1. Kapitel

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Alinas P.O.V.

Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich hier hergekommen bin, in dieses warme, federweiche Bett. Über mir kann ich leise einen Lichter schnarchen hören, im Stockbett neben mir liegt Newt und schlummert lautlos vor sich hin. Sein blondes Haar hängt ihm plattgedrückt ins Gesicht und verdeckt teilweise seine Augen. Eine Weile beobachte ich ihn stumm, wie sein Brustkorb sich langsam und regelmäßig hebt und senkt, wie er sich beim Ausatmen immer wieder einige Strähnen aus dem Gesicht pustet. Mein Blick gleitet weiter, zum nächsten Bett. Sophie.
Sie hat geweint und Rotz und Wasser geheult, doch eine ansehnliche Erklärung konnte sie uns bisher nicht liefern. Immer wieder war ihr die Stimme versagt und sie hat sich in mein Shirt gekrallt, mich flehend angesehen.
"Bitte, ihr müsst mir glauben! Ich wollte das nicht!"
hat sie geschrien. Und ich... ich habe nichts darauf erwidert. Habe sie nur wortlos angestarrt, als wäre sie ein Geist, eine Halluzination, ein Trugbild meiner herumwirbelnden Gedanken. Ein grauenvolles Monster ist sie, dass ich mich sehnlist wegwünsche; ich will meine liebe, verantwortungsvolle Schwester wieder. Die, und die andere, die beschützerische, strenge. Maren.
Wo ist sie?
Haben sie sie mitgenommen?
Keiner hat ihre Abwesenheit bemerkt, als der Bus losgefahren ist, bis Newt laut ihren Namen durch die Reihen gebrüllt hat. Deutlich habe ich die Panik in seinen Augen gesehen, und wie er sich in die Sitzlehne gekrallt hat, sodass seine Knöchel weiß hervorgetreten sind. Er hatte Angst, Angst um sie. Um meine Schwester.
Den hats erwischt.
Das war mein einziger Gedanke dabei.
Den hats sowas von erwischt.
Ich war nicht traurig, dass Maren nicht mehr da war; ich war einfach nur... leer. Ein Schatten meiner selbst, der mit ihrem Verschwinden eine Nuance dunkler geworden ist. Nicht weiter als eine Schale, außen scheinbar hart, doch ihnen vollkommen hohl.

Ich träume von Chucks Tod. Immer und immer wieder höre ich die gellenden Schreie seiner letzten Lebenssekunden, sehe immer wieder das dunkelrote Blut aus seinem Körper blubbern. Ich sehe Sophie, wie sie ihn niedersticht.
Ich sehe Maren, wie sie sich umdreht, sagt, ich sei Ballast.
Ich sehe Griewer, wie sie hilflose Lichter aufschlitzen, abstechen, beissen und an den Steinwänden zerquetschen. Ich höre ihre Schreie, höre meine Schreie; panisch und heiser, verchluckt von dem Kampfgetümmel rings um mich.

Ich sehe Minho, wie er mich vor dem Griewer wegzieht, spühre seinen festen Griff um mein Handgelenk, massiv wie ein Schraubstock. Er wendet sich zu mir um, mustert mich von oben bis unten, prüfend, abschätzend... besorgt.
Besorgt?
Das Bild verblasst, stattdessen taucht Newt vor mir auf. Auch er ist besorgt; besorgt um Maren. Er hat genau den selben Gesichtsausdruck, hhaargenau den selben. Was bedeutet das jetzt? Dass Minho besorgt um mich war? Ehrlich besorgt?
Meine eigenen Worte hallen in meinem Kopf wider.
Den hats erwischt...

Ein warmer Körper schmiegt sich an meinen, nackte Haut streift meine. Erst nach ein paar Sekunden merke ich, dass ich dies nicht träume; neben mir liegt jemand.
Eine Hand wandert an meiner Seite hoch, plump und träge, wie die eines Schlafwandlers, bleibt auf meinem Bauch liegen. Jemand hakt ein Bein bei meinem ein; ich erstarre.
Minho?, schießt es mir durch den Kopf. Blödsinn! Oder doch...?
Leises Keuchen ertönt neben mir, heftige Atemzüge. Moment, was tut der Strunk da?? Unruhig drehe ich mich in der sonderbaren Umarmung, doch in der Dunkelheit kann ich nichts erkennen.
"Minho?"
flüstere ich beinahe tonlos.
Keine Reaktion.
"Minho??"
nun werde ich etwas lauter. Es raschelt einige Betten entfernt von mir, gefolgt von einem gemurrten "Was ist?"

Halt.

Minho ist... dort.
Ich bin... hier.
Und wer ist dann...

Mit einem schrillen Schrei fahre ich hoch und katapultiere mich damit selbst aus dem Bett. Dumpf komme ich am Boden auf, rolle panisch von der unbekannten Person weg. Ein Lichter? Schon wieder?
Die Szene von meinem ersten Tag auf der Lichtung kommt mir wieder in den Sinn und kalter Schweiß bildet sich auf meiner Stirn. Mehrere Bettgestelle quitschen, als die Jungs aufspringen, Klickgeräusche ertönen. Kurz darauf geht das Licht an und ich finde mich umringt von ein dutzend Lichtern wieder, die mich alle verstört mustern. Sofort schnellt mein Blick zu meinem Bett.
Was ich dort zu sehen bekomme, lässt mir den Kiefer bis zum Boden hängen.

Maren.
Braunhaarig, splitternackt, aber lebendig. Verwirrt blickt sie sich um, murmelt immer wieder leise "Janson?" und tastet sich an den Beinen herum. Mit stillem Entsetzen starre ich sie an, so lange, bis unsere Blicke sich treffen und Erkenntnis in ihren Augen aufflackert.
"Oh..."
macht sie leise, dann rutschr mir Blick nack unten undr ruckartig reisst sie die Decke hoch.
"Was glotzt ihr alle so!?"
Fährt sie die Jungs an und sofort blicken alle schuldbewusst zu Boden. Bis auf Minho natürlich, der nur provouierend die Augenbrauen hochzieht Newt streckt mir eine Hand entgegen und zieht mich hoch, ich muss mich jedoch an ihm abstützen, um nicht umzukippen. Immer noch sprachlos mustere ich meine große Schwester. Wo ist sie die letzten ein einhalb Tage gewesen? Wer ist Janson? Und was ist mit ihren Haaren passiert??
So viele Fragen, so wenig Antworten.

"So, alle mal wieder ins Bett! Wir regeln das!"
faucht Alby in die Runde und murrend verziehen sich die Lichter. Entschlossen stapft der Dunkelhäutige auf das Badezimmer zu, und Maren bleibt nichts anderes übrig, als ihm mit einer Bettdecke als Toga nachzulaufen. Ich folge ihm ebenfalls, genauso wie Newt, Minho und - als stummer Nachzügler - Sophie.
Kaum setze ich einen Fuß auf die kalten Fliesen des Bades, werden mir auch schon wieder die Knie weich und knicken mir weg. Zittrig aufseuftzend lasse ich mich an der Wand hinabgleiten und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Das ist einfach zu viel des Guten gerade.

Jemand legt mir zögernd eine Hand auf die Schulter und schon hoffe ich auf Minho, doch stattdessen blicke ich in Sophies grüne, wassrige Augen. Ich schüttel sie nicht ab oder fauche sie nicht an; ich sehe sie einfach emotionslos an, ohne jegliche Gefühlsregung. Weder Schmerz noch Hass wallt in mir auf; es scheint, als hätten sich meine Liebe zu ihr und meine Trauer um Chuck gegenseitig erdrosselt un nur meine leere Hülle zurückgelassen.

"Wo kommst du jetzt auf einmal her?"
reisst Albys scharfe Stimme mich aus meinen Gedanken und ich sehe zu Maren, welche unschlüssig von einem Bein aufs andere tritt. Krampfhaft presst sie sich die Decke an den Oberkörper, muss dabei aber aufpassen, dass sie sie nicht zu hoch zieht, was widerum ihren Unterleib entblößen würde.
"Ich war... bei ANGST. Sie... naja..."
verlegen kratzt sie sich am Kopf, als wäre ihr ihr Aufenthalt dort unangenehm. Ich meine, nicht in dem Sinne von unangenehm, den ich vielleicht nachvollziehen kann. Eine düstere Vorahnung breitet sich in meinem Kopf aus.
Wer ist Janson?
frage ich stumm und ganz gegen meinen Erwartungen antwortet sie sogar.
Der Vizedirektor der Organisation, die uns das angetan hat.
Ihre Stimme klingt monotom und krampfhaft, wie die eines leblosen Roboters. Meine Vorahnung verstärkt sich. Irgendwas hat der Typ ihr angetan...
Was hat er getan?
spreche ich meine Vermutung in Fragenform aus und Marens braune Augen fixieren mich. Alle Blicke gleiten zwischen uns verwirrt hin und her, während Sophie nur stumm dasteht und unbeteiligt zuhört.
Ich habe mit ihm geschlafen. Um an die Dienstkarte zu kommen.
Sie sagt es erst nach kurzem Zögern, aber so locker und einfach, als wäre es Alltag, so etwas zu tun. Jegliche Farbe weicht aus dem Gesicht der Rothaarigen und sie sieht ihre große Schwester mit weit aufgerissenen Augen entsetzt an. Langsam, ganz langsam rappel ich mich hoch und gehe wie in Zeitlupe auf Maren zu. Ich kann die vielen Blicke auf mir spühren, besonders Newts Augen scheinen sich tief in meinen Kopf bohren zu wollen. Dicht vor der nun Braunhaarigen bleibe ich stehen, sehe ihr ausdruckslos in die Augen. Ihre Worte hallen mir wieder in den Ohren, kalt und hart, ohne jegliches Mitgefühl. Als wolle sie uns um jeden Preis loswerden, koste es, was es wolle. Wieder sehe ich, wie sie sich umdreht, mit festen Schritten davonstapft, ohne sich umzudrehen um die nächste Ecke biegt. Nicht mal gezuckt hat sie, wie ich ihren Namen geschrien habe, keinerlei Reaktion hat sie gezeigt.
Diese Wut, diese unglaubliche Wut und Enttäuschung auf meine liebe, gute Schwester staut sich in mir auf wie ein Fluss an einem Damm, schwillt immer mehr an und dann, letztendlich, quillt er über, reisst die Mauer mit sich und sprengt alles, was ihm in den Weg kommt, rollt alles nieder und spühlt jegliche Vernunft hinfort.

Meine Hand knallt mit den Nägeln vorran gegen Marens linke Wange, hinterlässt lange, gerötete Kerben. Überrascht japst sie auf und greift sich an die Wunde, zuckt zusammen, als sie das aufgeraute Fleisch streift.
"Schlampe"
zische ich ihr ins Gesicht, doch meine Stimme ist nicht aggressiv, nicht verletzt, nicht enttäuscht. Sie klingt genauso hohl und abgestorben, wie ich mich im tiefsten Inneren meines Herzens fühle; verraten. Ich fühle mich verraten.

Dann mache ich am Stand kehrt und stürme aus dem Raum.

The ScorchSisters [Maze Runner FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt