1.Teil - 02.Kapitel

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1.Teil - 02.Kapitel

Flashback

„Was ist das?", fragte ich neugierig und beugte mich etwas weiter vor, um den goldenen Ring mit dem grünen Stein, den Aurora in ihren Fingern drehte etwas genauer betrachten zu können.

„Mummys Ring", murmelte sie, streifte ihn sich über ihren Zeigefinger und griff dann wieder nach ihrem Stift, um ihre Hausaufgaben weiter zu machen. Ich stützte mich mit den Händen auf der Schreibtischplatte auf und beugte mich etwas darüber, um ihn noch einmal von nahem zu sehen. „Wieso hast du ihn?", bohrte ich weiter nach und betonte dabei insbesondere das ‚Du'. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von dem so wunderschön aussehenden Ring abwenden.
„Weil du noch zu schmale Finger hast Eve und jetzt lass mich bitte in Ruhe."
Aurora stützte den Ellenbogen auf und hielt sich zwei Finger an die Stirn.
Beleidigt trat ich zwei Schritte zurück und beobachtete meine Schwester bei ihrer Arbeit.
Wie so oft viel mir auf wie hübsch sie war. Ihre dunkelbraunen, langen Haare fielen ihr gewellt über die Schultern, während die großen, braunen Augen auf das Blatt vor ihr gerichtet waren.
Auch wenn sie erst 16 Jahre alt war, so sah sie für mich schon jetzt aus wie eine Erwachsene und ich fragte mich ob ich auch so aussehen würde, wenn ich älter war, doch ich bezweifelte es. Wir sahen uns kaum ähnlich. Meine Augen waren blau, wie die meines Vaters. Die Haare waren dunkelblond und gingen mir gerade einmal bis zu den Schultern, weil meine Mutter sie mir jedes Mal, wenn sie auch nur ein bisschen gewachsen waren, abschnitt. Die einzige Gemeinsamkeit, die wir teilten, waren die paar Sommersprossen und die helle Hautfarbe, die wir widerrum von unserer Mutter hatten.

Aurora schien wohl zu bemerken, dass ich sie beobachtete, denn kurz darauf sah sie auf und zog genervt die Augenbraunen hoch.
„Hast du mir nicht zugehört?"
Ich biss mir auf die Unterlippe und sah wieder auf ihren Ring, der ja eigentlich unserer Mummy gehört hatte.
Sie folgte meinem Blick und lächelte dann leicht, was sofort meine Aufmerksamkeit weckte, denn sie lächelte nie. Nicht ein einziges Mal sah ich sie je lächeln. Niemals. Nicht einmal an Weinachten oder Geburtstagen. Nicht seit Mummy gestorben war.

„Weißt du was? Wenn du mich jetzt in ruhe lässt, verspreche ich dir, dass ich ihn dir eines Tages schenken werde."
Mit großen, hoffnungsvollen Augen sah ich sie an.
„Versprochen?"
„Versprochen."
„Und wann wird das sein?"
„Ich weiß es nicht. Eines Tages eben." Dann wendete sie den Blick ab und wendete sich wieder mit konzentriertem Blick ihrer Arbeit zu.

Flashback Ende

Ich drehte den Ring ein weiteres Mal zwischen meinen Fingern, bevor ich ihn mir langsam über den Zeigefinger streichte und dann mit dem Zeigefinger einmal über den immer noch glänzenden, grünen Stein fuhr. Ich verspürte auf einmal den Drang zu weinen, doch meine Augen blieben trocken. Stattdessen wurde mein Blick härter. All die Jahre. All die Jahre hatte er ihn vor mir versteckt. Dabei war es mein gutes Recht ihn zu haben. Es gab nicht Vieles was mir geblieben war. Das Meiste war einfach auf einmal verschwunden. Und ich konnte nichts dagegen tun. Der Vorwurf galt selbstverständlich meinem Vater.
Doch bevor es zum Überkochen meiner Wut kam, hörte ich draußen die knarrenden Stufen der Treppe und so schnell wie möglich räumte ich Alles, bis auf den Ring, den ich noch immer am Finger trug, unordentlich wieder in die Schatulle, bevor ich diese wieder in die Kommode stellte und sie so leise wie nur möglich schloss.

„Was machst du denn hier? Du weißt doch ganz genau, dass du hier nicht sein sollst."
Mit zu Schlitzen verzogenen Augen musterte mich Rita kritisch, doch ich lief nur wortlos an ihr vorbei zurück in mein Zimmer.
Noch auf halben Weg fiel mir ein, dass ich den Schlüssel zum Dachboden vor Aufregung vollkommen vergessen hatte. Einen Moment überlegte ich noch zurück zu gehen, doch das Geräusch des Staubsaugers, das nun zu hören war, gab mir zu Bedenken, dass dies wahrscheinlich keine so gute Idee war.


(The) ReturnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt