5. Unerwarteter Besuch

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Irritiert schaue ich den Jungen an. ,,Hallo, wer bist du?" Frage ich und mustere ihn. ,,Ich bin auf der Durchreise." Erklärt der Junge ,,Ich habe hier weit und breit keinen Platz zum Übernachten gefunden, deshalb habe ich hier geklingelt um zu fragen ob ich eine Weile bleiben könnte." ,,Eeh, klar." Stottere ich und ziehe die Tür weiter auf um ihn eintreten zu lassen. Vorsichtig als könnte gleich ein wütender Fleischwolf ihn überfallen tritt er ein und stellt seinen Rucksack neben das überfüllte Schuhregal. Dann steht er auf und schaut mich an. Wortlos schließe ich die Tür und gehe ein paar Schritte den Flur entlang. Doch dann drehe ich mich rum und erkläre: ,,Du kannst in der Küche warten, zweite Tür rechts." Ich deute auf die Tür von der ich spreche. ,,Neben der Spüle liegt noch ein Stück Kuchen falls du Hunger hast, ich komme gleich." Damit drehe ich mich herum und haste die Treppe hinauf. Bevor ich um die Ecke biege spüre ich seinen Blick in meinen Rücken brennen und schnaufe erleichtert als er mich nicht mehr sehen kann. Ich habe gar nicht gemerkt das ich die Luft angehalten habe. Schließlich weiß ich nicht was ich machen soll, da ich eigentlich nur von ihm weg wollte. Es war mir unangenehm. Seine Muskeln hätten sicher mein schweres Mountain-Bike heben können.
Erleichtert rutsche ich an der Wand hinunter und atme tief ei und aus. Als ich mich wieder relativ sehbar fühle stehe ich auf und gehe langsam die Treppe hinunter. Ich brauche sicher für jede Stuge zehn Sekunden. Und schließlich stehe ich doch vor der Küchentür. Ich gehe rein und sehe ihn am Tisch sitzen, er hat die Hände im Schoß gefaltet und schaut mich abwartend und neugierig an. Vor ihm steht ein leerer Teller. Schnell räume ich ihn in den Geschirrspüler und setze mich dann dem Jungen gegenüber. ,,Wie heißt du?" Will ich wissen. Er schaut mich lange an. Als es mir langsam unangenehm wird antwortet er:
,,Janosch und du?" Ich kneife die Augen zusammen. Ich glaube mich an etwas zu erinnern aber weiß nicht was. ,,Meleanor aber ich werde immer Mel oder Mellie genannt." Er nickt nachdenklich.
,,Und wieso bist du auf der Durchreise?" Frage ich stirnrunzelnd da ein Junge in meinem Alter ja eigentlich noch zur Schule gehen würde. Anscheinend hat er meine Gedanken erraten denn er antwortet nach kurzem Überlegen: ,,Meine Eltern haben mich verlassen als ich noch sehr klein war und kurz darauf hat mich eine Frau namens Ava gefunden. Sie kümmerte sich liebevoll um mich. Ich ging nicht zur Schule aber sie hat mir das wichtigste beigebracht, lesen, schreiben und rechnen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, ich wollte die Welt erkunden und kennenlernen. Also zog ich fort." Ich nicke. Ich bin mir nicht sicher ob ich das glauben soll oder nicht. Einer Eingebung folgend stehe ich auf und bedeute ihm mitzukommen. Ohne mich umzuschauen laufe ich zur Treppe doch ich kann seine Schritte hinter mir hören und die Treppe dir unter seinen Schritten ächzt und knarzt. Oben angekommen höre ich die Geräusche von der Konsole meines Bruders. Nachdem ich mich versichert habe das mein Bruder abgelenkt ist gehe ich gefolgt von meinem Gast in mein Zimmer. Schließlich weise ich ihn an den Rucksack neben den Schreibtisch zu stellen und setze mich auf mein Bett. Nachdem er sich auf meinen Stuhl gesetzt hat erkläre ich ihm das er auf keinen Fall meinem Bruder über den Weg laufen darf und das meine Mutter gerade abwesend ist. Er hört mir geduldig zu und schaut sich neugierig um. Ich stütze das Kinn auf die Hände und überlege was ich jetzt mit meiner derzeitigen Lage anfangen kann. Schließlich entscheide ich mich dafür ihn ein wenig herumführen. Also verlassen wir das Zimmer wieder und ich stelle ihm das Bad vor. Durch das schräge Fenster fällt Licht herein und erhellt das kleine Bad wo in der Ecke eine Dusche steht, in der anderen hinter eine Tür die Toilette und neben der Dusche das Waschbecken. Ich lehne mich mit verschränkten Armen an den Türrahmen während Janosch sich umschaut. ,,Ziemlich klein." Stellt er fest und stellt sich neben mich. ,,Ist ja auch nicht das einzige Bad." Lache ich. Er lächelt. ,,Achso." Bemerkt er nachdenklich. Ich nicke, schließe die Tür und gehe an einer Collage der Familie vorbei zu dem nächsten Zimmer.

Nachdem wir alle Räume abgeklappert haben sitzen wir in meinem Zimmer und spielen auf dem Teppich 'Vier gewinnt'. Während Janosch überlegt in welche Lücke er seinen blauen Stein wirft stütze ich den Kopf in die Hand und trommle mit der anderen eine Melodie auf meinrn Oberschenkel. Janosch lässt den Stein auf einen roten von mir fallen. Damit hat er eine Zwickmühle gemacht und ich seufze resigniert. ,,Du gewinnst immer, ich kapituliere!" Ich werfe die Arme ergeben hoch und stehe auf. ,,Lass uns was anderes spielen." Janosch lacht und hilft mir beim zusammen räumen. Nachdem ich den Kasten zwischen ein Puzzle und das Regal gestopft hab lasse ich mich auf mein Bett fallen. Janosch setzt sich auf das kleine Sofa und mustert mich nachdenklich. Da es schon langsam dunkel wird zerre ich eine Decke aus dem überfüllten Schrank und reiche sie Janosch der sich das Oberteil ausgezogen hat und sie mir schnell abnimmt. Danach knalle ich die Schranktür zu und schalte die kleine Lampe auf meinem Nachttisch an. Nachdem ich das große Licht ausgeschalten habe kuschle ich mich in meine Decke und schalte das Licht aus. Während ich langsam in die Traumwelt gleite überlege ich ob ich Janosch wirklich trauen kann.

Love an AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt