*Klopf Klopf Klopf* "Anny, kommst du?"sagt meine Mutter und steckt den Kopf durch die Tür. Als sie mich wie ein Häufchen Elend zusammengerollt auf meinem Bett liegen sieht läuft sie schnell auf mich zu. "Spätzchen was ist denn los?" Sie kniet sich neben mich und ich hebe meinen Kopf. Sie wischt die Tränen von meinen Wangen und sieht mich mitleidig an. Ich merke, dass sie wissen möchte was passiert ist doch mir fehlt die Kraft es auszusprechen. Ich greife nach dem Klebezettel und drücke ihn meiner Mutter in die Hand. Ihre Augen überfliegen den kurzen Text und die Zeilen lassen ihre Kinnlade runter klappen. "Anny, das is ja furchtbar.", sagt Mum, kuckt mich kurz noch mitleidig an und fügt dann schmunzeld mit einem Schulterzucken hinzu, "Naja jetzt kannst du dich wenigstens ohne schlechtes Gewissen an den heißen Nachbarsjungen ranmachen." Sie zwinkert mir zu und ich knuffe sie in die Schulter. "Komm Spätzchen, mach dich frisch und dann komm raus. Die Scotts kommen in einer viertel Stunde." Mum steht auf zieht mich an meinen Händen hoch und umarmt mich. "Er ist deine Tränen überhaupt nicht wert", sie drückt mir einen sanften Kuss auf meine Stirn und verlässt den Raum.
Meine Mum war schon immer die beste darin mich zu trösten. Sie findet immer die richtigen Worte um mich wieder aufzubauen und da der Nachbarsjunge wirklich ziemlich gut aussieht, gehe ich nochmal ins Bad und schminke mich erneut.Eine viertel Stunde später sitzen wir alle zusammen auf unserer Terrasse und mein Dad und Mr. Scott stehen mit einem Bier in der Hand am Grill.
Wir reden und lachen viel, sodass ich Nick schon fast wieder vergesse. Später am Abend, nachdem wir alle aufgegessen haben verabschieden sich die Scotts schon früh, da Mr. und Mrs. Scott morgen schon wieder arbeiten müssen.Ich helfe meiner Familie gerade beim spülen und beschließe ihnen jetzt mitzuteilen, dass ich wieder Single bin. Nur wie erkläre ich meiner Familie am besten, dass der eigene Freund mich mit meiner besten Freundin betrogen hat? "Ich werde mich gut um ihn kümmern!" hat Nina mir am Flughafen gesagt. Ich wusste nicht das sie so gut auf ihn aufpassen wird. Pff. Hätten sie es mir einfach direkt gesagt, wäre ich jetzt vielleicht nicht so sauer auf sie. Also bin ich jetzt einfach direkt : "Nick und ich haben uns getrennt. Er ist jetzt mit Nina zusammen." Alle Blicke sind jetzt auf mich gerichtet. Waow so viel Aufmerksamkeit auf einmal bekommt man in dieser Familie selten. Alle warten darauf, dass ich noch etwas sage aber ich habe nichts mehr zu sagen. Vielleicht war ich ein wenig zu direkt? Zum Glück erlöst Lola uns von diesem unangenehmen schweigen : " Ich mochte ihn sowieso nicht so gerne" "Lola", entsetzt schauen Natalie und Dad Lola an. "Was denn? Ihr mochtet ihn doch auch nicht." Lola ist sehr direkt. Ich schlucke : "So schlimm ist er auch nicht." ,versuche ich meine 6-monatige Beziehung zu verteidigen. "Er hat dich behandelt wie den letzten Dreck..." mischt sich nun Natalie ein. Ich lache unsicher auf. Meine ganze Familie mag Nick nicht. Aus irgendeinem Grund drehe ich mich einfach um und laufe in Richtung meines Zimmers. "Du verdienst was besseres!" und "Nina ist auch kacke!" rufen Nat und Lola mir hinterher. Meine Eltern wirken völlig überfordert mit der Situation und stehen einfach als stumme Beobachter neben dran. "Wenn ihr meint.", sage ich und schließe die Tür.
Völlig erschöpft von dem langen Tag lege ich mich auf meine Matratze. Ich bin zu faul um mich abzuschminken und schaffe es grade noch so meine Hot Pen durch meine Pyjamahose aus zu tauschen. Dann fallen meine Augen zu und ich schlafe ein.
Ein leises Geräusch lässt mich wieder aufwachen. *Knock* Langsam schlage ich meine Augen auf und erwarte krelles Sonnenlicht doch es ist stock dunkel. *Knock* schon wieder dieses Geräusch. Ich schaue mich in meinem Zimmer um und versuche die Ursache dafür zu finden. *Knock* Das Fenster. Eine fette schwarze Fliege donnert gegen meine Fensterscheibe. *Knock* Warum ist das denn so laut? Ich reibe mir die Augen und schaue nochmal genauer hin. Erst jetzt bemerke ich das die Fliege in Echt kleine Kieselsteine sind die an meine Scheibe fliegen. *Knock* Wer zur Hölle ist da? Ich schalte mein Handy ein und werde von dem hellen Display geblendet. 02:17 Uhr. Ich schalte die Taschenlampen App an und laufe zum Fenster. Mit zusammen gekniffenen Augen versuche ich die zwei Gestalten in meinem Garten zu erkennen. Langsam öffne ich das Fenster. "Abby? Theo?" flüstere ich und starre die beiden an. "Na endlich. Komm wir wollen euch was zeigen. Hol Nat." ruft Abby leise zurück. "Jetzt?" langsam bewege ich mich vom Fenster weg. "Natalie, wach auf.", ich schüttele meine große Schwester sanft. "Mhh, noch fünf Minuten.", murrt sie und zieht im Halbschlaf die Decke über ihren Kopf. "Nat, jetz komm schon! Theo und Abby wollen uns irgendwas zeigen." Ich ziehe ihr die Decke weg.
Ein paar Minuten später schleichen Nat und ich uns durch die Verandatür aus dem Haus. Ich bin noch nie aus dem Haus geschlichen. Meine Eltern sind ziemlich locker was Partys und Freunde treffen angeht also gibt es für mich eigentlich keinen Grund mich weg zu schleichen. Ich habe kurz überlegt einen Zettel für Mum und Dad da zu lassen, entschied mich dann aber doch dagegen. "Hey" begrüsse ich die andern. Theo mustert mich.
"Schicke Hose!"
"Was?"
"Deine Hose!"
"Hä?", ich bin definitiv noch nicht ganz wach.
"Die Hose die du gerade an hast. Sie gefällt mir." Theo Abby und Nat fangen an zu lachen und ich schaue an mir runter. Oh nein. Ich trage die rosane Lillifee Schlafanzughose die meine verstorbene Oma mir vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hat. Sie ist mir zu klein und unfassbar hässlich aber Oma zu liebe kann ich sie nich wegschmeißen. Außerdem ist sie irgendwie verdammt bequem. Ich murmle ein ironisches Danke. Nat Abby und Theo tragen alle eine Jogginghose. "Was wollt ihr uns denn jetzt zeigen?" ,versuche ich vom Thema abzulenken.
"Ihr werdet es lieben!", Abby läuft mit einem Strahlen im Gesicht los und bedeutet uns ihr hinterher zu kommen. Wir laufen über den Strand auf den Steg des Nachbargrundstücks. Theo und Abby hüpfen in ein kleines Ruderboot mit einem dazu passend kleinem Motor. Theo reicht erst Nat und dann mir die Hand beim einsteigen. Wie kann sich die Berührung eines sogut wie Fremden so vertraut und natürlich anfühlen? Er hält meine Hand immernoch fest obwohl ich schon längst sicher im Boot stehe. "Danke" sage ich ein wenig unsicher und schaue abwechselnd auf seine Hand und seine Augen. Er drückt meine Hand sanft und lässt sie dann los. Ich setze mich hin und Theo startet den kleinen Motor. Das Boot fährt schneller als erwartet und die kühle Nachtluft bereitet mir Gänsehaut. Außer uns ist der See komplett ruhig Ich liebe Ruhe. Ich bin kein besonders ruhiger Mensch, ganz im Gegenteil, ich bin meistens voll aufgedreht und verrückt und wahrscheinlich brauche ich genau deshalb manchmal meine Ruhe um nachzudenken und mein Leben zu sortieren. Doch jetzt gerade will ich auf keinen Fall nachdenken. Nicht über Deutschland nicht über Nina und schon garnicht über Nick. Ich will einfach nur den Moment genießen.
"Das ist wunderschön", mit einer Handbewegung deute ich auf das Wasser, in dem sich das Mondlicht glitzernd widerspiegelt. Abby grinst mich an :"Es wird noch besser" Das Boot wird langsamer als wir uns der kleinen Insel die mitten im See liegt nähern. An einem kleinen aus Treibholz zusammengebasteltem Steg legen wir an. "Ist das auch stabil?", fragt Nat mit hochgezogenen Augenbrauen skeptisch bevor sie uns über den kleinen Steg auf die Insel folgt. "Wir haben ihn gebaut als wir 7 und 9 waren und er steht immernoch. Ich finde das ist ein Zeichen dafür das er sehr stabil ist.", erklärt Theo mit stolzem Grinsen im Gesicht. Die Vorstellung wie Abby und Theo als kleine Kinder hier zusammen am Wasser gespielt haben erwärmt mir das Herz. Trotzdem ist mir immernoch kalt da ich nur ein T-shirt trage und nicht wie die anderen eine Jacke oder einen Kapuzenpulli. Wir laufen gerade los, als ich eine warme Berührung an meinem Arm spüre. "Ist dir kalt? Du hast Gänsehaut.", fragt Theo und schaut zu mir herunter. Er ist größer als ich. Nicht viel, vielleicht 10 cm. Nick ist kleiner als ich. Okay mit meinen 178cm bin ich nicht gerade die kleinste aber trotzdem habe ich mir insgeheim immer einen Mann gewünscht der größer ist. Nick gegenüber habe ich das nie erwähnt.
Die warme Hand an meinem Oberarm verschwindet. "Ja ein wenig, aber ist schon ok.", antworte ich Theo. "Willst du meinen Pulli anziehen? Oder wäre dein Freund dann sauer?" Er verzieht sein Gesicht zu einer ängstlichen Grimasse. "Ex-Freund",sage ich grade raus und versuche gleichgültig zu klingen. "Oh" Ein kurzes Lächeln umspielt seine Lippen. Wieso lacht er darüber? "Naja, dann kannst du meinen Pulli ja ohne Bedenken anziehen." Er zieht ihn sich über den Kopf, wobei ich einen kurzen Blick auf seinen braunen durchtrainierten Bauch werfen kann. Waow. "Hier", er hält mir den Pulli hin und ich nehme ihn dankend an. An meinem schmalen Körper sitzt der Pulli locker. Die Wärme des Stoffes auf meiner Haut fühlt sich gut an. Sehr gut. Als ich merke das er jetzt nur noch im T-shirt dasteht bekomme ich ein schlechtes Gewissen: "Ist dir jetzt nicht kalt?"
"Pf,ich bin Kanadier wir frieren nie!" sagt er so selbstverständlich wie die Tatsache das man zum Überleben atmen muss, nimmt mein Handgelenk und zieht mich los. Erst jetzt stelle ich fest das Nat und Abby schon längst im Gebüsch der Insel verschwunden sind. Theo hält mein Handgelenk noch immer fest und ich bemerke das sich an seinem Unterarm jetzt schon die feinen Häärchen vor Kälte aufstellen. Kanadier frieren nie! Jaja merkt man. Aber süß von ihm das er mir trotzdem den Pulli gibt. Sehr ritterlich.
"Wo genau bringt ihr uns eigentlich hin? Woher wissen wir das ihr nicht zwei Psychopathen seid, die uns jetzt auf einer einsamen Insel elend sterben lassen?", frage ich. Theo läuft weiter ohne sich umzudrehen : "Tja, das wisst ihr nicht. Und das macht es umso aufregender." Er lacht teuflisch auf und packt mein Handgelenk noch fester um seinen Worten nachdruck zu verleihen und ich stolpere ihm hinterher ins dunkle Unterholz.
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Stargazing
Teen Fiction"Ich glaube ich weiß jetzt warum die Sterne funkeln." , sage ich, drücke seine Hand und schaue in den, von kleinen glitzernden Punkten überzogenen Nachthimmel. Das ruhige fröhliche Leben der 16-Jährigen Anny, gerade frisch nach Canada gezogen, wird...