complicated

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Die Sache mit Josh war so viel einfacher, als mit Chris, aber trotzdem machte sie es bloß komplizierter.
Die Beiden waren beste Freunde und ich wollte nicht das Chaos sein, das plötzlich zwischen ihnen steht.
Zudem kamen alte Erinnerungen hoch, die ich versuchte zu verdrängen.
Geheimnisse, die ich nicht verstecken konnte, klärten sich auf.
Und zu allem Übel war mein Poesiealbum verschwunden, in dem meine Drei-Uhr-Nachts-Gedanken festgehalten waren.

... Wie heißt es doch, in Martin Luthers Gegengedicht...

Ich lebe solang Gott will,
Ich sterbe, wann Gott will.
Ich gehe, und weiß wohin.
Ich wundere mich, dass ich noch traurig bin.

Ich war zwar noch nie sehr religiös gewesen, aber meine Mutter hatte stets dazu geneigt, solche Zitate an ihre Facebook Pinnwand zu posten. Und irgendwie war es ja wahr. Mir gefiel der Gedanke Luthers, auch wenn wir wohl nie vom selben Gott redeten. Ich glaubte an etwas übergeordnetes, jedoch entsprach meine Vorstellung nicht gänzlich denen der Biebel.

Woran ich bestimmt glaubte, war das Schicksal, der Zufall, Karma und dass unsere Seele nach dem Tod nicht einfach verpuffte (so was ähnliches wie der energiekreislauf, schätze ich...). Genauso glaube ich, dass das der einzige Post meiner Mutter war, den ich je geliked hatte.

Manchmal verstand ich die Ursache meiner Trauer, meiner Verrwirtheit, einfach nicht.

Manchmal verstand ich mich selbst nicht mehr so ganz.

Josh sah mich in letzter Zeit immer sehr besorgt an, egal ob in den Mittagspausen oder wenn ich bei ihnen zu besuch war. Es machte mir etwas Angst. Was, wenn es jemandem auffällt?

Das schlimmste, was gerade passieren könnte, wäre, wenn noch jemand von den Narben erfährt. Sie sind zwar alt und verheilt, aber richten trotzdem noch so viel schaden an. Viele verstehen das nicht. Bisher konnte niemand einfach ausblenden was war - niemand konnte die spuren meiner vergangenheit einfach vergangenheit sein lassen.

Die Blicke, die Gespräche, die unnötige Besorgnis... Das alles ließ mich so unwohl fühlen, denn mir wurde damit so viel Aufmerksamkeit zu teil, die ich nicht wollte.

Chris sah mich ähnlich an, aber er wusste ja noch nichts.

Eigentlich wusste niemand auch nur etwas von mir, denn niemand fragte.

Labil und Manisch-Depressiv zu sein ist ein furchtbarer Zustand. Ich will reden und will nicht reden. Ich will zuneigung und ich will sie nicht. Ich will mich für jemanden verwundbar machen und ich will es nicht.

Chris konnte das noch nicht verstehen, da war ich mir sicher.

Ob Josh es verstünde war genauso unklar.

Mit allen Mitteln versuchte ich das kürzlich geschehene ersteinmal auszublenden, da viele Lehrer glaubten, so kurz vor den Weihnachtsferien noch wichtige Tests schreiben zu müssen und Wochenarbeiten zu verteilen. Ich würde mich später darum kümmern - dachte ich.

Meine Gedanken kreisten um nichts anderes mehr. Chris, Josh. Josh, Chris?

Ich schreckte aus meinen Gedanken, als Beth vor meinem Gesicht herum wedelte.

"Hey, du hast dein Essen noch nichtmal angeschaut, alles okay?"

"Ja. ... Ja, alles in ordnung, ich war nur gerade damit beschäftigt herauszufinden, wie ich den ganzen Kram noch lernen soll..."

"Mach dir darum mal nicht so viel Kopfweh", sagte Hannah, "Mach dir lieber mal gedanken, mit wem du zum Winterball gehst!"

Winterball... genau, der stand ja auch noch kurz bevor - verdammt.

Until I met him - Until Dawn - Chris ; JoshWo Geschichten leben. Entdecke jetzt