Tag 1

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Sie saß auf einem kleinen Stuhl. Ihre Hände hielten eine Porzellantasse gefüllt mit einer dampfenden roten Flüssigkeit. Sie fühlte sich weder verängstigt noch beunruhigt in dem rosa Mädchenzimmer. Die zahlreichen Kuscheltiere, Barbies und Puppen leisteten ihr Gesellschaft und schienen wie lebendig,

„Na, mein Herzchen. Wie geht es dir? Hast mich vermisst, nicht? Aber keine Sorge. Ich bin immer bei dir. Willst du mir nicht einen Gefallen tun? Mir ist so langweilig, aber ich kenne ein lustiges Spiel. Wie wär's? "

Fragend sah sie sich ihre Spielkameraden an, doch die Stimme schien wieder aus dem Nichts zu kommen.

„Dein Bruder ist allergisch gegen Nüsse. Ich möchte, dass du ihm welche gibst. Das wird sicher ein Spaß, oder nicht?" Ruckartig fuhr sie von dem Stuhl hoch und drehte sich einmal im Kreis. Doch auch diesmal konnte sie den Besitzer der Stimme nicht finden. Mit dünner Stimme fragte sie: „Warum sollte ich das tun? Ich möchte ihm nicht weh tun!"

Da schien das fröhliche Lächeln der Spielzeuge sich in ein grausames Grinsen zu verwandeln und schwarze, leblose, ausdruckslose Knopfaugen starrten sie an.

„Schätzchen, es geht doch nicht um deine Bedürfnisse... Ich will, dass du es machst, das würde mir viel bedeuten. Also: Wirst du es tun? Ansonsten kann ich für nichts garantieren!"

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und ihre Knie finden an zu zittern. Das leise Stampfen ihrer Spielkameraden schreckte Claire aus ihrem Trancezustand und das Letzte, was sie sah, war, wie die unheimlichen Spielzeuge auf sie sprangen.

Mit einem Schrei wachte sie auf und befand sich wieder in ihrem Bett. Ihr Herz raste und kalter Angstschweiß lief ihr den Rücken runter.

Leise schlich sie sich die Treppen hinunter – ihre Eltern und auch ihr Bruder schliefen noch – und öffnete die Kühlschranktür. Sollte sie...? Nein! Auf keinem Fall! Sie konnte so etwas nicht tun. Aber was, wenn dieser Albtraum wieder kam? Ach, das war doch eh nur ihre Fantasie, sie musste gar nichts tun. Aber...

So egoistisch es auch sein mochte, tat sie es lieber (oder sie tat es gerade deshalb, um herauszufinden, ob dieser Albtraum wirklich existierte und Macht über sie hatte), als die Folgen am eigenen Leib zu spüren. Also nahm sie das Nusspulver und bereitete ihrer Familie das Frühstück vor. Messer, Löffel für das Ei, Toast und Aufstrich und Nussmilch für ihren Bruder. Was tat sie eigentlich? Aber jetzt hatte sie keine Wahl mehr. Ihre Familie war aufgewacht und Claire machte sich heimlich davon, denn sie konnte es nicht, sie wollte es nicht mit ansehen. Sie hörte, wie ihre Mutter sich über das Frühstück freute und die kurze Notiz, die ihre Tochter zurückgelassen hatte, las. Nur wenige Minuten später hörte sie die entsetzten Hilferufe ihres Bruders und bald darauf die Sirenen des Krankenwagens. Was hatte sie nur getan?

The nightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt