doch wie ihr wisst, war Rhaegar nicht zugegen. Aber König Aerys,..." zitternd brach die leise Stimme ab. „König Aerys? Was? Was hat der Irre König meinem Bruder angetan? Sag es mir!" Lyanna packte Allyrias Schultern und schüttelte diese heftig. Mit angstvoll geweiteten Augen sprach das Mädchen flüstern weiter: „Der König sperrte Euren Bruder in den Kerker, Mylady. Daraufhin verlangt Euer Vater, Lord Rickard einen Schiedsrichterspruch durch Gottesurteil. Er kleidete sich zum Kampf und trug seine teuerste Rüstung. Doch als er in den Roten Bergfried kam, um dort zu kämpfen, stellte ihm König Aerys den Streiter des Hauses Targaryen vor. Es war das Feuer, Mylady. Lord... Lord Rickard versuchte zu fliehen aber die Krieger des Königs packten ihn und banden ihn über dem Feuer fest. Der Irre König befahl ihn mit Seefeuer zu rösten." Die Zofe begann zu weinen.

„Und mein Bruder? Was geschah mit Brandon? Wurde er nach Winterfell zurück beordert? Erzählt es mir!" Lyanna schrie fast. Zitternd wischte sich Allyria die Tränen von ihren Wangen und fuhr leise fort: „Nein, es tut mir leid, Mylady, er ist nicht zurück in Winterfell. Er... er war auch im Roten Bergfried bei der Hinrichtung eures Vaters dabei. König Aerys hatte eine... eine Apparatur. Er sagte, euer Bruder könne seinen Vater retten, wenn er sich mit seinem Schwert freikämpfte. Doch, sie legten ihm eine Schlinge um den Hals und das Schwert knapp außerhalb seiner Reichweite. Er kämpfte und kämpfte, doch kam nicht an sein Schwert heran. Euer Bruder Brandon, er.. er ist tot Mylady. Er hat sich selbst bei dem Versuch, euren Vater zu retten, stranguliert. Es tut mir leid, Mylady." Lyanna sank auf ihren Stuhl zurück. „Ihr könnt nun gehen, Allyria." befahl sie der Zofe, die sofort das Zimmer verließ.

Vor ihrem Inneren Auge sah sie die lachenden Gesichter ihres Vaters und ihres Bruders Brandon zum Turnier in Harrenhal. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Es ist meine Schuld, schoss es ihr durch den Kopf. Wäre ich nicht, würden beide noch sicher in Winterfell leben. Lyanna hatte die Ehre ihres Hauses durch ihr Verschwinden und ihre Schwangerschaft beschmutzt, und nun hatte sie die beiden Oberhäupter ihres eigenen Hauses getötet. Sie rollte sich auf ihrem Bett zusammen  und zog die Knie bis an ihren geschwollenen Bauch heran. Auf ihn legte sie ihre Hand, um ihr Kind symbolisch zu beschützen. Dir wird dies nicht passieren. Dich werde ich nicht mit mir ins Unglück stürzen. Du wirst keiner der Unschuldigen sein, der wegen mir stirbt. Ihre Tränen liefen über. Sie rollten über ihre Wangen und tropften auf das Kopfkissen. Bis die Sonne die Erde im Westen küsste, blieb Lyanna in ihrem Bett liegen und weinte um ihren verstorbenen Bruder und Vater. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Vater ihr das Reiten auf einem Pferd beibrachte, und die heimlichen Fechtübungen mit Brandon. Sie wurde von schweren Krämpfen geschüttelt, als sich die Tür öffnete und Rhaegar eintrat.

„Lyanna! Was ist passiert? Bereitet dir das Kind Schmerzen?" „Das Kind? Nein, es bereitet mir keine Sorgen. Mein Vater und mein Bruder sind tot Rhaegar, und erzähl mir nicht, du hättest es nicht vor mir gewusst! Warum hast du es mir nicht erzählt?" schluchzte sie auf. Rhaegar kam näher und nahm sie in den Arm. „Ich dachte du verkraftest es nicht, Liebste. Ich dachte es zerreißt dich von Innen und bringt dir Komplikationen bei der Geburt. Ich... ich weiß nicht, wann ich es dir erzählt hätte, doch ich hätte es getan." Er wiegte sie vor und zurück. Den gesamten Abend saß er nur neben ihr und ließ sie in Ruhe trauern. Nur einmal verließ er den Raum und kehrte wenige Minuten später mit düsterer Miene zurück. Mit tränennassen Gesicht drehte sich Lyanna zu ihm um. „Was ist passiert? Etwas Schlimmeres kann es nicht mehr geben." Mit zögerlichen Schritten ging er auf das Bett zu und ließ sich darauf nieder. „Ich fürchte, doch. Euer Bruder Eddard und Robert Baratheon haben zusammen mit Jon Arryn dem Haus Targaryen den Krieg erklärt. Mein Vater will die Köpfe der Beiden." sagte er.

Das Lied von Eis und Feuer-die Geschichte der Lyanna StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt