1.Teil - 08.Kapitel

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1.Teil - 08.Kapitel


Um kurz vor vier erreichte ich zitternd den Park. Es war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen in Jogginghose und kurzämrligem Top nach draußen zu gehen, selbst wenn ich zusätzlich noch meine Daunenjacke und Winterstiefel trug.

Außer den Straßenlaternen, war es dunkel, weshalb ich mich auch am Rande des Parks hielt, in der Hoffnung, dass Harry bald auftauchen würde. Dann kam mir der Gedanke, dass es doch schrecklich leichtsinnig gewesen war, mich um die Uhrzeit an einem solchen Ort mit ihm zu verabreden, ich kannte ihn ja nicht einmal wirklich. Jeder konnte dir etwas von toten Freunden, oder sonstigem erzählen, das hieß noch lange nicht, dass es der Wahrheit entsprach. Auch, dass er einfach so aufgetaucht war, war seltsam. Alles war irgendwie seltsam. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ging auf der Stelle auf und ab, um warm zu bleiben. Erst jetzt wurde mir bewusst wie blöd ich eigentlich war. Ich hatte keine Angst und das war die Wahrheit. Mir war es vollkommen gleichgültig ob ich heute, morgen oder übermorgen sterben würde, es machte kaum einen Unterschied. Und trotzdem sagte mir irgendetwas, dass ich zurückgehen sollte. Ich beschloss mich auf meinen inneren Instinkt zu verlassen und wollte mich gerade zum gehen wenden, als hinter einem Baum auf einmal eine Person vortrat. „Hallo."

Dort stand er. Trug wie immer seinen schwarzen Mantel, ein weißes T-shirt und dunkle Jeans. Seine Haare standen ihm von allen Seiten vom Kopf ab. Doch im Gesicht sah er irgendwie anders aus. Müde. Oder vielleicht angestrengt. Das wäre ich wahrscheinlich auch, wenn ich die Nacht durcharbeitete.

Noch immer wusste ich nicht so recht, ob ich weglaufen, oder bleiben sollte. Andererseits war ich diejenige gewesen, die sich mit ihm hatte treffen wollen. Darum nahm ich all meinem Mut zusammen und ging einige Schritte auf ihn zu. „Danke, dass du gekommen bist." Er antwortete nicht, zündete sich stattdessen eine Zigarette an und bließ den Rauch aus.

„Mein Vater schickt mich auf ein Internat in Cambridge." Nun richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Etwas verwirrt starrte er mich an. „Auf ein Internat in Cambridge?", wiederholte er. Ich nickte. „Ich habe keine gute Beziehung zu ihm. Zu keinem. Ich schätze mal sie wollen mich loswerden." Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Das wunderte mich nicht. Was sollte man darauf auch erwidern? „Das tut mir sehr leid für dich." Ich zuckte nur mit den Schultern. „Jedenfalls kann es jeden Moment so weit sein, deshalb wollte ich dich um einen Gefallen bitten." „Okay, was kann ich tun?" Ich griff unter meine Daunenjacke, holte den kleinen Stapel Briefe hervor und streckte sie ihm hin. „Kannst du die hier für mich aufheben? Sollten mein Vater, oder meine Stiefmutter meine Sachen durchwühlen und die Briefe finden, würden sie sie mir sofort wegnehmen, deshalb will ich auf Nummer sicher gehen." Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf den kleinen Packen und grif schließlich danach. „Von wem sind die denn?", fragte er dann etwas leiser. Ich konnte nur wieder mit den Schultern zucken. „Von meiner Mutter, aber ich weiß nicht an wen, ich kam noch nicht dazu sie mir genauer anzusehen. Aber ich denke, sie könnten für mich wichtig sein, es wird einen Grund geben, warum sie vor mir versteckt gehalten wurden." „Sie wurden versteckt gehalten?" „Mein Vater greift nicht gerne auf die Vergangenheit zurück, deshalb hat er alles was mit meiner Mutter, meiner Kindheit, oder-„ Ich schluckte. „Na ja, allem anderen zu tun hat, auf den Dachboden gestellt." Ich beobachtete wie Harry sich die Briefe in die Tasche seines Mantels steckte. „Keine Sorge ich passe darauf auf. Wie lange wirst du weg sein?" Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, vermutlich für immer." „Ich kann dir die Briefe schicken, wie heißt das Internat?" „St Elizabeth Internat für Mädchen." „Alles klar, du hörst von mir." Er lächelte, doch ich erwiderte sein Lächeln nicht. Er jetzt wurde mir richtig bewusst, dass ich hier bald nicht mehr leben würde. Dass ich anderen Leuten ausgesetzt war, einem anderen, vollkommen neuem Alltag und wahrscheinlich nicht einmal ein eigenes Zimmer haben würde. Ich musste schlucken. Das war mit Sicherheit mein Ende.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 02, 2016 ⏰

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