1.Teil - 06.Kapitel

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1.Teil - 06.Kapitel


Brief Nr.5

Liebe Aurelia,

seit ich vor einer Woche die Schule geschwänzt habe, einfach von zu Hause weggegangen bin und vor Pitt, oder wohl besser gesagt ‚von' Pitt weggelaufen bin, lassen Megan und mein Dad mich nicht mehr aus den Augen. Sie fahren mich zur Schule, holen mich ab und erkundigen sich bei den Lehrern, ob ich da gewesen bin. Auch muss ich jetzt einmal die Woche zu meiner Direktorin Mrs Welsh, die mich sämtliche Dinge abfragt, was wirklich nervig ist, da ich nun genau im Unterricht zuhören muss. Ich würde es wahrscheinlich nie jemandem außer dir erzählen, aber die letzten sieben Nächte bin ich immer eingeschlafen und mitten in der Nacht schweißgebadet aufgewacht. Kurz danach wurde mir mal wieder schlecht, wobei ich sogar glaube, dass ich mich dran gewöhnen werde. Morgens bin ich meistens schlecht drauf und ich habe das Sprechen mal wieder komplett eingestellt, mal abgesehen von der Schule, wo ich gezwungen werde etwas zu sagen. Nach der Schule sehe ich noch immer Harry, was noch seltsamer ist. Jeden Tag lehnt er an einem Baum vor der Schule, raucht und scheint auf jemanden zu warten, der aber nicht ich bin. Wenigstens verfolgt er mich nicht mehr, oder taucht wie aus dem Nichts vor mir auf. Trotzdem winkt er mir jedes Mal zu, wenn er mich sieht und lächelt dann so breit, dass ich schnell weggucke. Ich weiß zwar immer noch nicht wer er ist, oder was er hier macht, aber mittlerweile habe ich mich, auch wenn ich ihn erst seit ein paar Tage kenne, daran gewöhnt ihn nach der Schule zu sehen. Na ja, was heißt kennen? Wir haben nie wirklich ein richtiges Gespräch geführt und ich weiß nichts über ihn und trotzdem gibt es Tage, an denen sich meine Gedanken nur um diese komischen Begegnungen drehen. Gestern war ich wieder bei Pitt, nur, dass Megan dabei war. Pitt meinte, dass ich mir bis zu unserer nächsten ‚Sitzung' jemanden suchen soll mit dem ich reden kann. Er meinte zu Megan, dass er ein neues Konzept aufgestellt hat und sich nun erst langsam an mich herantasten will. Das ‚Sprechen' gehört dabei wohl an erster Stelle. Ich habe wirklich keine Ahnung wo der Mann studiert hat, doch offensichtlich haben sie ihm das Falsche beigebracht, denn in mir drin hat sich noch nichts verändert und ich glaube auch nicht, dass sich da in nächster Zeit noch etwas tun wird. Mein Leben hat sich also seit letzter Woche noch nicht groß verändert. Manchmal frage ich mich wie das Leben da oben sein muss. Bist du glücklich? Und denkst du manchmal an mich?

Ich denke jede Sekunde an dich, weil ich dich liebe und vermisse.

Deine Evelyn

P.s. Wenn es da oben weder eine Schule, noch Megan, unseren Dad, oder Pitt gibt, kann es ja nur besser sein. Gibt es zufälligerweise einen Weg deiner Welt beizutreten ohne eine Sünde zu begehen? Lass es mich wissen.

„Ich bin spät dran, du musst den Bus nehmen", sagte Megan und gab Tom und Jerry jeweils einen Kuss auf die Wange. „Was? Wir können sie nicht einfach mit dem Bus fahren lassen, weißt du nicht was Pitt uns gesagt hat?", rief Dad und trat einen Schritt auf sie zu. „Beobachtung", flüsterte er, doch ich hörte es trotzdem und sah schnell wieder auf meinen Teller. Ich wollte und würde dazu nichts sagen, so wie seit einer Woche schon.

Megan griff meinen Dad am Arm und zog ihn in den Flur. Kaum waren sie da, begannen sie auch schon zu streiten.

„Sie ist deine Tochter, nicht meine", hörte ich Megan zischen.

„Ach und warum entscheidest du dann immer mit mir über sie? Bei jeder Entscheidung bezüglich Evelyn, durftest du mitbestimmen. Jetzt zu sagen, dass du dich nicht auch um sie kümmern musst, wäre ungerecht."

„Mich kümmern? Marc, deine Tochter ist alt genug auf sich selber aufzupassen, zumindest hier im Haus. Und dass ich sie in die Schule fahre, hat wohl kaum etwas mit kümmern zu tun!"

(The) ReturnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt