Die erste Begegnung

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Fleur Delacour:

Fleur hörte sie schon von Weitem ihren Namen rufen, als sie an diesem sonnigen und angenehm warmen Vormittag durch die Ländereien dieses hübschen Schlosses flanierte, an dem alles eifrig beschäftigt war mit den Vorbereitungen für das Finale des Trimagischen Turniers an jenem Abend. Es war eine Gruppe von fünf zugegebenermaßen recht attraktiven Jungs in ihrem Alter, die sich da verbal auf sie stürzten. Sie setzte sich in Bewegung in der Hoffnung, dass sie sie nicht erreichen würden. Sie eilte davon, schnurstracks in die Richtung der Baumkronen, die in einiger Entfernung aufragten. Sie wollte ihre Ruhe haben, nachdenken über die Menschen, die ihr hier begegnet waren, über heute Abend, über ihre schlechte Leistung bei der letzten Aufgabe und vor allem über sich selbst und ihr Inneres. Sie spürte seit längerem einfach keine Freude mehr. Nicht, dass sie jemals besonders fröhlich und ausgelassen gewesen wäre, aber in letzter Zeit war ihr dieses kostbare Gefühl so gut wie gar nicht mehr vergönnt. Das beunruhigte sie. Sie fühlte sich so unheimlich einsam und das obwohl doch ihre Mutter und ihre Schwester bei ihr waren, um sie zu unterstützen und obwohl es doch Menschen gab, die sie tatsächlich ein wenig verstanden.

Hinter ihr erschallten Stimmen, die ihr beschwichtigend zuriefen:

„Fleur! Bitte! Bleib doch mal stehen!"

„Wir wollen dir doch nichts tun, Süße!"

Doch im Klang ihrer süffisanten Worte schwang etwas mit, das sie versuchten zu verbergen. Es war etwas bedrohliches. Sie würde sich nicht darauf einlassen und sie würde diesen Jungen schon gar nicht vertrauen und stehenbleiben. Nie im Leben! Ihre grünen Accessoires zeichneten die Jungs als Slytherins aus. Sollten sie sich doch in ihrem eigenen Haus umsehen, da gab es sicher jede Menge hübsche Mädchen, von denen sie sich anhimmeln lassen konnten. Fleur hatte im Grunde nichts gegen die Slytherins, diese lächerliche Rivalität zwischen den Häusern von Hogwarts fand sie besonders kindisch, aber sie war jetzt schon länger hier in Hogwarts zu Besuch und manche Mitglieder dieses Hauses verhielten sich etwas unangebracht, denn sie neigten dazu sich selbst als Nabel der Welt zu betrachten. Manchmal waren sie so verzogen, dass sie sehr irritiert waren und wütend wurden, wenn ein Objekt ihrer Begierde ihnen nicht zu Füßen lag. So auch diesmal:

„Arrogante Kuh!!!", brüllte nun einer von ihnen. „Die wagt es uns einfach zu ignorieren!"

„Als wär sie was Besseres!"

„Der Kleinen muss man mal zeigen, wo ihr Platz ist!"

Fleurs Wangen liefen rot an. Sie biss die Zähne zusammen und hielt sich den Magen, denn dort hatten die Worte sie getroffen. Sie eilte umso verbissener weiter, ließ ihre Verfolger noch ein wenig mehr zurückfallen. Es war jetzt nicht mehr weit bis zum Waldrand. Sie sollte eigentlich an solche Dinge gewöhnt sein, dachte sie sich, schließlich bekam sie oft Beleidigungen an den Kopf geworfen, wobei die französischen Jungs in der Regel etwas mehr Charme an den Tag legten. Aber schließlich provozierte sie solche Reaktionen oft, denn ihr Verhalten war tatsächlich als oberflächlich und arrogant interpretierbar, das wusste sie genau. Viele tuschelten hinter ihrem Rücken über sie. Sie hatte nur wenige echte Freunde, die zu ihr hielten.  Eigentlich war sie nicht so. Oder sie wollte es zumindest nicht sein. Sie wartete doch nur vergeblich auf jemanden, der sie so sah, wie sie wirklich war, mit all ihren Stärken und Schwächen. Sie wartete seit langem auf jemanden den ihre menschlichen Eigenschaften, Ansichten und Wünsche interessierten und der sie genau so wollte. Sie wartete auf jemanden, der nicht ihr Aussehen anbetete, sondern sie aufrichtig liebte für das, was sie war, tief drinnen. Und deshalb war sie so abweisend. Und deshalb hatte sie auch noch nie einen Freund gehabt. Doch eigentlich waren es nicht nur die anderen, sie war zu einem großen Teil selbst schuld. Ihr wurde schon vorgebetet, dass sie wunderschön war, seit sie denken konnte. Und irgendwann hatte sie begonnen sich selber nur noch auf ihr Aussehen zu reduzieren. Sie hatte eine enorme Eitelkeit anerzogen bekommen und sie konnte einfach nicht mehr anders, als diese immer wieder ihrer Umwelt zu demonstrieren. Oft genug ärgerte sie sich hinterher über sich selber, dass sie mal wieder nicht in der Lage gewesen war sich normal zu verhalten und damit angeeckt war. Die Menschen hielten ihr mit ihren Reaktionen einen Spiegel vor. Wenn Madame Maxime nicht gewesen wäre hätte sie nie eine Ahnung davon bekommen, was tatsächlich in ihr steckte, welche Talente, welche Fähigkeiten. Sie wäre einfach weiterhin nur mit ihrem Aussehen beschäftigt gewesen, welches ihr noch immer täglich im Kopf herumschwirrte, als gäbe es nichts wichtigeres auf dieser Welt.

Hinter der FassadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt