Kapitel 1

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Mit meinen triefnassen Sachen stieg ich in die Bahn ein. Ich war noch bei Gloria. Mum meinte, dass ich ihr ein paar von den frisch gebackenen Muffins vorbeibringen sollte. Leider rechnete ich nicht damit, dass es regnen würde und hatte demnach keinen Schirm dabei. Gloria wohnte nicht weit weg. Nur zwei Stationen entfernt.
An meiner Station stieg ich aus. Ich lief an den schlafenden Obdachlosen neben der Drehtür vorbei und ging durch die Empfangshalle zum Lift. Unsere Wohnung war in der 12ten Etage. Mit langsamen Schritten trat ich aus dem Lift und lief zur schwarz lackierten Haustür.

"Mum, einen großen Dank von Gloria für die Blaubeermuffins!", rief ich durch die halbe Wohnung.

Ich ging sofort in mein Zimmer, um Wechselsachen zu holen, und ging dann direkt zum anliegenden Bad. Die nassen Sachen legte ich in den Wäschekorb neben der Dusche und ließ sofort das warme Wasser über mich laufen. Nach dem Duschen zog ich meine graue Jogginghose und ein schlichtes Hemd an und ging in die Küche. Wo waren alle hin? Kurzerhand nahm ich mein Handy und rief Mum an.

"Mason?", nahm sie an.

"Mum, wo seid ihr?", fragte ich.

"Dein Vater und ich sind einkaufen und dein Bruder, wie jeden Samstag, beim Training, Schatz."

"Stimmt, er hat demnächst ein Spiel. Hab ich vergessen." Matt hatte nächste Woche Samstag ein Fußballspiel in der Schule. Er war Captain des Teams.

"Sollen wir dir was mitbringen?", unterbrach Mum meine Gedanken.

"Brauche nichts, danke. Ich soll dir übrigens danke von Gloria sagen. Sie hat sich sehr gefreut."

"Das freut mich. Mason, ich muss Schluss machen. Wir reden dann zu Hause."

"Okay, viel Spaß."

"Beim Einkaufen? Danke", man konnte raushören, dass sie schmunzelte.

Ich legte auf und ging in mein Zimmer. Mit meinem Handy schmiss ich mich auf mein Bett, schrieb mit paar Freunden und schaute nebenbei Fernsehen. Der Regen hatte mittlerweile auch aufgehört. Ich wollte gerade auf einen anderen Sender schalten, als ich hörte, wie unsere Haustür aufgemacht wurde. Da ich nichts besseres zu tun hatte, stand ich auf und ging in das Wohnzimmer, wo sich Mum und Dad in der anliegenden Küche befanden.

"Ging der Einkauf so schnell?", begrüßte ich sie.

"Als wir aufgelegt haben, waren wir bereits bei der Kasse und wollten bezahlen." Sie packte beim Reden den Einkauf aus.

"Wo ist Dad?" Ich sah ihn nirgends.

"Er hat eben einen Anruf von seinem Chef erhalten und musste sofort los", antwortete sie.

"Ach so", gab ich nur von mir.

"Ach Mist, ich hab die Eier und das Toilettenpapier vergessen. Ich muss noch mal los."

"Ich geh schon. Bleib ruhig zu Hause. Der nächste Supermarkt ist nicht weit."

"Danke, Mason." Sie sah mich dankbar an.

Ich zog mir meine Schuhe an, stopfte das Geld und die Schlüssel in meine Hosentasche und ging los. Durch den Regen war ein angenehm kühles Wetter in der Luft. Nach ungefähr fünf Minuten Fußmarsch, öffnete ich die Tür des kleinen Supermarkts und lief direkt zur Abteilung mit den Eiern und nahm mir eine Packung, kontrollierte die Eier und ging dann zu den Haushaltswaren und nahm das Pack Toilettenpapier. Ich ging aus der Abteilung raus und wollte um die Ecke biegen, als eine Person gegen mich stieß und vor mir hinfiel. Es war ein Mädchen. Sie trug nur schwarz, war blass, zierlich und hatte braune Haare, die sie zu einen Zopf band.

"Entschuldigung", sagte sie mit dem Blick nach unten und stand auf.

"Entschuldigung", wiederholte ich und sah ihr dabei zu.

Ihr Blick war die ganze Zeit nach unten gerichtet. Sie sah mich kein einziges Mal an. Sie war ungefähr in meinem Alter, hatte leichte rosa Wangen, ihre Lippen waren voll und ihre Nase war gerade, sie hatte lange, dichte Wimpern und war ungeschminkt. Im ganzen war sie wunderschön. Nur ihre Augen sah ich nicht. Sie starrte immer noch nach unten. Als sie wieder auf beiden Beinen stand, setzte sie die Kapuze ihrer Strickjacke auf. Sie sah für eine Millisekunde zu mir hoch und ich sah ihre Augen. Jedoch geschah es viel zu schnell, um ihre Augenfarbe zu erkennen. Ich nahm wahr, wie sie einen Blick auf meinen Einkauf warf. Ohne ein weiteren Blick ging sie mit ihrer Kapuze, die ihr tief im Gesicht lag, weiter. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis ihr folgen zu müssen. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, lief ich zur Süßigkeitenabteilung, nahm zwei blaue Lutscher und ging dann zur Kasse. Draußen lehnte ich mich an die Wand des Supermarktes und wartete auf sie. Ich wusste nicht, was mich dazu riet, aber irgendwas an ihr machte sie interessant und weckte meine Neugier. Nicht lange und sie kam aus dem Supermarkt raus.

"Hey", sagte ich zu ihr.

Sie zögerte etwas, sagte aber dennoch "Hi", während sie weiterging.

Ich lief mit ihr mit und versuchte ein Gespräch aufzubauen.

"Tut mir noch mal leid wegen vorhin. Die hab ich eben gekauft. Nimm ruhig einen als Entschuldigung." Ich holte die zwei blauen Lutscher raus und hielt sie ihr hin.

Sie zögerte wieder, nahm ihn aber dann dankend an. Ihr Blick war die ganze Zeit starr auf den Boden gerichtet. Sie wollte kein Gespräch führen, aber irgendwas in mir wollte sie aus diesem Grund nur noch mehr zum Sprechen bringen.

"Wie heißt du?", fragte ich sie.

"Warum fragst du?", gab sie mir nur als Antwort.

"Weil es mich interessiert", meinte ich wahrheitsgemäß. Einen Moment lang herrschte Stille. Hatte ich was falsches gesagt?

"Lacy. Ich heiße Lacy... und du?" Bei der Frage wurde sie leise und schüchtern.

"Mason. Ich bin Mason. Freut mich dich kennenzulernen." Ich reichte ihr meine Hand, die sie unsicher und zurückhaltend schüttelte, während ihr Blick immer noch dem Boden galt.

"Vielleicht kommt das etwas plötzlich, aber kann ich deine Nummer haben?", fragte ich sie.

"Ich weiß nicht ... Wir kennen uns gar nicht. Wieso sollte ich dir meine Nummer geben?" Sie hat recht, aber mein Bauch sagt, dass ich dran bleiben sollte.

"Du hast recht... Warte, wie wär's ... Ich gebe dir meine Nummer und wenn du willst, kannst du mich von dir aus anschreiben?", schlug ich ihr vor.

"Ich glaube es ist nicht nötig...", wollte sie sich rausreden.

"Bitte. Du hast doch nichts zu verlieren, oder?"

Sie atmete etwas angestrengt aus.

"Das zwar nicht, aber ich glaube nicht, dass es uns etwas bringt Kontakt aufzubauen. Ich bin nicht dieser Typ, der gerne Streiche spielt usw. ..." Ich verstand nicht, was sie meinte, bis ihr Blick zu meinem Einkauf wanderte. Augenblicklich musste ich anfangen zu lachen.

"Ach so, nein. Meine Mutter war einkaufen und hat das Toilettenpapier und die Eier vergessen. Hab ihr dann meine Hilfe angeboten, weil sie eben erst los musste. Du hast also nichts zu befürchten. Also stimmst du zu?" Ich musste schmunzeln. Wie sie nur darauf kam? Nur weil ich Toilettenpapier und Eier gekauft hatte ... witzig und süß zu gleich.

"Okay, einverstanden"

Ich schenkte ihr ein breites Lächeln und gab ihr meine Nummer. An der Kreuzung verabschiedeten wir uns. Ich lief den gewohnten Weg nach Hause zu unserer Wohnung. Während des Gesprächs sah sie die ganze Zeit auf den Boden und hat kein einziges Mal nach oben geguckt. Hatte das einen Grund? Jedenfalls hoffte ich, dass sie mir bald schreiben würde.

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