Kapitel 1

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* Wir glauben an einander, aber nie an uns selbst. -Unknown *

Der Big Ben hinter mir schlug 12. Mitternacht. Ich kauerte auf dem Boden einer Seitengasse und alle meine Muskeln waren angespannt, wie ein Raubtier bereit zum Sprung. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust und als ich die erste Stimme vernahm, drückte ich mich noch weiter in die Dunkelheit der Gasse hinein. Ich verschmolz nahezu mit der Nacht und ihren Schatten. Die Schritte hallten auf der nassen Straße wider und kamen als Echo von den Seitenwänden zurück. Noch konnte ich nicht feststellen, wie viele es waren. Nur einer? Zwei? Drei? Als die Person schließlich an meinem Versteck vorbeikam, warf die Straßenlaterne ein fahles Licht auf ihr Gesicht. Es war nur ein einziger. Das würde ein leichtes Spiel für mich werden.

Er war um die 20, hatte funkelnd blaue Augen und dunkelbraune, kurze Haare, die er zu rechten Seite geschwungen hatte. Ein Typ von Junge, der scharenweise Angebote von Mädchen bekam, aber immer nur ihre Herzen brechen würde. Genau das, was ich suchte. Er hatte sein Handy am Ohr und telefonierte. Na dann, sag jetzt mal bye bye, dachte ich und richtete mich aus meiner gebückten Haltung auf. Mit langen, selbstbewussten Schritten ging ich in meinen schwarzen Lackpumps auf ihn zu. Als ob er meine Blicke in seinem Rücken gespürt hätte, drehte er sich um und sein Mund öffnete sich zu einem stummen ‚Wow‘. Ich wusste, welche Wirkung ich auf Männer hatte. Unter meinen ebenso schwarzen Lackleggins und der enganliegenden Jacke zeichnete sich deutlich meine gute Figur ab. Meine Haare, die am Ansatz kastanienbraun waren, wurden nach unten hin immer heller und fielen mir in sanften Wellen über den Rücken. „Ich muss auflegen. Bis dann“, sagte der Junge und nahm sein Handy runter.

Bevor er etwas sagen konnte, überraschte ich ihn, indem ich vorstürzte und ihn am Kragen seiner Jacke packte. Ich stieß ihn gegen die Wand und verstärkte meinen Griff. „Ach so eine bist du also“, meinte er mit einem dreckigen Grinsen, dass ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Alles hatte seine Zeit. Er verstand wohl nicht, dass ich über ihm aufragte und ihn in der Zange hatte. „Das wird dir leidtun“, zischte ich. „Hey Baby, calm down! Hier ist niemand der dich hören könnte, also machst du lieber was ich sage oder-“ Mein Fausthieb unterbrach ihn. Er stürzte zu Boden und hielt sich die blutende Nase. „Oder was?“, schrie ich und trat nach ihm. „Was soll der Scheiß?!“, fluchte er und Wut spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Hatte ich da wohl ein Ego verletzt? Ich beugte mich über ihn am Boden und funkelte ihn an. „Eine Schande, so ein hübsches Gesicht entstellen zu müssen, aber Typen wie du haben es nicht anders verdient!“ Den letzten Teil schrie ich nur noch. Alte Erinnerungen kamen wieder hoch. Wie ich bewusstlos in einer Ecke lag und der Mann- nein. Jetzt war nicht die Zeit sentimental zu werden. Ich versetzte meinem Opfer einen Schlag zwischen die Rippen und er stöhnte vor Schmerz auf. Als er versuchte aufzustehen, schubste ich ihn und er landete wieder auf der vom Regen feuchten Straße. Diesmal stieß ich mit meinem Absatz zu. „Weißt du wirklich nicht, wer ich bin? Wer wir sind?“, knurrte ich. Als ihn die Erkenntnis traf, wurde er bleich. „Ihr…du bist eine der Nightcrawlers!“, keuchte er. „Wusste ich doch gleich, dass du schon mal von uns gehört hast. Dann weißt du bestimmt auch, was wir tun?“, fragte ich ihn und heftete ihn mit meinem Blick auf den Boden. Sein Nicken war kaum zu bemerken. Ich packte ihn an seiner Kapuze und zog ihn an der Wand entlang hoch. Mit je einer Hand an seinen Schultern nagelte ich ihn dort fest, aber er machte keine Anstalten zu fliehen. Ich lehnte mich vor und als mein Atem sein Ohr strich, bekam er eine Gänsehaut und keuchte. „Dann werde ich dafür sorgen, dass unser Ruf auch so bleibt.“ Mit dem letzten Satz rammte ich mein Knie zwischen seine Beine.

„Und er hat echt angefangen zu heulen?“, fragte Lou lachend zum ungefähr hundertsten Mal. Ich nickte und ließ mich in die weichen Kissen fallen. Lou setzte sich zu mir aufs Bett und kicherte. „Wie peinlich!“ Sie warf ihre blonden Haare nach hinten und musterte mich. „Hat er überhaupt versucht sich zu wehren?“ „Nooope“, antwortete ich müde. „Er hat ewig gebraucht, bis ihm bewusst geworden ist, wer wir sind. Und ich meine, ganz London hat Angst vor uns und ein Mädchen alleine in einer dunklen Gasse muss doch schon Hinweis genug sein.“ Lou stimmte mir zu. „Warst du heute erfolgreich?“, fragte ich sie und schloss die Augen. Der Job war manchmal echt anstrengend. „Na ja“, zögerte sie. „Ich wäre fast geschnappt worden, aber ich bin den Bullen rechtzeitig entkommen.“ Sofort riss ich die Augen wieder auf. „Hast du das Hannah erzählt?“, fragte ich sie ungläubig. Sie verdrehte die Augen. „Natürlich nicht, du weißt was das bedeuten würde.“ Sie würde rausgeworfen werden. „Das kann ich echt nicht gebrauchen. Wo soll ich denn sonst hin?“

Jede von uns hier im Haus hatte ihre eigene schlimme Vorgeschichte mit Männern. Die eine wurde vom Alkoholikervater missbraucht, die andere vom Freund geschlagen oder auf einer Party abgefüllt und vergewaltigt, und, und, und. Als wir gar nichts mehr hatten, war Hannah für uns da. Sie gab uns ein zu Hause und alles, was man zum Leben benötigte. Sie selbst hatte Schreckliches mit Männern durchgemacht und wusste, wie wir uns fühlten. Sie verlangte keine Miete, nichts, aber nur unter einer Bedingung: wir sollten einander rächen. Männer sollten uns nie mehr verletzen, uns für schwach halten, unterschätzen. Wir sollten ihnen einen Denkzettel verpassen. Deshalb überfielen und verprügelten wir sie, manche fanden sogar den Tod. Insgesamt waren wir ungefähr 50 Mädchen von 18 bis 28 Jahre, jede hatte ihren eigenen Bezirk, in dem sie Unruhe stiftete. Jeden Tag kamen neue dazu, oder wurden geschnappt. Eine der goldenen Regeln war, wenn man aufgegriffen worden war, nie seinen Wohnort zu verraten. Die Cops bissen sich die Zähne an uns aus, niemand würde unseren Aufenthaltsort je finden. Zusammen lebten wir in einem riesigen Haus, das einer Villa glich, das Hannahs Eltern gehörte. Immer 2 oder 3 teilten sich ein Zimmer, so wie Lou und ich. Es gab im Erdgeschoss einen großen Speisesaal, in dem wir gemeinsam aßen. Außerdem hatte jede einen Art Stundenplan, der größtenteils Sport und Training beinhaltete, damit wir fit für unsere nächtlichen Aufgaben waren. „Huhu? Erde an Jacky?“ Lou wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und riss mich aus meinen Gedanken. „Los, Träumerin. Wir müssen zum Training!“, rief sie, als sie vom Bett sprang und mich mit der Hand mitriss, sodass ich längs am Boden lag. Oh shit. Das hatte ich ganz vergessen. Der Tag war noch nicht zu Ende. Seufzend rappelte ich mich auf, schnappte mir meine Laufschuhe und lief Lou den Gang hinterher.

(Lily Collins as Jacky Eastwood - das Foto ist an der Seite :) Sorry wegen der schlechten Qualität :/ )

London's darkest secret - Zayn Malik FanfictionWhere stories live. Discover now