Am nächsten Morgen saß John gerade am Tisch in der Küche und sah aus dem Fenster. Ich trat, als ich zu ihm kam, extra laut auf, damit er sich nicht, aber er tat es trotzdem: "Kind, du kannst dich doch nicht einfach so anschleichen!". Ich gluckste: "Hab ich nicht, werden deine Ohren langsam alt?". Er richtete sich etwas auf und streckte die Brust raus: "An mir wird nichts alt!". "Wer wird alt?", fragte Chris, der in diesem Moment gähnend den Raum betrat, Mariko hinter ihm.
Zehn Minuten später hatten wir eine Müslipackung aufgerissen, die noch von vorher hier war, und sie in eine große Schüssel gekippt. Jetzt saß jeder mit einem Löffel davor und bediente sich nach Herzenslust. "Sagt mal", unterbrach John die gefräßige Stille: "Wann wollte ihr eigentlich heiraten. Oder vorallem wie, ich meine, keiner von uns hier ist Standesbeamter oder Priester, hab ich Recht?". Chris kratze sich am Nacken: "Darüber hab ich mir noch keine großartigen Gedanken gemacht.. vielleicht finden wir ja jemanden, der uns traut.". Mariko wirkte etwas abwesend, nickte aber nur. "Schatz? Alles gut?". Sie nickte: "Klar. Ich hab bloß daran gedacht, dass ich nie in einem schönen weißen Kleid mit Spitzenärmel heiraten kann, in einer Kirche, wo alles mit weißen Nelken geschmückt ist, und auf den Altar zugehen, bei dem du auf mich wartest und dir der Mund offen stehen bleibt, wenn du mich das erste Mal so siehst.". Bei den letzten Worten zierte ein trauriges Lächeln ihr Gesicht. Chris beugte sich vor und küsste sie: "Aber es wird genauso schön sein. Schließlich denke ich mir jetzt schon jedes Mal wenn ich dich sehe 'Was hab ich bloß für ein unverschämtes Glück'". Ich räusperte mich: "Zu. Kitschig. Hört. Auf damit.". John lächelte: "Das waren Zeiten, als ich das noch zu deiner Mutter sagen konnte.". Chris seufzte: "Dad, lass bitte dieses Thema. Der Tod geistert schon genug um uns herum.". Wenn es nicht so eine blöde Situation gewesen wäre, hätte ich mir einen Witz zum Thema 'Tod' im Zusammenhang mit 'rumgeistern' nicht verkneifen können, allerdings war Chris Mutter immer schon ein heikles Thema. Also fing ich an, über andere Sachen zu reden: "Wie geht es jetzt weiter?". "Wie meinst du das?", fragte Mariko verwundert über den Stimmungswechsel. "Naja, bleiben wir hier, hauen wir ab, wenn ja wie und wann, was nehmen wir mit..". "Wir gehen auf keinen Fall, bevor du nicht wieder richtig gesund bist.", warf Chris ein, sein Vater nickte zustimmend. Ich verdrehte die Augen: "okay, wenn ich wieder richtig gesund bin..was machen wir dann.". Die anderen sahen sich ratlos an. "Wir können nicht ewig hierbleiben. Wir sollten nach anderen Überlebenden suchen, die sich vielleicht zu einer Art Gemeinschaft zusammengeschlossen haben.". Chris seufzte: "Schon mal 'The walking dead' gesehen? Gemeinschaften gehen nie gut aus.". Ich legte den Kopf etwas schief: "Realität oder Serie, mein Freund.". Er deutete nach draußen: "Noch Fragen?". Jetzt verdrehte Mariko die Augen: "Sie hat Recht, wer sagt, dass es keine weiteren wie uns gibt? Ein paar Menschen, die seit drei Monaten ums überleben kämpfen. Überle mal, drei Monate sind nicht viel.". Er sah sie an: "Wenn du mal raus guckst siehst du, wie viele es in diesem Zeitraum NICHT geschafft haben zu überleben. Sicher, es gibt Leute wie uns, aber wie sollen wir die finden? Auf den Straßen treibt sich bei dem Wetter niemand rum, Autos kommen nicht durch die Schneedecke durch und würden vermutlich auch mehr rutschen als fahren, schließlich hat noch keiner Winterreifen drauf..". "Dein Ernst? Du denkst jetzt an Winterreifen?", ich lachte und hustete schließlich, er hob bloß zur Verteidigung beide Hände: "Sicherheit geht vor.". Mariko nickte und sah auf die Tischkante. "Okay, was ist da los?", fragte John und wandte sich jetzt direkt an Mariko. Sie sah auf, ihre Wangen hatten sich leicht rot gefärbt: "Was soll los sein.". Der Mann lehnte sich zurück: "Irgendwas hast du doch?". Sie schüttelte bloß leicht den Kopf: "Alles in bester Ordnung.". Er beäugte sie noch etwas, ließ dann aber von ihr ab, irgendwie schien sie errleichtert.
Mittags war tatsächlich die Sonne rausgekommen und hatte die Temperaturen etwas über den Nullpunkt geschubst. Ich stand vor einer Glaswand im zweiten Stock und sah nach draußen. Vom Dach tropfte ab und zu der schmelzende Schnee, der Fußboden war unberührt weiß, der Himmel strahlend blau. Man hätte fast meinen können, die Welt sei wieder in Ordnung, wenn man die Wege draußen und die wankenden Toten nicht sah. Chris und sein Vater waren gerade im Dorf unterwegs und suchten einiges an Sachen zusammen, die sie vielleicht brauchen konnten. Mir war das ganze zwar nicht geheuer und eigentlich wollte ich sogar mit, aber hatte schließlich eingesehen, dass es besser war hierzubleiben. Mariko war bei mir, die anderen ebenfalls überzeugen zu können, hatte sie nicht geschafft. Jetzt hofften wir einfach, dass uns keine Herde angriff und die Männer bald wohlbehalten zurückkommen würden. Mir entwich ein Seufzen, die Welt sah wirklich normal aus. Wieder keimte diese naive Hoffung in mir auf, dass das alles bald vorbei sein würde.
DU LIEST GERADE
Weihnachten war mal das Fest der Liebe
HorrorDezember 2016 in Deutschland. Es schneit, jedoch streut niemand die Straßen oder lässt sich allgemein draußen blicken. Warum, wenn doch so schönes Winterwetter ist? Ganz einfach: wer raus geht stirbt. Wegen Gewalt auf Erwachseneninhalt gestellt. D...