friends?

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Wie sich heraus stellte war Chris ziemlich okay - zumindest soweit ich das aus drei Gesprächen entnehmen konnte. Er war ziemlich nerdy und vermutlich in sein Smartphone verliebt - er sah so oft drauf, man konnte meinen er wolle es heiraten, traue sich aber nicht die alles ändernde Frage auszusprechen. I don't mind. Es war eigentlich ganz angenehm jemanden mit ähnlichen interessen zu kennen. Er war Gamer, das sah man einfach irgendwie, an den Witzen die er machte - auch wenn sie nicht immer gut waren. Jedenfalls hatte ich ihm noch nichts von meiner Wenigkeit erzählt oder zumindest nicht viel, weshalb meist irgendein Smalltalk-Thema im Raum schwebte. Oftmals änderte es sich auch einfach von jetzt auf gleich. Alles in allem waren die Unterhaltungen Morgens ganz angenehm, bevor Ms Andersons Kurs anfing, zu dem wir aber eigentlich nie gemeinsam gingen. Warum das so war wusste ich allerdings nicht. Chris ging immer einen anderen Gang lang. Ich hinterfragte es einfach nicht - konnte ja gut sein, dass er einfach was aus seinem Schließfach holte.

Es war kurz vor Pausenbeginn und ich hing an irgendeiner Interpretationsaufgabe in Ethik, als die Durchsage durch den Lautsprecher kam.
"Page Summers in der Pause bitte zum Sekretariat." Ich dachte mir nicht viel dabei und schrieb weiter, bis mich auf einmal mein halber Kurs tuschelnd ansah. Plotzlich kam mir das Ticken des Zeigers viel lauter, viel hallender vor, als es zuvor gewesen war. Vielleicht war es doch ein schlechtes Zeichen gewesen. Irgendwann klingelte es dann und ich stand verunsichert auf.

Am Sekreteriat stand ein großer Kerl, ganz gut gebaut, braune Haare, auf den ersten Blick Charismatisch, auf den zweiten..?
"Page Summers?", sprach er mich an, woraufhin ich bloß stumm nickte. Meine Mimik bewegungslos.
"Mein Name ist Mike Munroe, ich bin Schülersprecher und soll dir das Gelände zeigen, wenn du mir also bitte-"
"Das ist nicht nötig", schnitt ich ihn ab, "Ich weiß schon wo alles ist."
Er stockte. Scheinbar hatte er eine andere Reaktion erwartet und sein Mädchenschwarm-Lächeln ebbte ab. So einer war er also, ein Weiberheld. Vermutlich war er auch deswegen Schulsprecher. Ich hatte schon einige Erfahrungen mit solchen Typen gemacht.
"Ich bin mir sicher, dass du noch nicht alles ge-", wieder schnitt ich ihn ab.
"Hör zu, du kannst mich fragen, was du willst, ich weiß wo es ist. Ich brauche keine Rundführung. Vielen Dank."
Stockend fragte er mich wo denn dann das Hausmeisterzimmer sei. Unbeeindruckt zog ich eine Augenbraue hoch - mein typischer "dein-ernst?"-Blick.
Ich zeigte links den Flur entlang, "Du hättest dir echt was besseres Einfallen lassen können."
Gerade als ich ihn entnervt anpampte kam ein Gruppe seiner Groupies vorbei die tuschelnd und kichernd den Schülersprecher grüßten, wobei sie ihre Stimmen extra verstellten, sodass sie "verführerischer" klangen.
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und machte mich Augen verdrehend auf meinen Weg in die Cafeteria. Ich konnte es nicht fassen, dass ich damit meine Zeit verschwendet hatte.

Wie in den letzten beiden Tagen saß ich alleine und lesend an einem Tisch, der sich am Ende des Saals befand.
"Heeeey Mike", schallte es durch den Raum und ich sah auf. Ein brünettes und ein blondes Mädchen gingen auf ihn zu. Er saß mit ein paar Leuten am Tisch. Unter ihnen konnte ich Chris und Ashley erkennen. Jedenfalls schien Mike mit der Brünette zusammen zu sein. Sie hatte ein auffälliges Muttermal über ihrer Augenbraue und sah genauso wie die Blondine etwas ... Nun ja ... Sie sahen ein bisschen so aus als würden sie sich für etwas besseres halten.
Am Tisch saßen fünf weitere Personen: ein Typ mit sehr kurzen, gekräuselten, schwarzen Haaren und einer Football Jacke; eine weitere Blondine, die allerdings eher sportlich und ausgeglichener im Charackter aussah; ein weiterer Typ, eher blasse Haut, schwarz-braunes Haar. Er sah lässig aus. Daneben Zwillingspaar wie ich vermutete. Die beiden Brünetten sahen sich einander nicht nur zum verwechseln ähnlich, auch der Typ daneben gleichte ihnen ein wenig. Vielleicht waren sie Geschwister. Ein paar Leute aus der Gruppe drehten sich nach mir um. Schnell senkte ich den Kopf wieder und tat so als würde ich weiter lesen, dabei hatte ich völlig den Faden verloren.
Ich hörte wie ein Tablett mir gegenüber auf dem Tisch abgestellt wurde. Als ich aufsah war Chris dabei sich zu setzen.

"Hey Page, wenn du willst kannst du dich zu uns setzen", bot er mir an. Eigentlich wollte ich ablehnen. Es fühlte sich für mich nicht richtig an, mich unter die Gruppe zu mischen. Also antwortete ich, "Nächste Pause vielleicht." Sein Blick war unangenehm, also sah ich weiter auf mein Buch.
"Ich hab von Mike gehört, dass ihr einen... Komplizierten Anfang hattet. Ich weiß, dass er ein bisschen Arschig rüber kommen kann, aber-" Etwas verärgert sah ich auf.
"Chris, ich hab schlechte Erfahrungen mit Typen wie ihm gemacht."
"Beurteil ihn oder die Anderen bitte nicht einfach. Geb der Gruppe doch eine Chance."
Ich überlegte einen Moment lang, bevor ich entgegnete, dass ich mich erst zu ihnen setzen würde, wenn sie mir den Grund dafür nannten, warum sie mich überhaupt in ihrer Gruppe wollten. Meine Skepsis sackte durch, denn ich war bereits schon einmal verarscht worden und wollte nicht, dass sich die Ereignisse wiederholen. Chris antwortete nur verwirrt, dass sie mich kennenlernen wollten und versicherte mir, dass niemand etwas vorhatte.
"Ich werde darüber nachdenken. Ihr seht ja ob ich mich zu euch setzen werde, oder nicht."

Die folgende Kunststunde handelte von Lichtverhältnissen, wie sie sich ändern jenachdem wie man die Quelle, den beleuchteten Körper oder den Beleuchtungswinkel änderte. Mir kam das Gespräch von vorhin in den Sinn. Vielleicht war ich ja zu harsch zu Chris, er saß ziemlich kleinlaut da als ich einfach gegangen war. Vielleicht sollte ich die anderen wirklich mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Vielleicht sollte ich ihnen eine Chance geben.
Und vielleicht sollte ich nicht mehr so voreilig sein.
Eigentlich war es ja ganz nett, dass sie mich - die neue - aufnehmen wollten, beziehungsweise, dass Chris versuchte mich irgendwie zu integrieren.

Am nächsten Tag saß ich tatsächlich bei ihnen und unterhielt mich überwiegend mit einem der Zwillinge. Ich konnte sie noch nicht so recht auseinander halten, aber ich glaube, dass ich mit Hannah redete. Sie war wirklich nett, sie schien aber manchmal etwas naiv. Im endeffekt machte es sie nur sympatischer. Ich erkannte in ihrer verträumten Art mich selbst wieder.
"Du solltest unbedingt mal zu besuch kommen", schlug sie mir vor. Ihre Schwester, Beth, lächelte und meinte, es wäre eine gute Idee, wir hätten viel gemeinsam.
Es scheint als hätte ihr Bruder mitgehört und sagte, "Wieso nicht gleich heute Mittag? Cochise kommt auch." Cochise?
Direkt beschwerte sich Chris, "Könntest du bitte endlich mal aufhören mich so zu nennen?" Ashley musste daraufhin lachen und auch ich schmunzelte. Ihm schien der Spitzname ziemlich peinlich zu sein.
"Ich seh zu dass ich irgendwie komme", versprach ich, "Mal sehen, wie die Busverbindung so ist."
Hannah kritzelte ihre Adresse auf eine Servierte, die ich schnell einsteckte. Hoffentlich musste ich nicht das Auto nehmen.

"Dad?", rief ich in Richrung des Arbeitszimmers wo er sich normalerweise immer aufhielt, wenn ich nach Hause kam - das war schon immer so, mein Dad war immer am arbeiten.
"Ja, Schätzchen?" Er reckte seinen Kopf um die Ecke.
"Darf ich mir deinen Wagen leihen?"
"Wieso das denn? Fahr doch mit deinem. Wohin denn eigentlich?"
"Dad, du weißt, was ich von dem orangenen Käfer halte. Ach ja, du hattest mir doch versprochen, dass du ihn bis zu meinem Geburtstag endlich lackieren lässt."
"Ich weiß, Schätzchen. Wohin fährst du gleich nochmal?" Mein Vater war so zerstreut, er hatte gar nicht bemerkt, dass ich es noch nicht erwähnt hatte - Ich kannte ihn nicht anders.
"Zu Freunden. Aus der Schule."
"Das ist schön. Aber nimm doch dein Auto, so schlimm ist die Farbe nicht."

Ich musste mein Auto nehmen. Daddys Liebling bekam eben alles, außer seine Autoschlüssel.

Until I met him - Until Dawn - Chris ; JoshWo Geschichten leben. Entdecke jetzt