Sehr gut. Aber das...

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"Gut", sagte Professor Lupin. "Sehr gut. Aber das war leider nur der leichte Teil. Denn das Wort allein genügt nicht. Und jetzt bist du dran, Neville."
Der Schrank fing wieder an zu zittern, allerdings nicht so heftig wie Neville, der einige Schritte vortrat, als ob es zum Galgen ginge.
"Schön, Neville", sagte Professor Lupin. "Das Wichtigste zuerst: Was, würdest du sagen, ist es, das dir am meisten auf der Welt Angst macht?"
Nevilles Lippen bewegten sich, doch kein Wort kam heraus.
"Verzeihung, Neville, ich hab dich nicht verstanden", sagte Professor Lupin gut gelaunt.
Neville sah sich mit panischem Blick um, als ob er jemanden bitten wollte, ihm zu helfen, dann sagte er, kaum vernehmlich flüsternd:
"Professor Snape."
Fast alle lachten. Selbst Neville grinste peinlich verlegen. Professor Lupin jedoch war nachdenklich geworden.
"Professor Snape ... hmmm ... Neville, stimmt es, dass du bei deiner Großmutter lebst?"
"Ähm - ja", sagte Neville nervös. "Aber ich will nicht, dass der Irrwicht sich in sie verwandelt."
"Nein, nein, du verstehst mich falsch", sagte Professor Lupin und lächelte jetzt. "Ich frage mich - könntest du uns sagen, was für Kleider deine Großmutter normalerweise trägt?"
Neville wirkte verdutzt, doch er antwortete:
"Na ja ... immer denselben Hut. Einen hohen mit einem ausgestopften Geier drauf. Und ein langes Kleid ... meist grün ... und manchmal ein Schal aus Fuchsfell."
"Und eine Handtasche?", half Professor Lupin nach.
"Eine große rote", sagte Neville.
"Sehr schön", sagte Professor Lupin. "Kannst du dir diese Kleidung ganz genau vorstellen, Neville? Kannst du sie vor deinem geistigen Auge sehen?"
"Ja", sagte Neville unsicher, sich offensichtlich fragend, was als Nächstes kommen würde.
"Wenn der Irrwicht aus diesem Schrank fährt und dich sieht, Neville, wird er die Gestalt von Professor Snape annehmen", sagte Lupin. "Und du hebst seinen Zauberstab - so - und rufst >Riddikulus< - und denkst ganz fest an die Kleider deiner Großmutter. Wenn alles gut geht, wird Professor Irrwicht Snape gezwungen sein, mit diesem Geierhut, dem grünen Kleid und der großen roten Handtasche aufzutreten."
Die Klasse lachte laut auf. Der Schrank zitterte noch heftiger.
"Wenn Neville es gut macht, wird der Irrwicht seine Aufmerksamkeit danach wahrscheinlich uns zuwenden, und zwar einem nach dem andern", sagte Professor Lupin. "Ich möchte, dass ihr alle kurz überlegt, was euch am meisten Angst macht, und euch vorstellt, wie man es zwingen kann, komisch auszusehen ..."
Im Zimmer wurde es still. Harry dachte nach ... wovor hatte er am meisten Angst?
Als Erstes fiel ihm Lord Voldemort ein - ein Voldemort, der seine Kraft wiedererlangt hätte. Doch bevor er auch nur angefangen hatte, einen möglichen Gegenangriff auf einen Irrwicht-Voldemort zu planen, drang ein schrecklicher Gedanke in sein Bewusstsein ...
Harry schauderte und sah sich um in der Hoffnung, niemand würde es bemerken. Viele um ihn her hatten die Augen fest geschlossen. Ron murmelte vor sich hin, etwas wie "nimm ihr die Beine weg". Harry wusste ziemlich sicher, an was Ron dachte. Die größte Angst hatte er vor Spinnen.
"Seid ihr bereit?", fragte Professor Lupin.
Harry spürte, wie ihm Angst die Kehle zuschnürte. Er war noch nicht bereit. Wie sollte er es denn einen Dementor weniger schrecklich aussehen lassen? Doch um Zeit bitten wollte er nicht; alle andern nickten und rollten die Ärmel hoch.
"Neville, wir gehen ein paar Schritte zurück", sagte Professor Lupin. "Dann hast du freie Bahn, klar? Ich rufe dann den Nächsten auf ... alle zurücktreten jetzt, damit Neville richtig zielen kann."
Sie gingen zurück und lehnten sich gegen die Wand; Neville stand jetzt allein vor dem Schrank. Er sah blass und verängstigt aus, doch er hatte die Ärmel seines Umhangs hochgekrempelt und hielt seinen Zauberstab bereit.
"Ich zähle bis drei, Neville", sagte Professor Lupin und deutete mit seinem Zauberstab auf den Türknopf des Schranks. "Eins - zwei - drei - jetzt!"
Sterne stoben aus der Spitze von Professor Lupins Zauberstab und trafen den Türknopf. Die Schranktüren flogen auf. Hakennasig und drohend trat Professor Snape heraus und richtete seine blitzenden Augen auf Neville.
Neville wich zurück, den Zauberstab erhoben, und bewegte stumm den Mund. Snape griff in seinen Umhang und ging drohend auf ihn zu.
"R - r - riddikulus!", quiekte Neville.
Es gab einen Knall, ähnlich dem Knall einer Peitsche, Snape stolperte; er trug jetzt ein langes, spitzenbesetztes Kleid, einen turmhohen Hut, auf dessen Spitze ein mottenzerfressener Geier saß und an seinem Handgelenk schlenkerte eine enorme rote Handtasche.

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