Kapitel 6

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* Und sobald du die Antwort hast, ändert das Leben die Frage. - Unknown *

Ich lag bestimmt schon seit einer Stunde wach in meinem Bett, als der Feueralarm losging. Es war ein so plötzliches Dröhnen, dass aus den Lautsprechern auf dem Flur drang, dass ich zusammenzuckte. Hektisch suchte ich mir eine Jacke, stieg in meine Supras und lief zur Tür. Der Gang war voller Mädchen, die in Schlafanzug zum Ausgang hechteten. Was war passiert? In der Menge erkannte ich einen blauen Schopf und drängelte mich vor zu Joyce. Mit einem Ellbogen stieß ich sie an. „Weißt du was los ist?“, fragte ich und versuchte mit ihr Schritt zu halten. „Wahrscheinlich ist der Feueralarm nur angegangen, weil eine irgendwo heimlich geraucht hat oder so“, meldete sich Cotton Candy zu Wort, die unbemerkt neben mir aufgetaucht war. Joyce zuckte nur mit den Schultern. „Ich folge einfach dem Strom.“

In meinem Augenwinkel nahm ich rechts von mir ein rotes Glühen wahr. Verwirrt blieb ich stehen und ließ mich zurückfallen. Ich hatte gemeint, ein Flackern durch die Glaswand erkannt zu haben. Es strömten weiter unzählige Mädchen an mir vorbei und nur mit Mühe konnte ich mich zur Fensterfront durchdrücken. Ich legte meine Hände an das kühle Glas und beobachtete sprachlos die Szenerie, die sich mir dort draußen bot.

Hohe Flammensäulen schlängelten sich am Gebäude empor und setzten den Efeu, der das Haus stellenweise bewucherte und das damit eigentliche Aussehen der Villa verschleierte, in Brand. Ein Ast brach von einem angesengten Baum und fiel mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf zwei Autos, die auf dem hauseigenen Parkplatz standen. Das setzte die Alarmanlagen beider Autos schrillend in Gang. Ich konnte nur hoffen, dass mein Baby nicht darunter begraben wurde. Monatelang hatte ich Portemonnaies geraubt, um mir meinen Audi finanzieren zu können. Es gab eine weitere kleine Explosion und Flammen verbrannten den gesamten Rasen.

Ich sah mich nach den Verursachern des Brandes um und entdeckte ungefähr 10 Männer, die lässig auf der Motorhaube eines Mustangs saßen oder sich an ihn anlehnten. Einer von ihnen hielt einen bedrohlich aussehenden Flammenwerfer in der Hand und lachte ab und an triumphierend auf, wenn er gelegentlich einen Busch zu Asche werden ließ.

Jetzt kamen auch drei Gestalten aus unserem Gebäude. Ich konnte sie nur schwer als Hannah, Melissa und Chelsea ausmachen, weil die Sonne noch nicht aufgegangen war und nur das Feuer alles in ein gespenstisch aussehendes rotes Licht tauchte. Hannah stand einen Schritt weiter vorne als die anderen beiden und ging ruhig auf die Bande zu. Jetzt löste sich auch einer von ihnen aus der Gruppe heraus und befahl dem Typen mit dem Flammenwerfer mit einer Handbewegen, kurz innezuhalten. Mit anmutenden Bewegungen wie Raubtier schritten sie aufeinander zu.

Ich riss mich von dem Anblick los und stürmte die Treppen zum Ausgang hinunter. Als ich die Tür aufstieß, stieg mir der beißende Geruch von Versengtem in die Nase. Es war nahe zu gefährlich ruhig. Nur die züngelnden Flammen gaben ein bedrohliches Zischen von sich. Alle 50 Mädchen hatten sich hinter Hannah, Chelsea und Melissa zu einer breiten Front aufgestellt. Ich legte meinen Kopf schräg und betrachtete die Unruhestifter genauer. Es bestätigte sich mein Verdacht, der tief in meinem Kopf verankert gewesen war, ich aber nicht wahrhaben hatte wollen. Vor uns standen die männlichen Gegenstücke der Nightcrawlers: die Duskriders.

Die Duskriders waren von jeher unsere Erzrivalen. Es bestand schon ewig ein Bandenkrieg zwischen uns und den anderen. Sie bildeten ihre Reihen aus Männern und machten genau das, weshalb wir Jungen verabscheuten. Die Duskriders verletzten Frauen, wenn es sein musste sogar Kinder. Sie schreckten vor nichts zurück. Nicht einmal vor uns. Ich hatte einmal bei einem Übergriff zufälligerweise zugesehen, weil ich nachts mit Hannah unterwegs gewesen war, und war entsetzt gewesen. Sie waren noch grausamer als wir, mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent endete der Angriff für das Opfer mit dem Tod. Und das musste wirklich etwas heißen.

Verächtlich musterte ich sie aus zusammengekniffenen Augen und biss mir auf die Unterlippe, was ich immer machte, wenn ich wütend war. Der Junge mit dem Feuerwerfer saß ganz oben auf dem Dach von ihrem nachtschwarzen Mustang und winkte mir mit seiner Waffe zu. Bewusst ignorierte ich ihn und ließ meinen Blick weiter über die Truppe schweifen. Alle hatten denselben gut gebauten, muskelbepackten und gebräunten Körper und stechende Augen voller Hass und Selbstbewusstsein. Ein Mann bekam schließlich meine volle Aufmerksamkeit. Lässig hatte er eine Hand auf das Dach des Wagens gelegt und die andere befand sich in der Hosentasche seiner ausgewaschenen Jeans. Seine etwas längeren goldblonden Haare kringelten sich an ihren Enden zu Locken und seine wasserblauen Augen lagen auf mir. Sein Mund öffnete sich zu einem Lächeln, das seine strahlend weißen Zähne entblößte. An seinen schlanken Fingern steckte ein Schlagring. Er war so außergewöhnlich schön, wie gefährlich er war. Oh ja, ich kannte ihn nur zu gut. Er zwinkerte mir zu und angewidert wandte ich mich ab.

Der Mann, der sich vorher aus der Bande heraus gelöst hatte, war niemand geringeres als der Anführer der Duskriders.

„Hannah!“, begann er überfreundlich, als er nur noch wenige Meter vor ihr stand. „Jeremy“, erwiderte Hannah kühl. „Lange nicht mehr gesehen!“, sagte Jeremy und grinste breit. „Spar dir dein Getue. Was soll das?“, fragte sie ruhig, aber ich konnte den aufgebrachten Unterton in ihrer Stimme hören. „So kenn‘ ich dich – kommst immer gleich zur Sache. Schön, dass sich manche Dinge nie ändern.“ Immer noch grinsend betrachtete Jeremy selbstverliebt seine Fingernägel. „Ihr seid letztens in unser Revier eingedrungen. Das sehe ich gar nicht gerne“, fuhr er in einem tadelnden Ton fort. „Was meinst du damit?“, knurrte Chelsea hinter Hannah. Melissa legte ihr beruhigend eine Hand an den Arm, den diese aber augenblicklich abschüttelte. Überrascht sah Jeremy auf. „Sieh nur…deine Haustiere können sprechen!“ Chelseas wütende Antwort ging im lauthalsen Lachen der Duskriders unter. Jeremy lachte schallend mit ihnen und wurde nur Sekunden später wieder ernst. „Ich meine, dass ihr eure Grenzen überschritten habt. Eine von euch hat sich an einem unserer Brüder vergangen!“ Alleine wie er Brüder aussprach, ließ mich frösteln. Hinter ihm stimmten die anderen ihm johlend zu und der Typ mit der Waffe setzte ein weiteres Stück Rasen in Brand, um Jeremys Worte zu unterstreichen.

Bei dem Aufzischen des versengten Grases verdrehte Jeremy die Augen. Ohne sich umzudrehen, hob er die Hand und rief: „Sean, bitte. Wir hatten was abgemacht.“ Kopfschüttelnd richtet er wieder seinen Blick auf Hannah. „Wir kennen deine Leute, Jeremy. Krieg wollen wir ganz sicher nicht. Wieso also sollten wir das tun?“ Jeremy lachte ein dreckiges, leises Lachen. „Oh, na den kanntet ihr sicher noch nicht. Er war neu und einer der Besten. Vielleicht erkennt ihn ja eine von euch“, rief er zu allen 50 Mädchen gewandt. Er zog ein Foto aus der Jackentasche und hielt es vor sich. Mir stockte der Atem. Es war der Junge, den ich bei meinem letzten Übergriff fast umgebracht hatte. Steif ging ich vor und nahm Jeremy das Bild aus der Hand. Ich war mir sicher, er war es.

„Ja, ich kenne ihn. Ich bin diejenige, die ihr sucht.“ Meine Stimme war fest und ich hielt Jeremys Blick stand. „Sieh an, sieh an. Dann bist du uns wohl etwas schuldig.“ Seine braunen Haare fielen ihm in die Stirn und seine wilden, grauen Augen musterten mich amüsiert. „Nein. Das bin ich nicht.“ Seine Miene wurde steinhart. „Bitte was?“, zischte er und kam ein Stück näher.

„Jeremy, ich glaube nicht, dass sie für dich von Wert sein könnte.“ Seine Augen fixierten mich noch wütend einen Augenblick, als er seinen Kopf zu Hannah herumriss. „Die Verträge müssen erneuert werden. Lass uns verhandeln.“ Jeremy dachte einen Moment nach. „Ja. Aber in der Zeit, in der wir verhandeln, gelten die alten Regeln nicht. Das heißt also, bis wir uns geeinigt haben, steht keiner im Schutz des alten Bündnisses. Wir beginnen bei nächstem Vollmond.“ Rückwerts ging er zu seiner Gang und ließ mich nicht aus den Augen. „Pass auf, Mädchen. In Zukunft solltest du vielleicht diejenige sein, die Angst haben sollte, angegriffen zu werden.“ Er drehte sich elegant um und stieg in den Mustang. Ein Wunder das da 10 Leute reinpassten. Als letzter stieg der blonde Junge ein. Ich versuchte so gut wie es ging, seinen Namen aus meinem Kopf zu sperren. „Man sieht sich, Süße!“, rief er und warf mir eine Kusshand zu, bevor er mit einem selbstgefälligen Grinsen davonfuhr.

Ich war verwirrt. Wie so oft in den letzten Tagen. Aber ich hatte auch einen Grund. Heute hatte ich seit Jahren meinen Exfreund, der mir all das angetan hat, wiedergesehen.

London's darkest secret - Zayn Malik FanfictionWhere stories live. Discover now