a new beginning

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Page: die neue
labil, gutherzig, verschlossen

Das schlimmste im Leben eines Schülers ist es, Morgens von einem dröhnenden Wecker aus dem Bett gerissen zu werden, bevor man in die Dusche stolpert, auf dem Weg nach draußen durch die Küche hetzt, wo man sich noch schnell etwas in den Mund schiebt, den Bus dann fast verpasst, weil man in einer neuen Stadt lebt, und dann verzweifelt feststellt, dass man in der Eile seine Kopfhörer vergessen hat. Wirklich, es gibt nichts schrecklicheres, als im Bus zu stehen, ganz ohne Kopfhörer oder Freunde mit denen man reden kann, denn dann ist da bloß die drückende Stille, die ab und an mal vom knattern des alten Busses unterbrochen wird. Solche Fahrten ziehen sich wie frischer Kaugummi an den Schuhsohlen.

Heute war so ein Tag.
Ich war gerade erst am Wochenende aus dem warmen Louisiana in einen der kalten Nördlichen Staaten gezogen. Zwar musste ich zugeben, dass der Sommer angenehm mild war, aber ich vermisste den Sommerregen, der regelmäßig fiel. Hier war es anders - draußen war es trocken und doch irgendwie angenehm frisch.
Seltsamer Weise bereute ich es heute nicht meine Kopfhörer vergessen zu haben, denn so war ich mit meinen Gedanken allein, konnte für einen kurzen Zeitraum einfach mir selbst zuhören, was normalerweise nur dann vorkam, wenn ich mit Sammy spatzieren ging. Leider mussten wir den Australian Sheperd Rüden bei meiner Mutter lassen.

Sie hatten sich getrennt, meine Eltern.
Eigentlich war es mir schon lange klar gewesen, dass es soweit kommen würde, sie lebten schon immer aneinander vorbei - als würde der andere gar nicht existieren. Es hatte sich kaum etwas geändert. Mir war auch immer schon klar gewesen, dass ich bei meinem Vater bleiben wollte, sollten sie sich scheiden lassen, er war einfach lockerer. Das wusste meine Mutter und behielt Sammy. Sie wusste er wäre mein einziger Grund sie zu besuchen. Irgendwann wollte ich Sammy hierher bringen und alles hinter mir lassen, was in meinem Leben sowieso nie notwendig war.

Der Bus hielt an meiner neuen Schule, ein großes, kastiges Gebäude, ziemlich modern und mit grünen und grauen Gipsplatten verkleidet und großen Eingangstüren aus Glas, gebettet auf ein relativ niedriges Fundament, und mit überdachten Außengängen, die Schulteile verbanden. Zwischendrin war auch etwas Grün zu erkennen, mit Bänken und kleinen gemütlichen Wiesenstücken. Ich vermutete, dass es wohl auch einen Innenhof gab, denn hier und da konnte man durch ganze Glasfassaden sehen und Bäume erkennen, die scheinbar dort standen.
Als beginnender Junior die Schule zu wechseln war anstrengend, das hatte ich zumindest gehört. Es hieß, dass man es als neuer in den oberen Klassenstufen untergeht. Irgendwie stellte ich mir das ganz entspannt vor. Ich fiel sowieso meist kaum auf. Alles was ich hoffte war, einfach nicht zur Zielscheibe zu werden.

Etwas unorientiert ging ich durch die fremden Gänge, meinen beklebten Ordner fest vor die Brust geklemmt, dazwischen der Stundenplan, den ich per Post zugeschickt bekam. Laut diesem hatte ich jetzt Informatik mit einer gewissen Ms Anderson.
Ich zog den Lageplan aus dem kleinen Innenfach meines Ordners, den ich dort etwas unsauber reingesteckt hatte. Vorsichtig entknitterte ich das Blatt und suchte darauf meinen Saal - es gab tatsächlich einen Innenhof und mehrere Aufenthaltsbereiche im Freien. Mein Orientierungssinn war gar nicht mal so schlecht, wie ich angenommen hatte, sodass ich den Raum recht schnell fand.

Ms Anderson, eine junge Lehrerin mit langen, blonden Wellen, die sie mit einem Batik-Kopftuch nach Hinten schob, schien sehr freundlich zu sein, auch wenn sie etwas müde wirkte. Ihre narürlichkeit gefiel mir, sie verstellte sich nicht und kümmerte sich scheinbar nicht großartig um Trends. Auch wenn sie mit ihrem Hippie Look irgendwie doch mit dem Strom der Zeit floss, schien sie authentisch, als hätte sie es schon immer getragen.
Lächelnd begrüßte sie mich und bat mich mich einfach irgendwo hin zu setzen, bevor sie mich kanpp mit meinem Namen vorstellte und erwähnte, dass ich aus Louisiana kam. Eine sehr sympatische Frau die ungern Zeit mit Kinkerlitzchen verschwendete.

Mitten in der Stunde platze ein rothaariges Mädchen in die Klasse. Sie hieß offensichtlich Ashley, wie ich es Ms Andersons kurzem Kommentar entnehmen konnte. Als sie vorne stand um ihre Verspätung zu erklären, was unsere Lehrerin bloß abnickte, sah sie rüber zur arbeitenden Klasse. Kurz dachte ich, sie lächele mich an, doch dann merkte ich, dass sie den Typen neben mir meinte. Ihr Lächeln verschwand, als sie wirklich mich ansah. Ich vermutete, dass ich auf ihrem Platz saß. Leicht nervös zwirbelte ich eine meiner schwrzen, langen, lockigen Strähnen und konzentrierte mich auf meine Aufgabe.

Eigentlich war dieser Tag doch ganz okay gewesen. Vor allem Sport war bei milden 23℃ sehr viel angenehmer als bei gut 28℃ - das macht einen riesen Unterschied, wirklich.
Es schien, als würden andere im Bus unter der Temperatur eingehen, wobei ich entspannt an einem Fensterplatz saß und wieder meinen Blick schweifen ließ.
Ja, dieser Tag war wirklich okay. Ich konnte mich gut an die Ruhe die ich an dieser Schule hatte gewöhnen.

Mein Kopf wahr wie leer gefegt und ich entsperrte mindestens fünf mal mein Handy, um auf die Uhr zu sehen und die Zeit direkt danach wieder zu vergessen. Mir fehlten meine Kopfhörer.

Zuhause hatte ich realisiert, dass ich sie wohl verloren hatte. Vermutlich waren sie irgendwo zwischen den Umzugskartons. Doch ich hatte keine zeit, um jetzt danach zu suchen. Genauso wenig Zeit hatte ich im Laufe der Woche, denn es gab noch viel im Haus zu erledigen, Zimmer streichen, Möbel aufbauen, das Badezimmer neben meinem Schlafzimmer renovieren und den vorläufigen Verlust von Sammy kompensieren. Das hieß dann wohl: keine Kopfhörer in nächster Zeit.

Am nächsten Morgen setzte sich jemand neben mich der zwei Stopps später zugestiegen war. Anfangs beachtete ich ihn gar nicht, bis er mich ansprach.
"Hey, ich kenne dich, oder?"
Ich drehte mich verwirrt um. Er war blond, trug seine Haare in einem hochgegelten Hahnenkamm, eine schwartze Brille, leichte Bartstoppeln und, nun ja, seine Nase war ziemlich markant. Ich erinnerte mich nicht daran ihn bereits gesehen zu haben. Gestern hatte ich eigentlich Niemanden so wirklich beachtet, abgesehen von Menschen mit denen ich geredet habe, wie Ms Anderson. ... Ms Anderson! Genau, jetzt fiel es mir ein. Er war der Typ neben mir gewesen, der, den Ashley angelächelt hatte.
"Stimmt", antwortete ich noch leicht verwundert, "Aus Ms Andersons Informatik Klasse, richtig?"
Er nickte die Sache ab "Richtig. Um genauer zu sein sind wir auch in Sport im selben Kurs."
Ich versuchte ein lächeln zu unterdrücken. Immer wenn ich das tat, kaute ich auf der Innenseite meiner Lippe herum. "Du merkst dir sowas?"
"Naja, die Neuen fallen eben immer schnell auf", erwiderte er etwas verlegen. Jetzt wusste ich, um was es ging.
Kalt antwortete ich, "Ach so", und drehte mich wieder dem Fenster zu. Ich war die komische Neue, die man eben bemerkt, wenn man sie sieht, weil sie anders ist und anders spricht und woanders herkommt. Eigentlich hatte ich nicht einmal einen Südstaatenaktzent, aber es kam mir plötzlich so vor als wäre jedes Wort, an das ich bloß dachte, anders. Ich fühlte mich wie ein Hase im Tiegerkäfig - bedrohlich umzingelt.
"Hey, wow... Wow. Das- Das war jetzt nicht negativ gemeint oder so! Ich wollte nur- Also, uhm." Er stotterte unbeholfen rum. Hatte er es am Ende doch nett gemeint und war ich einfach zu voreilig? Vermutlich.

"Page", sagte ich kurz angebunden.
"Chris", stellte er sich beruhigt vor.

"Du, ehm, redest nicht viel?"
Ich schüttelte den Kopf. Viel reden war nicht meine Art. Es fiel mir normalerweise auch nicht leicht Bekanntschaften zu machen. "Normalerweise würde ich jetzt die Leute im Bus ignorieren und Musik hören, aber meine Kopfhörer sind beim Umzug verloren gegangen", scherzte ich ein wenig sarkastisch über mich selbst, wobei ich keine Antwort erwartet hätte, sondern drückende Stille - wie es eben immer war, wenn ich etwas gesagt hatte. Ich war nicht gemacht für Smalltalk.
"Also, wenn du willst, können wir uns meine teilen."
Skeptisch sah ich ihn an, wobei ich eine Augenbraue hoch zog und kurz nachdachte. "Gut. Deine Musik."
Ich bezweifelte, dass wir das selbe hörten, aber da ich mit so ziemlich allem zufrieden war, sofern ich nicht mehr reden musste stimmte ich zu.
Vielleicht war das ja wieder ein guter Tag.

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A/N Ich dachte, es wird mal Zeit, dass ich auch einen Teil zu einem meiner derzeitig liebsten Fandoms beitrage.

Verbesserungsvorschläge, Anmerkungen, konstruktive Kritik etc. würden mich freuen, genauso wie ein kleines Sternchen 'u'

Liebe Grüße

Jahreszeitenkind

Until I met him - Until Dawn - Chris ; JoshWo Geschichten leben. Entdecke jetzt