Kapitel 1.

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„Run, run, runaway, runaway, baby

Before I put my spell on you

You better get-, get-, getaway, getaway, darling

'Cause everything you heard is true"

Die Musik schallte durch mein Schlafzimmer. Es war Montagabend, der Abend vor meiner Abreise und ich tanzte durch mein Zimmer und trällerte in meinen Kamm. Ab und an warf ich ein Kleidungsstück in meinen großen Kastenkoffer. Niemand, ich wiederhole, niemand weiß wie schwer es ist für mehrere Monate zu packen und ich war mir bereits jetzt sicher, dass ich die Hälfte meiner vergessenen Sachen nachkaufen müsste.

Wehleidig blickte ich auf meine Klamotten, alles könnte ich nicht mitnehmen, die Begrenzung für mein Gepäck lag bei 28kg. Das war bereits ziemlich hoch, aber eben nicht hoch genug für mich. Schuhe sind ja schon so schwer.

Schwer atmend legte ich mich mit dem Rücken auf mein Bett. Wie es wohl in Korea sein würde? Ich hatte absolut keine Ahnung was auf mich zukommen würde. Seufzend griff ich nach der Kamera neben mir. Sie sollte die nächsten Monate mein stetiger Begleiter sein.

Na dann auf ins Gefecht. Ich stand auf, richtete mir meine Haare, kniff mir in die Wangen und schaltete dann die Kamera auf den Video-Selfiemodus „Hallo Leute morgen geht es los!"

____

5:40 Uhr

Oh Gott. Mit mehr Kraft als nötig trommelte ich auf mein Handy um es zum Schweigen zu bringen.  Das Resultat war jedoch nicht, dass es verstummte, sonder von meinem Nachttisch fiel und nun außer Reichweite war. Grummelnd stand ich auf. Ich war gestern noch viel zu lange wach gewesen. Ich hatte Ewigkeiten versucht meine Gedanken zu ordnen  und zu einem Song zu formen, aber irgendwie wollte es einfach nicht klappen.

Nachdem ich mich einer Katzenwäsche unterzogen hatte und meine Haare erneut zu einem Messybun gebunden hatte stapfte ich die Treppe hinunter in die Küche.

Es brannte Licht. Meine Mutter war wach und hatte mir Rührei gemacht.

Mit halb offenen Augen blickte ich sie an. Wie konnte Sie nur so wach sein? Und so hergerichtet? Bei dieser Uhrzeit.. ein Rätsel.

Meine Mutter war die treibende Kraft in unserer Familie. Sie war gebürtige Koreanerin und nach der Highschool nach Großbritannien gekommen um hier zu studieren. Dort hatte sie meinen Vater kennen gelernt. Beide hatten Jura studiert und leiteten nun gemeinsam eine Anwaltskanzlei. Mein Vater war Brite und das durch und durch. Blond, grüne Augen, groß und eine kräftige Statur. Wohingegen meine Mutter das Bild einer typischen Koreanerin abgab. Ich war unglaublich froh ein „Mischling" zu sein. Ich hatte das Temperament meines Vaters, aber auch den Ehrgeiz meiner Mutter geerbt. Äußerlich glich ich wohl eher meiner Mutter, obwohl ein geübtes Auge (und damit meine ich Asiaten) mir sicherlich auf den ersten Blick ansahen, dass ich keine 100%ige Koreanerin war. Europäern fiel dies meist gar nicht auf. Ich hatte lange schwarze Haare, die mir bis knapp unter meine Oberweite reichten. Leider waren sie nicht komplett glatt, sondern einfach nur störrisch und standen oftmals in alle Richtungen ab.

Meine Statur war klein - sehr klein. Mit gerade einmal 1,58cm war ich selbst in asiatischen Reihen oftmals die Kleinste.

Das einzige äußerliche Merkmal dass ich von meinem Vater geerbt hatte waren seine Augen. Nicht etwa die Form, sie waren leicht mandelförmig aber dennoch klar asiatisch definiert. Nein, eher die Augenfarbe. Ich hatte grüne Augen, genau wie er und das machte mich unglaublich stolz. Großbritanniens Blut fließt in meinen Adern. (Man stelle sich hier ein kleines stolzes Männchen vor, dass in meinem Kopf eine Siegesfaust ballt).

Meine Mutter hatte mich von kleinauf unterstützt zu singen und im Rampenlicht zustehen. Bereits in der Vorschulklasse hatte ich an kleinen Theateraufführungen teilgenommen und vor mich hingeträllert. Auch wenn man das eher als ein ‚herumschreien ohne definierbaren Text' bezeichnen sollte. Glaubt mir, ich habe das Video gesehen und ich war einfach nur scheußlich.

Mit 17 Jahren hatte ich es dann endlich geschafft und konnte bei einem Casting meinem jetzigen Entertainment einige wichtige Leute von mir überzeugen. Eineinhalt Jahre lang wurde ich der Öffentlichkeit nicht einmal vorgestellt, hatte nur Tanztraining, Challanges mit anderen New-Comern und Gesangstraining. Bis dann vor wenigen Monaten mein erstes Lied inklusive Video veröffentlicht wurde. Und einschlug wie eine Bombe. Nicht übertrieben.

„Iss! Du musst bald los!" herrisch schob meine Mutter den Teller näher an mich heran und goss mir ein Glas Orangensaft ein. Müde schreckte ich aus meinen Gedanken auf. „Mamaaa-" jammerte ich. „Und dass du mir bloß keine Schande machst! Vergiss nicht, ein Teil deiner Familie lebt in Korea! Ich will nicht dass deine Cousins und Cousinen sich eine schlechte Meinung über dich Bilden und meine Mutter erst...", grollend warf sie die Hände in die Luft. „Hannah! Sei höflich, grüße jeden und benimm dich gefälligst! In Korea ist alles etwas anders als bei uns. Ich weiß, dass du die respektlose Art deines Vaters geerbt hast, aber um Gotteswillen benimm dich!" „Ja, Eomma" ich versuchte sie durch meine koreanische Zustimmung zu besänftigen. Mit meiner Mutter legt man sich besser nicht an, man möge meinen meine Mutter sei immer so, dann hat man eigentlich gar nicht einmal so unrecht. Aber nicht, dass ihr denkt, sie würde mich nicht lieben, gestern Abend haben wir Stunden damit verbracht uns auf die Reise vorzubereiten. Ich musste sie mehrmals davon abhalten mir gebackene Bohnen in den Koffer zu schmuggeln. Sie wusste, dass ich kein sonderlicher Fan von asiatischem Essen war, aber ich konnte doch keine gebackenen Bohnen mit nach Korea nehmen?!

Kopfschüttelnd schob ich mir die letzte Gabel meines Frühstücks in den Mund und blickte auf die Uhr. 6:00 Uhr morgens. Ich hatte noch genug Zeit um mich in mein schickes Outfit zu schmeißen und mich herzurichten. Und wenn ich schick sage, dann meine ich auch schick. Nicht dass ihr jetzt denkt ich wäre NICHT der Typ Mensch der in Jogginghose und Hoodie fliegt, aber diese Sachen hatte ich mir in mein Handgepäck gestopft. Immerhin hatte ich einen 11 stundenlangen Flug vor mir und den würde ich sicherlich nicht in Jeans verbringen! Ich würde mich aber erst im Flugzeug umziehen und abschminken. 

Jetzt denkt ihr euch sicherlich: Warum?

Gestern Abend hatte ich in einem Anflug von nahender Nervosität und Heimweh einen kurzen Text auf Twitter gepostet „Bye Bye Britain, ich werde dich vermissen! Morgen früh geht es auf nach Korea!" Deshalb musste ich darauf gefasst sein, dass einige Fotografen und Fans sich vor dem Flughafen befinden könnten. Und ich wollte ja keine Fotos mit ungeschminkten puffigen Augen, in Jogginghose und halb verrotzt von mir im Internet haben. Wenn ihr versteht.

Mit einem letzten Winken aus dem Fenster blickte ich meinen Eltern entgegen, bevor der schwarze Van um die Ecke bog und sich in das morgendliche Gewimmel von London mischte.

Der Londoner Flughafen „Heathrow" war bereits zu dieser frühen Stunde gut besucht.

Als ich aus dem Wagen stieg tönte mir Gekreische und Jubel entgegen. Lachend drehte ich mich um, um eine kleine Horde von Fans zu begrüßen. Wahnsinn, wer macht sich die Mühe um diese Uhrzeit aufzustehen.

Während mein Manager und einige andere Leute aus dem Team das Gepäck ausluden signierte ich mehrfach das Cover meines Mini-Albums machte Selfies und drückte vereinzelt Leute. Jemand hatte mir sogar Cola mitgebracht. Genüsslich trank ich einen Schluck als ich winkend in die Wartehalle trat und schließlich durch zwei Bodyguards aus der Sicht gebracht wurde.

Die Anzeigen in der großen Halle ratterten.

8:35 Uhr Seoul Incheon - Boarding.

Hannah. | BTS Suga Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt