neun

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NEUN


Der Moment fühlte sich so perfekt an. Er wusste, es hatte etwas zu bedeuten, dass er ihre warme Wange nur einmal gestreichelt hatte. Nicht zwei oder drei Mal, genau ein einziges Mal. Er fühlte sich auch nicht dazu gedrängt es perfekte vier Mal zu machen, denn das erste Mal war vollkommen. Nach ihrem Kuss (welchen Harry unglaublich genossen hatte) begab sich Harry wieder zurück in seine Wohnung. Selbstverständlich wollte er eigentlich nicht. Er wollte bleiben, sich in Kenzies Arme kuscheln, jedoch war sie bereits so erschöpft und müde, dass er sich für diese Nacht verabschiedete.

Das hielt ihn aber nicht davon ab, am Morgen mit einem Buch in seiner Hand vor ihrer Tür aufzutauchen. Er wollte sie allerdings nicht nerven.

„Harry", begrüßte Kenzie den Braunhaarigen vor ihr. „Komm' rein."

Er lächelte, als er eintrat. Harry bemerkte, sie war immer zu Hause. Immer. Er hatte vor, sie zu fragen, was der Grund war, warum sie so viel Zeit zu Hause mit ihm verbrachte, anstatt auszugehen, vor allem, wenn sie keine Schule hatte.

„Was ist das für ein Buch?"

„An Abundance of Katherines, Die Erste Liebe nach neunzehn vergeblichen Versuchen. Ich versuche es jetzt schon seit einer Weile zu lesen, Gemma wollte mich unbedingt dazu bringen, etwas anderes als Gatsby zu lesen."

Also lasen sie gemeinsam. Sie saßen nah aneinander, Harrys Arm um ihre Schultern geschlungen, Kenzies Kopf auf seine Schulter gebettet. Erneut befand sich eine Wimper auf ihrer Wange, er entfernte sie behutsam. Es überraschte Kenzie ungemein, sodass sie aufhörte, zu lesen und dabei erschrocken zusammenzuckte.

„Da war etwas in deinem Gesicht," rechtfertigte sich Harry. Er liebkoste ihre Wange weiterhin sanft.

„Du hast mir kein Bisschen zugehört, nicht?" sie schüttelte mit ihrem Kopf. „Hör zu."

Sie räusperte sich leicht, bevor sie nochmals anfing vorzulesen. Harry versuchte ihren Worten zu folgen, doch er konnte nicht verhindern, als Erstes die Zeilen des Abschnitts zu zählen. Aber wenn er fertig damit war, befand sie sich schon fast am Ende der Seite, also lag er zurück. Wenn er probierte es sich anzuhören, war er nicht nur verwirrt, ihn machte es außerdem unruhig, nicht zu wissen, wie viele Zeilen sie bereits gelesen hatte.

„Kenzie, wie viele Zeilen hat dieser Abschnitt? Es tut mir leid, aber ich muss es wissen."

Sie schaute ihn direkt an, entdeckte dabei die ihm ins Gesicht geschriebene Aufgewühltheit. „Es sind sechs", lächelte sie ihn an.

Auf alle Orte, an denen wir gewesen sind. Und auf alle, die noch auf uns warten. Und immer flüsterte ich dir zu, wieder und wieder und wieder und wieder, ich liebe dich", die junge Frau sah ihm in die Augen, während sie diese letzten Worte zitierte.

„Kannst du den letzten Satz noch einmal wiederholen?", erkundigte Harry sich.

„Mhm," ein letztes Mal senkten sich ihre Augen auf das Buch. „Und immer flüsterte ich dir zu, wieder und wieder und wieder und wieder, ich liebe dich."

„Ich mag diese Zeile," sprach Harry aus, obwohl ihm lediglich gefiel, wie sich ihre Lippen kräuselten, wenn sie „Ich liebe dich" sagte.

„Ich auch", stimmte sie zu. „Lass uns später lesen. Ich möchte mit dir reden. Wie fühlst du dich?"

„Mir geht's gut", er zog sie noch näher an sich heran, atmete tief ihren Duft ein. „Und du?"

„Auch."

„Also... wir haben uns letzte Nacht geküsst."

Sie schmunzelte leicht, „Ja, das haben wir."

Harry war sich nicht sicher, auf was er mit diesem Gespräch hinaus wollte. „Hast du, ehm, hat es dir gefallen?"

„Natürlich hat es mir gefallen. Was ist mit dir?"

„Du kennst die Antwort bereits."

Harry fragte sie sechsfach in dreißig Sekunden, ob sie seine Freundin sein wolle.

Sie sagte schon nach dem dritten Mal ja, doch es fühlte sich nicht richtig an, also fragte er weiter.




OCD h.s. (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt