Butterblumengelb war der Notizzettel, der mich Freitagnachmittag erreichte. Was darauf stand, konnte ich im zusammengefalteten Zustand nicht erkennen. Ich wusste, dass er von Theo war. Er hatte meine Bitte mich nicht mehr zu kontaktieren einfach ignoriert. Natürlich hatte er das. Theo ignorierte gerne die Wünsche seiner Mitmenschen. Ich knüllte das Papier zu einem Ball zusammen, dann glättete ich den Zettel wieder, zerknüllte ihn erneut, glättete ihn und schob ihn schließlich seufzend zwischen zwei lose Nähte in meiner Matratze. Später saß ich mit Sara im Raucherkäfig – dieses vergitterte Ding einen Balkon zu nennen, wäre hier mehr als unangebracht – und teilte mir mit ihr eine Zigarette. »Ich finde du solltest den Brief lesen.«, sagte sie, nachdem wir eine Weile schweigend geraucht hatten. »Bestimmt hat Theo dir verziehen.« Mir blieb der Qualm in der Lunge stecken, sodass ich Husten musste, bis mir der Bauch weh tat. Das war doch lächerlich. Theo würde mir nie verzeihen und selbst wenn, stand es ihm nicht zu. Er sollte mich gefälligst hassen. »Eher nicht.«, sagte ich und drückte meine Zigarette zwischen dem Drahtgeflecht hindurch. Sie rotierte im Flugwind und schlug schließlich auf dem Beton im Hof auf, wo sich kleine rote Funken über den Asphalt verteilten um sich dann in Luft auflösen. »Wieso?«, fragte mich Sara, zog die Stirn in Falten und bedachte mich mit einem Blick, den ich schon von Nele nur allzu gut kannte. Er sagte ‚Ich weiß es eh besser als du.' Ich seufzte. »Ganz einfach.«, ich nahm mir eine neue Zigarette aus meiner Packung, ließ sie unangezündet zwischen meinen Fingern kreisen. »Ich habe mich in sein Leben geschlichen, es zerstört und ihm alles genommen, was ihm etwas bedeutet hat. Ach ja,«, ich machte eine kreisende Bewegung mit meiner Hand in der Luft zwischen uns. »Ich habe noch dazu seinen besten Freund in den ganzen Mist mit hineingezogen und... naja den Rest kennst du ja.« Sara verdrehte theatralisch die Augen. »Ich kenne die ganze Geschichte. Aber wieso sollte er sonst so hartnäckig sein?« Erneut seufzte ich. »Ich habe ihm einen Brief geschrieben und ihm von Nele erzählt«, sagte ich. Saras Augen weiteten sich, dann stürmte sie – ohne auch nur ein Wort zu sagen – davon und zurück auf Stadion. Hätte ich nicht an diesem Ort festgehangen, hätte ich sie wahrscheinlich für verrückt gehalten.
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Liebes nicht-Tagebuch,
am Abend der Party traf ich mich gegen einundzwanzig Uhr mit Theo an einer Tankstelle in der Nähe des Hauses seines besten Freundes. Zur Begrüßung schenkte er mir ein zaghaftes Lächeln und eine – mehr oder weniger – halbe Umarmung. Diese Nähe zu ihm fühlte sich seltsam an. Zu komisch und zu falsch. Ich schenkte ihm eine Flasche Wodka mit den Worten »Zu einer Party sollte man im besten Fall niemals nüchtern erscheinen.« Wir gingen langsam und unterhielten uns über Filme und Leute von der Uni, dazu leerten wir die Flasche, doch nach nur wenigen Schlucken tat ich nur noch als würde ich trinken. Ich wollte den Abend so nüchtern wie möglich erleben. Theo hingegen wurde immer gesprächiger und lachte nach jedem Satz, den er von sich gab. ‚Idiot', dachte ich, lachte mit ihm mit und reichte die Flasche an ihn zurück ohne einen Schluck getrunken zu haben.
Ardians Haus glich einer Villa aus einer anderen Zeit. Die dunklen Mauern waren verziert mit Ornamenten und Säulen, die das Haus wie ein Kunstwerk erschienen ließen. Durch die großen Rundbogen Fenster im Erdgeschoss konnte man die Silhouetten der Menschen, die sich im Haus befanden erkennen. Es schien eine ruhige Party zu sein. Es schien nicht so, als würde jemand wie verrückt tanzen. Alle Menschenumrisse, die ich erkennen konnte, standen entweder still oder bewegten sich nur ganz leicht schwankend hin und her. Als wir näher an das Haus herantraten, konnte ich leise die Musik erkennen die gespielt wurde. Sanfte Elektronische Klänge schwappten zu mir herüber, die Musik schien perfekt zu dem Haus und den sich kaum bewegenden Silhouetten zu passen. Als wir das Haus betraten, war die Musik lauter als erwartet. Aber sie fühlte sich angenehm an. Nicht, wie bei den üblichen Partys, die ich bisher besucht hatte. Die Partys, bei denen man einen Raum betritt und mit einer Wucht von der Musik erschlagen wird, dass einem die Ohren schmerzten. Nein, dass hier, war sehr angenehm. »Komm mit«, rief Theo mir über die vibrierenden Klänge zu. »Ich stell dir meinen besten Freund vor.« Mir wurde ganz komisch, nicht, weil ich davon ausging, dass sein Freund mich sofort durchschauen würde, wenn er mich auch nur ansah. Nein, es war ein seltsames Gefühl, dass ich so noch nie erlebt hatte. Es war, als würde ein Sturm aufziehen – ganz nah und drohend. Von da an war jeder Herzschlag wie ein Fausthieb, ich war mir sicher, meine Brust wäre am nächsten Tag mit Herzförmigen Blutergüssen übersät. Ardian war ganz anders als ich ihn mir vorgestellt hatte. Das genaue Gegenteil zu Theo. Fast schwarze Augen musterten mich argwöhnisch als Theo uns einander vorstellte, entspannten sich aber als er sagte, dass er es mir zu verdanken hätte, dass er heute Abend überhaupt zu der Party gekommen war. Ardian beugte sich zu mir, sodass sein Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt war. »Ich schätze, dann sollte ich mich wohl bei dir bedanken.« Er flüsterte es mir ins Ohr. Ich spürte seinen warmen Atem, und beinahe wären mir die Tränen gekommen.
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Vergib mir nicht
Jugendliteratur»Die Dunkelheit hier hat Arme, die versuchen mich zu sich zu ziehen. Es gelingt ihr jede Nacht ein Stückchen mehr. Irgendwann werde ich mit ihr verschmelzen. Angst in meiner Seele, Regen in meinen Augen, in dem ich zu ertrinken drohe. Alles wegen...