Kapitel 11

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»Willst du mich verarschen?« schrie ich ihm hinterher, doch er lief unbeirrt weiter zum Ausgang, verschwand durch die Türe und ließ mich allein mit meinem gekühlten Fruchtbecher zurück. Ich stieß fast einen frustrierten Schrei aus, hielt mich aber zurück und atmete stattdessen langsam ein und aus.

Ich starrte auf die weiße Keramikschüssel und realisierte, dass ich von diesem Arschloch in die Sklaverei gezwungen wurde. Ich nahm ein Stück Melone und stopfte es mit zitternden Fingern in meinen Mund. Ich brauchte Energie. Ich kaute schnell, während Wut durch meine Adern pulsierte. Ich brauchte Energie für den 12km Marsch, der vor mir lag. Ich kaute ein paar Fruchtstücke mehr, die nur schwer meine Kehle hinunter rutschten.
Langsam einatmend schloss ich meine Augen.

25 Tage.

Verfluchte Scheiße!

Ich hatte den Klang meines Handys noch nie so sehr verabscheut, wie in diesem Moment - sein dauerndes, lautes Klingeln vibrierte beharrlich auf meinen Nachttisch und sorgte dafür, dass Wut durch meine Venen pumpte. Ich ignorierte es jedoch, vergrub mein Gesicht in das weiche, kühle Material meines Kissens und seufzte zufrieden, als mein dunkles Zimmer erneut von einer angenehmen Ruhe erfüllt wurde.

Sie hielt nicht lange an.

Der verdammte Klingelton hallte erneut durch den Raum, die Vibration summte laut gegen die harte Oberfläche des Tisches, ich stöhnte und vergrub mein Gesicht tiefer ins Kissen.

»Verdammt noch mal...«

Ich rollte mich auf die Seite und griff blind nach meinem Handy, meine schlaffen Finger packten es schwach und brachten es zu meinem Ohr.

»Ha..Hallo?«

»Ignorierst du meine Anrufe?«

Meine Augen sprangen auf, nachdem ich die tiefe Männerstimme am anderen Ende der Leitung erkannte.

Oh mein Gott.

»Harry«, seufzte ich und massierte meine Schläfen.

»Warst du beschäftigt?«, forderte er gereizt, »musste ich deshalb zweimal anrufen?«

»Nein«, murmelte ich, »ich hab nur.....geschlafen.«

»Weißt du wie spät es ist?«

Ich ließ mein Kopf zur Seite rollen, mein Blick richtete sich auf die Neonziffern meines Weckers. Ich stöhnte auf und meine Augen schlossen sich erneut. »Es ist halb acht.«
»Richtig«, schnappte er, »und ich bin verdammt hungrig.«
Ich atmete langsam ein und lag still unter meiner warmen Decke »Dann iss was.«
»Sei kein Klugscheißer«, fauchte er, »ich bin am verhungern, verdammt noch mal und es ist Tag Eins unseres Vertrages. Beweg deinen Hintern aus dem Bett und füttere mich.«
»Wie bitte?«, zischte ich, setzte mich auf und ignorierte den plötzlichen Schwindel, der mich beim abrupten Aufsetzen überkam und meine Sicht verschleierte, »für wen zum Teufel hältst du...?«
»Sei in einer halben Stunde hier«, unterbrach er mich monoton, »ich erwarte dass du in einer halben Stunde mit etwas Essbaren hier aufschlägst.«

»Aber ich...«

»Keine Ausreden«, fauchte er verärgert, »und ich bin nicht in der Stimmung für Cornflakes oder Eier.«

Ich verzog das Gesicht verärgert »Was willst du dann?«

»Überrasch mich.«

»Nun, das lässt mir nicht viele Möglichkeiten, ich sagte dir, dass ich nicht kochen kann.«

»30 Minuten.«

Klick

Ich legte das Handy mit einer zittrigen Hand weg und ließ mich zurück in die Laken fallen. Ich atmete langsam ein, legte mir ein Kissen aufs Gesicht und stieß einen gedämpften Schrei aus.

Jenny war bereits auf und summte in der Küche vor sich hin, während sie einen goldgelben Teig in ein Waffeleisen goss. Sie lächelte, als ich in der Türe zur Küche, gekleidet in einer zerknitterten Jogginghose und einem weiten Kapuzen-Shirt erschien.

»Du bist früh auf«, bemerkte sie und klappte das Waffeleisen zu, »du bist Samstags nie so früh auf.«

»Ich muss ein paar Besorgungen machen«, gähnte ich und durchsuchte das Wohnzimmer mit meinem Blick nach meinen Schlüsseln. Als ich ihren misstrauischen Blick bemerkte, räusperte ich mich und nuschelte »Für ein..uh...für ein Projekt.«

»Nun, ich hab Frühstück fertig wenn du magst.« Sie nickte in Richtung eines mit Waffeln beladenen Tellers, die leicht vor sich hindampften und absolut himmlisch rochen. Ich war so dankbar Fleur als Mitbewohnerin zu haben - ihre Kochkünste waren fantastisch. »Da sind sogar ein paar Schokoladenchips drin«, sie deutete auf eine Tüte brauner Chips neben sich, »deine Lieblingssorte«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.

Ich schaute auf die Waffeln, das Wasser lief mir im Mund zusammen und mein Magen schmerzte vor Hunger. »Oh, ich...«, ich zögerte und fuhr mit einer Hand durch meine zerzausten Stirnfransen. »...Ich hab keinen Hunger.«

Sie runzelte die Stirn, öffnete das Waffeleisen und schaufelte eine weitere perfekt geformte Waffel heraus. Sie sah verführerisch aus - ihre Ränder waren golden und der dezente, süße Duft schwebte durch die Luft und sorgte dafür, dass mein Magen knurrte. Jenny hörte das leise Knurren meines Bauches und grinste, sie schüttelte ihren Kopf während sie das Eisen aussteckte. »Dein Magen sagt was anderes, Lucy. Hier, komm schon. Nimm welche -,« sie schob den Teller in meine Richtung »Ich werde mich schlecht fühlen, wenn du keine nimmst.«

Ich biss mir auf die Lippe und schaute auf die Waffeln.

Moment mal....

Ein Lächeln breitete sich langsam auf meinen Gesicht aus.

»Jenny?«

»Mm?«

»Würde es dir was ausmachen, mir welche einzupacken?«, das war einfach nur perfekt, »ich denke, ich nehme ein Paar für Unterwegs mit.«

Harry hatte darauf bestanden, dass die Adresse die er mir gegeben hatte, richtig war - Ich starrte verwirrt auf die Buchstaben, die er auf ein Stück Papier gekritzelt hatte, auf Grund der Tatsache das dies die Adresse eines Hotels war.

Er beteuerte nur für ein paar Monate hier in London zu sein und dass er deswegen nicht nach einer geeigneten Wohnung suchen musste. Scheiß Bonze.
Ich zögerte, aber folgte seiner Beschreibung zum Hotel und fühlte mich ziemlich unwohl, als ich den weitläufigen Marmorfußboden der Lobby betrat. Sein Wohnsitz war nicht einfach irgendein Hotel, es war eines der protzigsten in der Stadt, berüchtigt für sein Fünf-Sterne-Restaurant und sein Olympisch großen Pool im Erholungszentrum. Wie gesagt; Bonze.

Sein Zimmer war auf einer der obersten Etagen, ein Anzeichen dafür, das es nicht einfach nur ein Zimmer war, sondern eine Suite. Ich stieg aus dem Fahrstuhl und stand in einem kurzen Gang, der schwach beleuchtet und mit aufwendigen Wandlampen und großartigen Gemälden wunderschön dekoriert war.
Ich machte zaghafte Schritte den Gang entlang, ging an zwei großen Eichentüren vorbei, bevor seine Tür in Sicht kam. Ich stoppte jedoch, als ich sah wie sich die Tür langsam öffnete.

Ein Mädchen erschien.

Ich blinzelte, Verwirrung machte sich in mir breit, während mein Blick auf den Zettel fiel.

Zimmer 602.


MR. PERFECTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt