Kapitel 15

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POV Julien

Mein Handy vibrierte. Ich nahm meine Hand von der Maus und entsperrte das Smartphone, das neben mir auf dem Schreibtisch lag. Eine Nachricht von Vik.

Er hatte nur einen Satz geschrieben: Muss mit dir reden, dringend!

Ich antwortete ihm, dass er gern vorbei kommen könnte und widmete mich dann wieder dem Schnitt meines neusten Videos.

In letzter Zeit gefiel mir die Richtung, die ich mit meinen Videos auf meinem Kanal einschlug, richtig gut. Ich hatte das Gefühl, nicht einfach nur irgendetwas machen, um die Leute zu unterhalten und Klicks zu bekommen, sondern sie vielleicht auch zum Nachdenken anregen zu können. Das machte meine Videos zwar um einiges aufwendiger, was bedeutete, dass ich kaum noch Zeit für etwas außer YouTube fand, doch das machte mir nichts aus. YouTube war schon immer meine Leidenschaft gewesen und ich konnte mir momentan auch nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Vielleicht würde das eines Tages anders sein, doch im Moment war ich trotz der vielen Arbeit, die die Videos waren, glücklich mit meinem Leben.

Was man von Vik nicht gerade behaupten konnte. Er steckte gerade in einer ziemlichen Krise. Er war total unsicher geworden und schien sich selbst nicht mehr zu mögen. Ich hatte Angst gehabt, dass er depressiv werden könnte, doch dann war es ihm in den letzten Wochen zum Glück wieder besser gegangen.

Er schien neuen Mut gefunden zu haben und wirkte wieder glücklicher als früher.

Was jetzt wohl vorgefallen war?

Ich hoffte, es ging ihm nicht wieder schlechter. Aber immerhin hatte er reden wollen, das deutete zumindest daraufhin, dass es nicht wieder ganz so schlimm war und er sich von allen abschottete.

Kurze Zeit später klingelte es an unserer Wohnungstür.

Vince war vor mir an der Tür und hatte Viktor schon aufgemacht, als ich in den Flur kam.

Er sah nicht so schlimm aus, wie ich erwartet hatte. Innerlich atmete ich auf.

Doch was wollte er mit mir besprechen, wenn es nicht darum ging, dass es ihm wieder schlechter ging?

Viktor war in den letzten Wochen oft hier gewesen. Ich war der Erste gewesen, der gemerkt hatte, dass mit ihm etwas nicht stimmte und auch wenn er mich anfangs vom Gegenteil überzeugen wollte, hatte ich gemerkt, dass es ihm nicht gut ging. Ich ließ nicht locker, bis er mir schließlich erzählte was los war.

Von da an versuchte ich einfach für ihn da zu sein, mit ihm zu reden und ihn wieder aufzubauen.

Es hatte einige Zeit gebraucht, doch in letzter Zeit war es bergauf gegangen und auch wenn ich momentan eigentlich kaum Zeit hatte, wenn ich meine Videos so uploaden wollte, wie das vorhatte, versuchte ich so viel wie möglich für ihn da zu sein.

Wir gingen in mein Zimmer.

„Woran arbeitest du?", fragte Vik, als er das offene Schnittprogramm auf meinem PC entdeckte.

Ich erklärte es ihm und wir redeten einige Zeit über bevorstehende Projekte, bis Viktor auf das zu sprechen kam, was ihn beschäftigte. Und was er mir dann erzählte, klang so unglaublich, dass es eher einem Krimiroman als dem echten Leben ähnelte.

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POV Izzi

Diesmal waren wir einer mehr. Ich fragte mich, was passiert war.

Wieder saßen wir am Abend pünktlich vor unseren Computern und warteten auf das Unvermeidliche: das Skype-Gespräch mit Rewis Entführer. Am Nachmittag waren wir noch einmal auf der Polizeiwache gewesen. Wir hatten lange Gespräche mit den beiden Ermittlern geführt, waren jeden Anruf von ihm noch einmal durch gegangen, hatten versucht Theorien aufzustellen, was der Entführer mit seiner Aktion bezweckte und wie er Rewi in seiner Gewalt bringen konnte.

Und wir hatten einen Plan entwickelt. Da der Entführer mir schon einmal zugehört hatte, sollte ich ihn fragen, was er wollte, wieso er das Ganze tat.

Das war der einzige Punkt gewesen, bei dem wir absolut keine Ideen gehabt hatten.

Während wir die wildesten Theorien sponnen, wie der Mann Rewi hatte entführen und er unsere Skype-Accounts hacken konnte, hatten wir absolut keine Ahnung gehabt, wieso er das eigentlich machte.

Wir hofften, den Entführer so aus der Reserve locken und vielleicht etwas über ihn erfahren zu können, was uns helfen würde, ihn zu fangen und Rewi zu befreien.

Wir waren es zig mal durch gegangen, hatte uns überlegt, wie ich die Frage am besten formulieren könnte, um ihn zum Antworten zu bewegen ohne dass er Rewi etwas tat und es dann so lange geübt, bis ich auch sicher kein Wort aus Versehen ändern oder vergessen könnte.

Doch die Tatsache, dass wir nicht wie sonst sieben sondern acht Zuschauer waren, hatte mich vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Wen hatte dieses Arschloch noch dazu geschaltet? Wen wollte er noch leiden sehen?

Bei einem nach dem anderen gingen, sicher ohne dass sie es taten, die Facecams an.

Ich erstarrte. Es war Ju. Was hatte er denn mit der ganzen Sache zu tun?

Dass der Entführer uns alle erpresst, war irgendwie logisch, wir waren Rewis beste Freunde. Aber auch wenn Ju sich gut mit Rewi verstand, gehörte er doch nicht zu unserer Clique. Wieso also war er dabei?

Noch während ich darüber rätselte, begann der Entführer zu sprechen. Ich bekam nur mit halbem Ohr mit, wie er sich über die neuen Videos ausließ und meinen Freunden sagte, was sie als nächstes aufnehmen sollten. Doch dann erregte etwas meine Aufmerksamkeit.

„Ihr habt euch sicher schon gefragt, wieso Ju diesmal bei unserer kleinen beschaulichen Runde dabei ist."

Zum ersten Mal schaute ich auf Jus Facecam. Er starrte ungläubig in die Kamera. Augenblicklich fragte ich mich, ob wir beim ersten Mal auch so ausgesehen hatten.

„Nun, die Antwort darauf ist ziemlich einfach. Einer von euch hat unser kleines Geheimnis ausgeplaudert. Nehmt das als Warnung: Jeden weiteren YouTuber, dem ihr hiervon erzählt, hole ich mit hinzu in unsere kleine Unterhaltung."

Ich merkte, dass der Entführer am Ende angelangt war und die Verbindung unterbrechen wollte als ich mich wieder erinnerte, was ich ihn fragen sollte.

Ohne darauf zu achten, wie wir den Satz geprobt hatten, rief ich: „Wieso machst du das alles?"

Es musste ziemlich verzweifelt geklungen haben.

Der Mann lachte.

„Früher war alles besser!"

Früher war alles besserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt