Kapitel 8

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Das Lokal war weder groß, noch klein. Schwarze Ledersessel und schwarz lackierte Tische nahmen Zweidrittel des Lokals ein. In der hinteren Ecke rechts war ein großer Tresen und eine anliegende Tür, an der Kitchen in Gold eingraviert wurde. Über den Tresen hingen große Tafeln mit verschiedensten Arten von Alkohol, Wein, Sekt, Tee, Kaffee, Säfte, Kuchen, Torten, Gebäck usw. Während ich das Lokal beäugte, kam Lacy nach einer kurzen Zeit aus der Küchentür raus und ging hinter den Tresen. Sie hatte ihre Strickjacke gegen einen schwarzen schlichten Pullover ausgetauscht. Um ihre Hüfte trug sie eine schlichte rote Schürze, an dem ein Stift an der Seite steckte. Sie musste hier wohl arbeiten. 

Ich wollte mich gerade umdrehen und nach Hause gehen, als sie mich sah und aus dem Lokal trat.

"Sag mal, verfolgst du mich?" Ihre spitze Stimme brachte mich zum stillstehen.

"Und wenn ich das tue?", stellte ich ihr eine Gegenfrage.

"Willst du mich provozieren?" Lacy stand jetzt mit verschränkten armen vor mir und starrte mich an.

"Du starrst", entgegnete ich.

"Ich weiß."

Es war überraschend und faszinierte mich zugleich, dass sie plötzlich so viel sprach.

"Jetzt starrst du", entgegnete sie.

"Ich weiß." Ich konnte nicht anders als belustigt zu lächeln.

"Du nervst. Hau endlich ab." Autsch, da war wieder die alte Lacy.

"Warum? Ich war gerade dabei in diese ... Kneipe-"

"Es ist ein Café", unterbrach sie mich.

"In dieses Café zu gehen!", versuchte ich meinen Satz erfolglos zu retten.

Sie verdrehte nur die Augen und ging wieder rein. Ich folgte ihr. 

"Na, Lacy? Hast du etwa deinen Freund mitgebracht?" Eine Frau Mitte dreizig lächelte mich freundlich an. 

Sie hatte braune Haare, große braune Augen und eine gebräunte Haut. In gewisser Weise hatte sie dennoch Ähnlichkeiten mit Lacy.

"Ja, ich bin ihr Freund." Freundlich gab ich ihr meine Hand, die sie annahm.

"Nein, bist du nicht?", meldete sich Lacy zu Wort und sah mich verwirrt an.

"Ach komm, Schatz. Das muss dir doch nicht peinlich sein."Ich legte ihr beschützerisch den Arm um ihre Schultern, den sie sofort wieder abschüttelte.

"Lass den Mist", sagte sie nur wütend.

"Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du einen Freund hast." Ihre Mutter war überrascht, hatte aber einen gereizten Ton in der Stimme, was mich ziemlich verwunderte. Ich ließ mir das nicht anmerken und lächelte sie einfach weiter freundlich an.

"Mutter, er ist nicht mein Freund." Lacy sagte diesen einen Satz mit gezwungenem Lächeln und gereizten Ton in der Stimme, wie ihre Mutter zuvor.

Niemand der beiden sagte etwas. Sie schwiegen sich nur an und tauschten einander undefinierbare Blicke. Ich empfand die Situation als höchst eigenartig. 

"Nun, gut. Wir reden zu Hause weiter. Willst du deinem Gast nicht einen Platz anbieten und dich schleunigst wieder an die Arbeit machen?" 

Lacy nickte nur.

"Darf ich dich zu deinem Platz begleiten oder willst du dir deinen Platz selbst aussuchen?" Sie lächelte mich zwar an, aber man konnte ihr anmerken, dass sie ziemlich schlecht gelaunt war.

"Ich würde mich freuen, wenn du mich begleiten könntest", gab ich ihr wahrheitsgemäß als Antwort.

Ich merkte noch aus dem Augenwinkel, wie die Mutter Lacy noch zunickte und dann verschwand. 

"Was sollte das?", fuhr Lacy mich leise an, damit sie niemanden belästigte.

"Was?", fragte ich unschuldig. 

Ehrlich gesagt konnte ich ihr darauf keine Antwort geben. Ich hatte plötzlich das Gefühl gehabt sie ärgern zu wollen.

"Du weißt schon. Dieses Freund-Getue." Sie war sichtlich genervt von der ganzen Situation.

"Tu nicht so als hätte es dir nicht gefallen." Der anzügliche Ton in meiner Stimme war deutlich rauszuhören. 

"Was redest du hier bitte von gefallen? Willst du dich über mich lustig machen?" Mit jedem Wort wurde sie immer wütender.

Ich konnte mich nicht mehr halten und ging aus dem Café, um schallend loszulachen. Hinter mir hörte ich, wie Lacy mir folgte.

"Ernsthaft? Du bist jetzt extra aus dem Café gegangen, um auf der Straße wie ein alleinstehender Irrer zu lachen?" Es schien so als würde sie die ganze Situation nicht mehr realisieren können.

"Ich wollte eure Gäste nicht stören", versuchte ich bestmöglich unter dem Lachen hervorzubringen.

Als ich mich dann nach einer knappen Minute beruhigt hatte sah Lacy mich nur schweigend an.

"Gut, ich geh dann mal nach Hause", unterbrach ich die Stille.

"Tut mir leid, dass ich dir gefolgt bin. Ich war neugierig-" 

"Das war sehr aufmerksam von dir." Sie sah beim Reden auf dem Boden.

Mir fiel zu diesem Zeitpunkt erst auf, dass sie die ganze Zeit über in mein Gesicht sah, als sie mit mir im Café redete.

Oder eher als sie mich anfuhr.

"Was?" Jetzt war ich sichtlich verwirrt.

"Dass du an unsere Gäste gedacht hast."

Kann es sein, dass sie weich wurde? Das war in gewisser Weise irgendwie niedlich ...

"Nichts zu danken." 

Ich wusste nicht, warum ich das tat, aber mein Körper bewegte sich wie von selbst. Ich umarmte Lacy. Sie versteifte sich am Anfang, wurde aber dann etwas lockerer. Ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper hinab, während meine eine Hand an ihrem Rücken lag und die andere Hand ihren Kopf leicht an meine Brust drückte. Irgendwie war mein Handeln komisch, wenn man bedachte, dass wir uns erst vor fünf Tagen kennengelernt hatten. Mein Bauch sagte mir, dass ich sie umarmen sollte.

Ich ließ sie los und trat ein Schritt nach hinten.

"Tut mir leid. Bis morgen." Ohne, dass sie etwas erwidern konnte, drehte ich mich von ihr weg und lief Richtung Haltestelle.

Ich konnte es irgendwie immer noch nicht fassen, was ich getan habe. Warum hatte ich sie umarmt? Warum hatte ich mich für die Umarmung entschuldigt? Was sie nun von mir dachte? 

Trotz der vielen Fragen, die in meinem Kopf herumschwirrten, verließ mich eins nicht: 

das breide Lächeln auf meinen Lippen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 22, 2017 ⏰

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