Teil 6: Das Klo-Orakel

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Die Lehrer hatten Tische in einer Pizzeria im nächsten Ort reserviert. „Die besten Spaghetti im Umkreis von 3 Meter", stand auf einem Schild bei der Tür. „ Igit, was soll das denn bedeuten?", beschwerte sich Amber. „ Das ist ein Gag. Ein Filmwitz mit drei Buchstaben", pflaumte Kim sie an, „ aber davon verstehst du nichts!". Ich und einige andere hielten sich die Hände vor den Mund um nicht loszuprusten. Amber flippte nur ihr Haar und ging dann rein. „ Ist doch wahr", grinste Kim. „ Hast du gut gemacht!". Ich klopfte ihr auf die Schulter, woraufhin auch sie prusten musste. Für unsere Klasse waren zwei Tischreihen reserviert. Da Amber und Konsorten schon saßen, wählte ich den anderen Tisch. Ich war ja schließlich nicht lebensmüde! Ich rutschte durch bis zum Fenster. Wenn jemand vorhatte mich vollzutexten, hatte ich wenigstens eine Ablenkung. Als ich eine Bewegung auf der gegenüberliegenden Bank wahrnahm, blickte ich erschrocken auf und guckte direkt in ein Meer aus Bernstein. „ Was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?". Er lächelte. Der Abend war gerettet. „ Oh gerne", sagte ich leise und betete, das ich dabei nicht rot wurde. „ Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich den Platz neben dir nehme", sagte Castiel und noch bevor ich protestieren konnte saß er neben mir und zog sich die Jacke aus. „ Heiß hier drin, wird wohl an dir liegen, Maike!", grinste er. Ich war sprachlos. Nathaniel verdrehte nur genervt die Augen. „ Ach hier bist du Nathaniel!", zwitscherte es neben uns, „ darf ich mich neben dich setzen?". Nathaniel nickte. Melodys Augen begannen zu strahlen. „Glück im Unglück", sagte ich mir selbst. Da sich aber auch der Rest der Bank jetzt füllte, war eine Flucht nicht möglich. Der Fensterplatz war wohl doch keine gute Idee gewesen. Melody erzählte eine ganze Weile von irgendeiner Band die wohl neu sein musste, da ich noch nie von ihr gehört hatte. Da es mich aber auch nicht sonderlich interessierte, ließ ich schon nach einer kurzen Weile mein Blick aus dem Fenster schweifen. Eine kleine Bibliothek, ein Friseur, einen Supermarkt, einen Allgemeinmediziner und eine Bank. Der Rest der Straße schien nur aus Wohnhäusern zu bestehen. Nirgendwo ein Laden der zum Shoppen einlud! Vielleicht hatte ich ja Glück und Amber langweilte sich hier tatsächlich zu Tode. Dann hatte ich wenigstens ein Problem weniger. Ich grinste. „ Warum grinst du so?". Ich fuhr zusammen. „ Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!". Nathaniel lächelte zerknirscht. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Melody und Castiel mich anstarrten. „ Och ich hab einfach ein wenig vor mich hingeträumt. Nichts Besonderes!", druckste ich herum. Melody, der ich wohl die Aufmerksamkeit der Jungs entzogen hatte, runzelte die Stirn. Die anderen beiden beließen es dabei und widmeten sich den Speisekarten, die durchgereicht wurden. Ich Ohrfeigte mich innerlich selbst. Mensch, war ich peinlich! „ Was bestellst du zu essen?", fragte Castiel mich. „ Ich denke, die Rahmchampions mit Reis hören sich gut an!". „ Ich denke ich werde mir nur einen Salat bestellen", teilte Melody mit, „ ich muss ein wenig auf meine Linie achten! Oder was meinst du, Nathaniel?". Er guckte ein wenig verdutzt. „ Oh ähm ich denke du siehst gut aus so wie du jetzt bist, Melody". Castiel schnaubte verächtlich. „ Also ich denke, Maike hat im Gegensatz zu anderen keinen Salat nötig. Sie ist flach wie ein Brett!". Er hatte wieder sein schelmisches Lächeln aufgesetzt. Melody und mir stand der Mund offen. Wir wussten anscheinend beide nicht, ob das von Castiel ein Kompliment gewesen sein sollte oder nicht. Nathaniel hingegen funkelte Castiel böse an. Castiel funkelte zurück. Was war bloß los mit den beiden? Melody war die erste, die das Schweigen wieder brach. „ Sag mal Nath, du hast doch während der Fahrt heute Morgen zwischendurch ein Buch gelesen, worum ging es? War es spannend?", löcherte sich ihn. „Nath?!", hallte es in mir. Es war zu schmerzhaft um wahr zu sein. „ Ich lese ein Krimi", sagte er bereitwillig. „ Ich lese fast nichts anderes. Ich finde es total faszinierend, wie die einzelnen Puzzleteile nach und nach zusammengesetzt werden, bis sie den Täter haben!" „ Aber passiert in Krimis nicht eh immer das gleiche? Also ich meine, es wird immer jemand ermordet und zum Schluss stellt sich dann raus, das es der Gärtner war!". „ Nur wenn du explizit Miss Marple meinst", sagte Nathaniel ruhig. Melody kicherte. Na toll, da wollte ich mal lustig sein und prompt machte ich mich zum Affen. „ Du selbst hast im Bus doch auch ein Buch gelesen, Maike!", sagte nun Castiel. „ Ach ja, welches denn?", fragte Nathaniel interessiert. „ Die Abtei von Northanger. Ich liebe die Bücher von Jane Austen!". „ Aber passiert bei Jane Austen nicht eh immer das gleiche?", versuchte Melody mich nachzuäffen. „Mag ja sein, dass das Thema immer das Selbe ist, oder die Protagonisten sich in vielen Dingen ähneln, oder es immer auf ein Happy End hinausläuft" ich merkte, das ich langsam wütend wurde „ jedoch hatte Jane Austen einen unglaublich schönen Schreibstil mit viel Wortwitz und pointiert geschliffenen Dialogen die es einem erlauben, direkt in die Regency- Ära einzutauchen und sich mit den Figuren zu identifizieren. Du lachst mit ihnen, zu weinst mit ihnen und vor allem, du leidest mit ihnen. Mit jeder Pore deines Körpers fieberst du dem Happy End entgegen, wo die Protagonisten endlich ihren Mann bekommt um anschließend seufzend das Buch aus der Hand zu legen da dir klar ist, das solche Liebesgeschichten leider nur im Roman vorkommen!" Ich schnappte nach Luft. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich von der gesamten Tischreihe angeglotzt wurde. Ich muss wohl im Eifer des Gefechts ziemlich Laut geworden sein. Shit! Castiel verschränkte die Arme vor der Brust und setzte wieder sein spöttisches Lächeln auf. „ Nur in Romanen. So, so!", grinste er. Melody schnalzte abwertend mit der Zunge. Nur Nathaniel blieb ruhig. Er saß mit dem Kinn auf sein Handrücken gestützt und starte mich an. Etwas in seinen Augen leuchtete auf. Etwas, was ich nicht deuten konnte. Auch wie lange er schon so saß, wusste ich nicht! Ich wusste nur, dass sein Blick ungewohnt intensiv war. So intensiv, das es schon fast wehtat. Gott, sah der gut aus! Plötzlich vibrierte mein Handy. „ Krisensitzung, Klo, sofort!", stand in einer Nachricht. Sie konnte nur von einer Person sein. Rosa nickte Richtung Toilette und ich nickte zurück. Ich war froh von den Blicken wegzukommen. „ Klo und Krisensitzung im Zusammenhang kann man echt falsch verstehen", grinste ich sie an. Rosa blieb ungerührt. „ Was war das denn gerade wieder für ne Aktion? Du hast den halben Laden zusammengeschrien!", meckerte sie mich an. Ich schluckte. „So schlimm?". Sie verdrehte die Augen. „Shit!". „ Hör einfach auf dich ständig zu blamieren. Castiel ist einen halben Meter von dir weggerutscht, als du angefangen hast zu schreien". „ Melody hat mich provoziert", versuchte ich mich zu wehren. „ Lass sie doch. Sie denkt du bist noch immer hinter Nathaniel her und deshalb tut sie das!". „ Aber ich BIN noch hinter Nathaniel her", sagte ich mit Nachdruck. „ Er aber nicht hinter dir!". „ Woher willst du das wissen? Gerade eben hat er mich sehr lange und intensiv angeguckt", lautete wieder ein Versuch Rosa zu überzeugen. „ Der war wahrscheinlich starr vor Schock. Schließlich hast du fast Galle gespuckt, so bist du ins Geschirr gegangen! Hier, guck dir das an". Rosa öffnete die Tür zum WC einen spaltbreit, sodass wir unseren Tisch im Blick hatten. Das was ich sah, versetzte mir einen Stich. Melody und Nathaniel unterhielten sich, wobei er sie etwas besorgt ansah. Daraufhin legte sie ihre Hand auf seine, die er nahm. Ich war einem hysterischen Anfall nahe. „ Siehst du jetzt was ich meine?" fragte Rosa. „ Wir sollten zurück zum Tisch gehen. Langsam wird es auffällig, das wir so lange weg sind". Ich hatte keine Lust das Thema weiter zu erörtern. Als ich mich wieder zu meinem Platz durchquetschte, guckten alle drei mich an. „ Du warst lange weg", stellte Melody fest. Nathaniel ließ ihre Hand los. „ Ja, Rosalia hatte noch etwas mit mir zu besprechen, deshalb hat es etwas gedauert." „ In der Zeit in der du weg warst, hab ich schon mal deine Essen bezahlt", sagte Castiel, noch immer mit verschränkten Armen. „ D-danke. Wie viel b-bekommst du wieder?", fragte ich erstaunt. Er wurde immer merkwürdiger. Hatte Rosa doch Recht? „ Lass stecken. Ich lade dich ein!". Er schnappte sich seine Jacke und folgte den anderen nach draußen. Verdutzt guckte ich ihm nach.

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