Ich gebe ihm den Filter und das Papier, er rollt den Joint.
Er hat das beste Gras der Stadt, aus erster Hand, also nicht gestreckt. Und zahlen muss ich es auch nicht. Was besseres gibt es nicht.
Sonst haben wir immer eine Tabakmischung geraucht, heute wollen wir es mal pur probieren.
Ich habe meine Zweifel, freue mich aber auch darauf.Der Joint ist wie immer perfekt gerollt. Ich könnte das nie so gut. Bei mir zerknittert alles. Das ist bei Tabak und anderen Sachen nicht so schlimm, aber sein Gras ist ihm dann doch ziemlich wertvoll.
Er zieht sein Feuerzeug aus der Hosentasche und wir gehen raus auf den Balkon.
Schöne Aussicht, cooler Freund, geiles Leben.
Er zündet den Joint an, nimmt einen tiefen Zug, atmet wieder aus. Noch einmal. Dann gibt er das Gras an mich weiter. Ich nehme auch zwei Züge und reiche es wieder an ihn. So geht das weiter, bis der Joint fast fertig ist.
Weil er dann doch der vernünftigere von uns beiden ist, drückt er ihn an der Bank aus und wirft den Rest weg.
Wir reden und es dauert nicht lang, bis ich merke, dass das wohl ein bisschen viel Gras war.
Mein Kopf und meine Augen werden so verdammt schwer, meine Arme und Beine fühlen sich an, als würden sie zuerst einige Sekunden lang nach unten, und dann nach vorne "gezogen" werden.
Als nächstes wurde mir fast ganz schwarz vor Augen, das berichte ich meinem Freund, er meint, ich solle einfach ruhig bleiben, wird schon wieder.
Alles kribbelt, meine Hände kribbeln, meine Füße, und mir ist ziemlich schlecht.
So heftig war es noch nie nach dem Kiffen.
Dann falle ich in einen Halbschlaf. Zumindest fühlt es sich so an.
Ich erlebe alles wie einen Traum, irgendwie wie ein Third-Person-Game.
Ich habe das Gefühl, alle meine Gedanken aussprechen zu müssen.
Mein Gehirn arbeitet wie blöde, aber alles ist so taub.
Das kann man nicht beschreiben. Das muss man mal erlebt haben.
Plötzlich wache ich auf. Ich war die ganze Zeit wach und habe geredet, aber das war alles so irreal. Und jetzt sehe ich ganz klar, kann wieder normal denken. Ich sage meinem Freund, dass mir kalt ist.
Zehn Sekunden später sitzen wir drinnen auf der Couch, aber meine Gedanken verschwimmen gleich darauf wieder.
Die Zeit vergeht langsam, wenn man high ist. Und wenn man dieses Gefühl mit dem ganzen Third- Person-Shit mag, ist es bestimmt richtig geil. Aber ich war nicht darauf eingestellt. Ich wollte endlich wieder richtig denken können. Mein Freund beruhigt mich immer wieder, alles werde gut, ich solle es genießen.
Das macht es aushaltbar, aber ich war trotzdem unruhig.
An der Wand gegenüber hängt ein Wandteppich. Oder so etwas in der Art. Keine Ahnung. Auf jeden Fall sind da ganz viele Menschen, Tiere und Muster darauf abgebildet. Ich starre auf diese Bilder, es kommt mir vor, als würden sie eine Geschichte erzählen.
Und irgendwann, so klischeehaft es auch sein mag, war meine Hand für einige Augenblick richtig interessant zu betrachten. Ernsthaft. Wie man eine Hand bewegen kann, die Linien in der Handfläche. Es hätte bestimmt komisch ausgesehen, wenn uns - besser gesagt mich - jemand beobachtet hätte. Ich musste aussehen, wie eine, die gerade aus der Anstalt ausgebrochen war.
In diesem Zustand hätten weder er noch ich irgendwo etwas essen gehen können. Wir wollen einen Pizzaservice anrufen, aber da irgendwer es immer verhaut, bei einem Telefonat die richtigen (und vorallem im Zusammenhang zu den Fragen) Antworten zu geben, vergessen wir die Option schnell wieder.
Also stehen wir auf und gehen hinunter zur Wohnung unseres Nachbarn, weil wir nichts im Kühlschrank haben.
Zum Glück ist unser Nachbar, er heißt mit Vornamen Pascal und ist 29, ziemlich cool drauf und lädtuns zum Abendessen in seine Wohnung ein.
Es gibt Pizza, er hat auch nicht viel anderes daheim.
Wir stopfen das Essen in uns hinein, es schmeckt viel besser als sonst. Danach bietet er uns noch eine ganze Packung Tiramisu Eis an, weil er weiß, dass wir das besonders gern essen, wenn wir gekifft hatten.
Wir beide gehen wieder hoch in unsere Wohnung, essen das Eis, hören Musik und quatschen.
Okay, quatschen ist vielleicht das falsche Wort.Sagen wir ... wir taten das, was wir immer machen, wenn wir bekifft sind: wir bemerken, wie verliebt wir eigentlich ineinander sind.
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Ein Stockwerk tiefer
Short StoryEin ganz normales Wohnhaus, 20 Stockwerke. Ganz normale Personen, 20 Schicksale.