Kapitel 8

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Liebe mich dann, wenn ich es am wenigstens verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten. - Unbekannt

In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf. Mir war schlecht vor Wut, dass ich so blind gewesen war, wieder zu vertrauen, dabei wusste ich es doch so viel besser. Ich starrte an die weiße Decke unseres Zimmers, bevor ich den Blick auf das leere Bett neben mir richtete. Im Moment konnte ich mir kein Gefühlschaos leisten. Lou war verletzt, die Duskriders hatten mich im Visier und wollten sich an mir rächen.


Der Gedanke an Rache brachte mich auf eine Idee und endlich klärte sich mein Blick auf die wesentlichen Dinge. Ich hatte hier ein Zuhause unter einer Bedingung bekommen: sich für alle Mädchen und Frauen dieser Stadt zu rächen. Jedem Jungen, jedem Mann, der uns einmal Leid zugefügt hatte, sollte ein Denkzettel verpasst werden. Und das hatte Zayn getan. Er hatte mir Leid zugefügt, und Gott weiß, was er noch mit anderen gemacht hatte. Er war genau wie all die Jungen zuvor, sah uns als Objekt seiner Begierde und hatte nur das eine gewollt. Angewiedert von meinem naiven Vertrauen zu ihm verzog ich das Gesicht.


Vielleicht hatte mich die Enttäuschung über Zayn noch gefährlicher gemacht als zuvor. Vielleicht machte sie mich noch härter, noch kälter. Ich fühlte in diesem Moment, wie ich mich noch mehr von der Möglichkeit, wieder Liebe zu empfinden, entfernte. Dieses Gefühl war jetzt in meinem tiefsten Innern weggesperrt und ich würde es ihm nicht noch einmal erlauben, wieder so schnell an die Oberfläche hervor zukommen.


In einer einzelnen, schwunghaften Bewegung erhob ich mich von meinem Bett und zog meine Supras an. Ich musste Lou von meinem Vorschlag erzählen. Schnell nahm ich den Zimmerschlüssel von meinem Nachtkästchen und ging hinaus auf den Flur, auf dem zu dieser Zeit wie immer viel los war. Bei uns Duskriders tickten die Uhren anders. So wie normale Menschen um acht Uhr morgens aufstanden und zur Arbeit fuhren, war bei uns um Mitternacht Hochbetrieb und viele kehrten erst in den frühen Morgenstunden von ihrer „Arbeit" zurück. Das schallende Gelächter und Wortfetzen wie „der wird so schnell keine Frau mehr anfassen" begleiteten mich durch die Gänge bis hinunter in den Keller, wo Lou immer noch auf der Krankenstation lag.


*


„Ich weiß, ich weiß. Echt schwach,dass ich mich für einen kurzen Moment von ihm hab blenden lassen", beendete ich meine Erzählungen von Zayn, bevor Lou sich einschalten konnte. „Aber ich hab jetzt eine Idee, wie ich mich revanchieren kann."

Anstatt aufgeregt meine Geschichte zu kommentieren, war Lou ungewöhlich still geworden.

„Morgen findet doch das Festival statt, auf das Hannah uns schickt. Ich werde ihm vorspielen, dass ich Interesse an ihm habe und am letzten Tag: BAM!", lachte ich und erwartete, dass auch Lou einstimmen würde. Aber das tat sie nicht.

„Hey, was ist denn los?", fragte ich verwirrt. Führsorglich rutschte ich an ihr Bett und wollte ihr gerade das Kissen gerade rücken, als sie mein Handgelenk umfasste.

„So alleine hier unten hat man ganz schön viel Zeit nach zu denken, weißt du", begann sie. „Ist es dir noch nie in den Sinn gekommen, dass es da draußen, irgendwo, vielleicht doch noch ein, zwei nette Kerle gibt?"

Fasslungslos starrte ich sie an, als ob ich sie gerade zum ersten Mal sehen würde.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein! Muss ich dich wirklich daran erinnern, wer dir DAS angetan hat?" Mit zitternden Fingern zeigte ich auf ihren Körper, der von oben bis unten eingegipst vor mir lag.

„Jaah, ich mein ja auch nicht DIE Typen." Lou kratzte sich nervös mit der einen, nicht gebrochenen Hand am Kopf. „So ein komplettes Leben ohne Liebe kann ich mir irgendwie einfach nicht vorstellen. Klar, vielleicht hatten wir alle hier echt Pech, aber-"

„Von einem Fremden vergewaltigt und dem eigenen Freund verprügelt zu werden bezeichnest du als eben ein BISSCHEN PECH?" Vor lauter Wut stießen mir die Tränen in die Augen, hatte sie vergessen wo sie hier war?

„Jacky, ic-"

„All die Mädchen und Frauen da draußen, die Tag für Tag ihre gewalttätigen Männer und Väter ertragen müssen haben also einfach nur PECH?" Mittlerweile schrie ich so laut, dass ich mir sicher war, dass alle auf dem Flur mithören konnten. Ich verstand sie einfach nicht. Gerade nach so einem Unfall wie ihrem, der meinen Hass auf die Männer, die ihr das angetan hatten, noch verstärkte. Und sie saß einfach eingegipst in ihrem Krankenbett und glaubte plötzlich an Liebe?


Für ein paar Sekunden starrten wir uns einfach nur an, wobei sich meine Brust schnell hob und senkte. Aufgebracht starrte ich in ihre blauen Augen, in denen ich zum ersten Mal etwas erkannte, dass ich nie geglaubt hatte, in ihren Augen jemals sehen zu werden. Angst. Angst vor mir. „Du kannst dich glücklich schätzen, wenn ich dich nicht bei Hannah verpetze", sagte ich und stürmte aus dem Zimmer.


*


Ich fühlte mich verraten. Von meiner besten Freundin verraten, mit der ich hier alles begonnen hatte, und nun wollte sie es nicht zu Ende führen. Ich fühlte mich, als ob alles, was wir die zwei Jahre erlebt hatten, auf einer Lüge aufgebaut worden war. Was tat sie noch hier, wenn sie nicht hinter den Duskriders und ihren Taten stand?


Die U-Bahn kam mit einem lährmenden Quietschen zum Stehen. Noch in Gedanken stand ich wie eine Marionette auf, stieg durch die sich öffenden Türen und ging mechanisch dieTreppe zum Ausgang hinauf. Ich musste Lou aus meinem Kopf haben, wenn ich das jetzt tun wollte. Unser Streit durfte mich nicht von meinemJob abhalten.


Nach nur wenigen Minuten zu Fuß erreichte ich eine Einfahrt, die mir noch zu gut von letzter Nacht in Erinnerung geblieben war. Der eisige Wind fegte durch die Straßen des Wohnblocks und ich zog meinen schwarzen Mantel fester um mich. Im Haus am Ende der Einfahrt brannte Licht und durch die Vorhänge konnte man eine Person durch einen Raum huschen sehen, den ich als Küche identifizierte. Da war er. Ahnungslos, was ihm bevorstand.

Ich warf meine Haare über die Schultern, atmete einmaltief durch, um die ganze Wut auf Lou vorerst los zu lassen und dann trat ich auf die Wohnung zu. Der Kies des Weges knirschte unter meinen Stiefeln und in Gedanken legte ich mir meine Worte zurecht, bevor ich auf die Klingel drückte. Hoffentlich würde er anbeißen, aber schließlich waren Männer auch nur Männer. Ich hörte Schritte von innen und wenige Momente später öffnete mir der schwarzhaarige Junge die Tür. Nur schwer konnte ich meine Enttäuschung und abwertige Haltung ihm gegenüber herunter schlucken. Trotzdem sah ich bewusst nicht in seine rehbraunen Augen.


„Hallo Zayn", sagte ich und klang möglichst einlullend. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Hör zu, es tut mir leid, wie ich gestern reagiert habe. Darf ich rein kommen?"


Wortlos gab er mir mit einer Geste die Erlaubnis dafür. „Danke", flüsterte ich und mit einem hämischen Grinsen, als ich eintrat und er mit dem Rücken zu mir die Tür schloss, sah ich mich in seinem Haus um, als ob ein Ahnungloser soeben einen Vampir über die Schwelle eingeladen hatte. Nur dass ich viel, viel schlimmer war.

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⏰ Last updated: Dec 08, 2017 ⏰

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London's darkest secret - Zayn Malik FanfictionWhere stories live. Discover now