5. Stock

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Sie beide kommen aus dem Lift denn sie wollen noch eine heiße Schokolade in ihrer Wohnung trinken.

Ihre Mutter erwartet sie bereits in der Küche, lässt die zwei Teenager aber in Ruhe.

Die funkelnden Augen, mit denen er das Mädchen ansieht, sagen mehr als tausend Worte. Und sie kann ihre Augen auch nicht von ihm ablassen, am meisten haben es ihr seine vollen Lippen angetan. Wie es wohl wäre, sie zu küssen?

2 Stunden zuvor

Sie war gerade am Weihnachtsmarkt angekommen, wo sie sich mit ihrem Schwarm treffen sollte. Er war auch aufgeregt, besonders, als er sie endlich sah, zwischen den ganzen Leuten und Schneeflocken; er mochte sie, vermutlich.

Die Begrüßung war eine herzliche Umarmung. Jeder konnte sehen, wie verknallt sie ineinander sind. Aber sie? Sie vermuteten es nur, oder wollten es nicht wahrnehmen. 
Aber sie ist erst fünfzehn, er wird bald sechzehn, da muss man noch nicht sehen können, wer verliebt ist, und wer nicht.

Es war ein schöner Nachmittag, sie genoss es, Hand in Hand durch den schön erleuchteten Weihnachtsmarkt zu gehen.

Und er war einen halben Kopf größer als sie. Er hätte sie so gern geküsst, wusste aber nicht, wie er es anstellen sollte. Man kann ja auch nicht einfach fragen: "Was würdest du von einem Kuss von mir halten?"

Deshalb saßen sie an einem Tisch und aßen eine Bratwurst. Sie saßen einfach da, redeten ab und zu über den Alltag oder Menschen und Hunde, die an ihrem Tisch vorbeigingen.

Jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.

Es wurde immer kälter, bis die beiden, eingepackt in mehrere Schichten von Jacken, ins Warme wollten. Sie nahmen die nächste U-Bahn, dann die Straßenbahn, die fast direkt zu ihrem Haus fuhr.

In der Straßenbahn mussten sie selbst bemerkt haben, wie sehr der andere denjenigen mochte. Aber sie waren viel zu feige, den ersten Schritt zu tun.

In der Gegenwart

Die Tasse ist ausgetrunken und es wird Zeit, dass der Junge nachhause gehen muss.
Er zieht sich langsam zuerst die graue Stoffjacke, dann die dunkelblaue Winterjacke an.
Auch seine beigen Schuhe zieht er an, schnürt sie zu, während das Mädchen einfach daneben steht und jede seiner Bewegungen mitverfolgt, alles, was er tut, ist nahezu perfekt, nie könnte er etwas dummes tun.

Aber zeitweise ist ihr sogar bewusst, dass sie das alles aus den Augen eines verliebten, naiven Mädchen sieht. Sie will das ganze mit kognitiven Gedankengängen mitverfolgen können, aber wie?

Wie eine Marionette wird sie von einer Macht gesteuert, sie kann sich nicht wehren. Will sie eigentlich auch gar nicht.

Denn nur manchmal durchschaut sie diese Macht, ihre Taten und Bewegungen.

Er ist aufgestanden, hat die Türklinke in der Hand und fragt sie, ob sie ihn nicht hinunter begleiten wolle.

Natürlich wollte sie!

Er verabschiedet sich, höflich wie er ist, ausgiebig von ihrer Mutter, dann steigen sie in den Lift.

Die Türen schließen sich.

Sie stehen sich gegenüber, als er vorsichtig näher zu ihr kommt.

Beide wissen, was sie jetzt tun werden.

Ihre Lippen treffen sich, und auch, wenn das der erste Kuss für das Mädchen ist, funktioniert alles perfekt.

Wie in Zeitlupe vergeht alles, bis der Aufzug mit einem Klingeln andeutet, sie sind unten angekommen.
Nach einem Moment treten sie heraus, sie schließt die schwere Türe auf, jedoch macht er keine Anstalten, hinaus in die Kälte zu gehen.

Noch ein Mal sehen sie sich an, ihre Kopfe bewegen sich aufeinander zu, dieser Moment vor dem Kuss, in dem sich alle Gedanken nur darum drehen, dann spürt sie seine Lippen auf ihren.

Und alles ist für diesen Augenblick perfekt.

Ein Stockwerk tieferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt