Kapitel 10

32 5 4
                                    


Wie Stefany mir vor fünf Tagen erzählt hatte, hatte ich die volle Punktzahl bei der theoretischen Prüfung erreicht, weshalb ich auch nicht überrascht war, als ich das Ergebnis schließlich in den Händen hielt. Cara neben mir schien ganz außer sich zu sein, als sie davon erfuhr und ich musste mich dazu zwingen, wenigstens so zu tun als wäre das das Beste was mir hatte passieren können. „Wow, Hale, du bist mit Abstand die Beste! Aber ich hab auch nicht schlecht abgeschnitten, ich bin auch im oberen Bereich.", erzählte sie mit einem breiten Strahlen. Für sie gewann ich mir sogar ein ehrliches Lächeln ab. „Das freut mich für dich, Cara!", sagte ich ehrlich. „Ich mich erst! Ich wette, wir werden die Besten Beschützerinnen überhaupt, wenn wir so weiter machen!" Sie schien wirklich außer sich zu sein vor Freude. „Ja, vielleicht.", gab ich nur von mir, mit einem schwachem Lächeln. Unglaublich, wie schnell sich Ansichten ändern konnten. Vor einigen Wochen noch wäre ich vermutlich genauso freudig erregt gewesen wie Cara jetzt. Die ganze Situation war einfach nur belastend für mich. Mit niemandem darüber reden zu können und auch noch meine eigene Familie zu bespitzeln, war das schlimmste daran. Und trotzdem wusste ich, dass ich es tun musste. Für das größere Wohl, rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis, wenn sich mal wieder besonders schlimme Zweifel in mir breit machten. „Ich freue mich Euch mitteilen zu können, dass ihr hiermit die erste Etappe zu eurer Ausbildung geschafft habt. Diejenigen unter euch, die besonders gut abgeschnitten haben, werden selbstverständlich belohnt. Das heißt ihr, die am Besten abgeschnitten habt, werdet ab morgen die Möglichkeit haben, mit anderen bereits ausgebildeten Beschützern auf richtige Einsätze zu gehen und daraus wertvolle Erfahrungen sammeln könnt. Für diejenigen, die weniger gute Prüfungsergebnisse erreicht haben, sollte dies ein Ansporn sein, nicht aufzugeben und härter zu arbeiten. Wie bereits am Ersten Tag gesagt wurde, finden noch zwei weitere Prüfungen statt, in denen ihr noch einiges rumreißen könnt. Also wünsche ich euch weiterhin gutes Gelingen!", verkündete die Frau, die bereits an unserem allerersten Tag ihre Begrüßungsrede an uns gehalten hatte. Erst heute wurde mir bewusst, wer sie überhaupt war. Eigentlich war es total peinlich, erst jetzt zu checken, dass es die Leiterin der Beschützerzentrale dieser Stadt war, eine äußerst wichtige und (eigentlich) bekannte Persönlichkeit, der jedermann Respekt zollte. Worüber sie wohl alles Bescheid wusste?, fragte ich mich. „Ich werde jetzt die aufrufen, die ab morgen andere Beschützer begleiten dürfen und bitte euch, eure Terminals hier vorne abzulegen, damit wir das Beschützer Programm darauf installieren können, um euch stets erreichen zu können.", beendete sie ihre Ansprache und ließ ihren Blick bedachtsam über uns schweifen. Als sie die Namen verlas, horchte ich überrascht bei Caras Namen auf. Sie hatte es tatsächlich auch geschafft, zu den Besten zu gehören! Ein Teil von mir freute sich unheimlich darüber, der andere Teil sorgte sich über mögliche Komplikationen was meinen Auftrag betraf. Cara's Strahlen war nicht mehr wegzuwischen, als auch sie endlich realisierte, dass sie dabei war. Halb springend fiel sie mir um den Hals, scheinbar war es ihr völlig egal, was alle anderen sich dabei denken würden. „Hale, kannst du das glauben!? Wir haben's beide geschafft!", sagte sie ganz aufgeregt. Ich tätschelte ihr lachend den Rücken. „Ja, für's erste schon!", erwiderte ich und schob sie sanft von mir. Ein junger Mann, der mir verdächtig nach einem IT Spezialisten aussah, machte sich an den von uns abgegebenen Terminals zu schaffen und installierte auf jedem einzelnen binnen weniger Minuten das Beschützer-Zentralen-Programm, durch das wir jederzeit und überall zu einem Einsatz gerufen werden konnten. Auf meinem Terminal, welches ich jetzt wieder in der Hand hielt, leuchtete in blauer Computerschrift eine Nachricht auf, von der Beschützerzentrale. Haley Bringsten, 18 Jahre, bitte identifizieren Sie sich. Fragend schaute ich hoch und blickte glücklicherweise dem IT-Spezialisten in die Augen, der mich freundlich anlächelte. Er schien meine unausgesprochene Frage zu verstehen. „Du musst dich mit deinem Fingerbadruck und deinem Augenscann identifizieren. Beides wurde bereits an deinem ersten Tag hier in der Zentrale gespeichert.", antwortete er mir mit einem Lächeln. Das sollte mich wohl nicht wundern, und trotzdem fühlte ich mich auf irgendeine Art und Weise hintergangen. Das hätte man mir doch schon vorher mitteilen können, oder? Wie auch immer, ich drückte meinen Daumen auf den Display, der kurz grün aufleuchtete und schließlich zu dem Augen Scan aufrief. Wie sollte ich das jetzt anstellen? Der IT-Typ berührte leicht meinen Arm und führte ihn (und somit auch mein Terminal) näher an mein Gesicht heran. „Und jetzt drück auf Scan starten.", sagte er leise und ich befolgte seine Anweisung. Ein grelles Licht blitzte aus dem Terminal und nahm mir für eine Sekunde die Sicht, ehe Identifizierung abgeschlossen auf dem Display erschien. Daran musste ich mich wohl erst noch gewöhnen. „Danke.", sagte ich zu dem IT-Menschen, der ziemlich süß aussah. Seine Nerd-Brille und das zugeknöpfte Hemd standen ihm merkwürdigerweise ziemlich gut, obwohl das eigentlich gar nicht so mein Typ war. „Keine Ursache.", antwortete er und ließ erst jetzt meinen Arm los. „Gibt's irgendwelche Probleme hier?" Erschrocken drehte ich mich um und sah John in die Augen. Warum schien er nur immer aus dem Nichts aufzutauchen? Das erschreckte mich wirklich noch zu Tode. „Nein, gibt es nicht, er hat mir nur netterweise erklärt, wie das mit der Identifizierung funktioniert.", antwortete ich immer noch perplex. Mit diesem Gesichtsausdruck von John war wirklich nicht zu spaßen, das wusste ich und da schien ich nicht die einzige zu sein. Denn als ich dem netten jungen Mann noch einmal zulächeln wollte, verschwand der gerade um die Ecke. Ohje. „Das war übrigens der Typ, dessen Büro du so... interessant gefunden hast.", sagte John beinahe lautlos. Überrascht drehte ich mich wieder zu ihm um. Oh Gott, ich hatte also gerade mit dem Typen geredet, in dessen Büro ich eingebrochen war. Dazu sagte ich wohl besser nichts. „Heute ist dein erster Einsatz, auf dem du mich begleiten wirst. Wir gehen nach dem Training gleich los, also trödel bitte nicht.", sagte John ernst. Ich nickte nur und drehte mich dann um. Was sollte das? Ich wusste einfach nicht, was ich von John halten sollte. Alles an ihm war so widersprüchig. Mal war er eigentlich ein ganz netter (sehr gutaussehender) Typ, mal der unnahbare eiskalte und ernste, der einem beinahe Angst machte. Und weshalb hatte er mich eigentlich überhaupt gewarnt gehabt, nicht zu den Leuten zu gehen, die sich ‚The Eagles' nennen und mich dann schließlich doch bereitwillig zu Ihnen geführt und auch noch dafür gesorgt, dass ich jetzt meinen Vater bespitzeln sollte? Dieses Unwissen machte mich verrückt, ich hasste es abgrundtief und doch blieb mir absolut nichts anderes übrig als abzuwarten und meine Aufgabe zu erfüllen.

Die EntscheidungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt