Der Himmel hatte angefangen sich zu verdunkeln, ich stand immer noch vor einem Fenster im Wohnzimmer und sah hinaus auf die Masse. Es wurden nicht weniger, aber zum Glück auch nicht mehr, jedoch wollten sie einfach nicht weg gehen. Hinter mir wurde seit längerem getuschelt. "Und was jetzt?". "Keine Ahnung, wir könnten sie vom Dach aus erschießen?". "Ich meine nicht die Meute.. Was ist mit...ihr..". "Gute Frage.....Sie versucht nicht uns umzubringen.". Chris räusperte sich: "Noch nicht.". "Wie meinst du das?", wandte Mariko ein. Jemand rieb mit der Handfläche über den Stoff der Couch. "Naja, sie ist ein Zombie, egal wie sie sich verhält. Vermutlich schläft sie nicht oder isst nicht das was wir essen. Auf der einen Seite gut auf der anderen Seite auch furchtbar, weil sie dann-". "Ist ja gut, wir habens begriffen!", fuhr Henry etwas lauter dazwischen. "Wir können sie nicht auf die Straße setzen..", Mariko redete am leisesten. Einer lachte: "Das will ich ja auch nicht! Ich hab einfach Angst, dass sie uns in der Nacht das Fleisch von den Knochen reißt!". Ich schloss die Augen und drehte meinen Kopf etwas: "Ich kann..euch hören..". Betretenes Schweigen.
Nachdem Mariko fünf Mal in einer Minute gegähnt hatte - zumindest laut Henry - hatte sie sich auf dem Sofa zusammengerollt und schlief nun, den Kopf auf den Beinen ihres Verlobten. Dieser strich ihr unablässig durch die Haare und sah in die Ferne, irgendetwas bedrückte ihn. Henry lief im Zimmer auf und ab und prüfte zwischendurch das Feuer, ob es noch gut genug brannte. "Einer kurz...das..aufmachen?", ich deutet auf das Fenster vor mir. Henry kam und tat mir den Gefallen. Ich reckte die Nase in die Luft und versuchte einer Veränderung wahrzunehmen, weil die Meute vor dem Haus immer unruhiger wurde. "Was ist mit ihnen?", fragte der Mann neben mir. Ich drückte mit einer Hand das Glas wieder in die Verankerung: "Draußen..sind verwun..dete Menschen. Sie sind schwach.". Chris hob den Kopf: "Wir sollten ihnen helfen.". Ich schüttelte den Kopf: "Zu gefährlich und...außerdem..sind sie schon..fast tot.". "Gebissen?", flüsterte Henry. Ich bewegte den Kopf leicht auf und ab. Er ging zu Chris und setzte sich neben ihn.
"Sie..gehen.", stellte ich fest. Es ertönte keine Antwort. Die beiden hatten die Köpfe auf die Lehnen fallen lassen und die Augen geschlossen. Ich ließ die Schultern hängen. Und jetzt? Immerhin empfand ich nichts, was Müdigkeit sein konnte und hatte auch nicht das Bedürfnis mich auszuruhen. Also entschloss ich mich, nach draußen zu gehen. Vermutlich brauchten sie ihre Zeit um zu regenerieren. Unten angekommen sah ich zweifelnd zur Tür. Der Schrank musste weg. Von oben waren Schritte zu hören. Den Gang entlang, die Treppe hinunter, zu mir. "Soll ich dir helfen?", fragte Mariko. Ich nickte. Unter einigem Aufwand schob sie ihn zur Seite.
Schließlich sah mich lange an, ihr standen wieder Tränen in die Augen geschrieben. "Weißt du..", sagte sie nach einer Weile, immer noch so leise, dass uns die Männer nicht hören könnten, wenn sie wach gewesen wären: "..dir hat bis jetzt noch keiner gesagt, wie froh wir sind, dass du noch so..du bist. Dass du mit uns reden kannst und dich artikulieren, einfach alles grenzt gerade zu an ein Wunder. Ich wäre vermutlich selber bald gestorben, wenn du nicht wieder aufgetaucht wärst. Ich wusste einfach nicht, wie ich ohne dich hätte weiterleben sollen. Als Chris und ich noch mit Leonard unterwegs waren, wäre ich das ein oder andere Mal fast gebissen worden und es war mir egal, weil ich fand, dass das alles keinen Sinn mehr machte. Von Morgens bis Abends umher streifen auf der Suche nach Essen oder einem halbwegs sicheren Unterschlupf und das Tag für Tag. Dazu kommt noch das ständige Töten und die Angst. Außerdem hatte ich meine beste Freundin nicht mehr, meine Eltern sind vermutlich tot und auch alle meine sonstigen Freunde. Das ist doch kein Leben!", sie musste schluchzen: "Und dann haben wir dich wieder gefunden, Chris hat mir den Heiratsantrag gemacht, dann war da noch John. Es schien alles..Berg auf zu gehen..aber Nein! Wir wurden von Zombies überrannt, John wurde gebissen und ehe man sichs versah, war meine beste Freundin ebenfalls so gut wie tot. Ich..ach man.. ich wollte nicht mehr! Was wäre denn, wenn Chris jetzt auch noch sterben würde? Im Endeffekt gäbe es dann noch Henry und mich, aber selbst der ist durch Pauls und deinen Tod fast verrückt geworden. Ich hätte allein in dieser Hölle überleben müssen. Aber du bist zurückgekommen. Zwar als Zombie, aber mit menschlichem Kern. Du hast versucht uns zu beschützen und vor der Herde gewarnt. Ich.. bin einfach nur so unfassbar glücklich, dich zu haben.". Sie umarmte mich wieder. Mit jedem Wort, dass sie gesagt hatte, schossen Bilder und Erinnerungen durch meinen Kopf. Langsam wusste ich wieder, wer ich war und was ich schon alles durchgemacht hatte. Selbst einzelne Szenen aus dem Medizinstudium kamen zurück. Ich lächelte ebenfalls und legte meine Arme um sie, den Kopf auf ihre Schulter gelegt. Wir standen lange so da, bis sie sich von mir löste und kurz lachte. Dann strich sie mir mit einer Hand über die Wange: "Nicht weinen..". Erst dann viel mir auf, dass auch aus meinen Augen Tränen liefen. Allerdings war da noch etwas anderes. Ich horchte angestrengt, den Blick gesenkt. "Was ist?", flüsterte sie. Ich sah auf: "Wie geht es dir?". Meine Stimme klang fester - menschlicher. Sie grinste: "Jetzt wieder gut, wieso?". "Du hast zwei Herzen.". Jetzt zog sie die Augenbrauen zusammen: "Bitte was hab ich?". Ich hob eine Hand legte sie auf ihren Bauch, jetzt sah Mariko mit offenem Mund an sich herunter. "Zwei Herzen..", sagte ich, meine Stimme klang fast wieder normal.
Die Dämmerung setzte gerade ein, als Chris wach wurde. Ich hatte die Arme verschränkt und saß neben Mariko, die auf einer Matratze vor dem Kamin lag. Die ganze Nacht lang hatten wir geredet, vor vielleicht einer Stunde war sie eingeschlafen, ich hatte sie in der Zeit nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, auch wenn ich ja eigentlich nach draußen gehen wollte. "Guten Morgen.", berüßte er mich leise. Ich sah auf und lächelte: "Hallo.". Er sprang sofort auf und kam zu mir und betrachtete mich von oben bis unten: "Du..du siehst fast aus wie du..". Ich lachte leicht. "Komm mit!", er zog mich nach oben. Ich brauchte kurz, bis ich laufen konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Er ging mit mir die Treppe hinunter und von da aus in ein Schlafzimmer. Dort hing am Schrank ein mannshoher Spiegel. Er stellte mich direkt davor und sah über meine Schulter. Ich sah.. mich. Zumindest eine abgewandelte Version von mir. Dieselbe Figur, dieselben Gesichtszüge - abgesehen von der Tatsache, dass meine Lippen fast die gleiche Farben hatten wie der Rest meiner Haut. Meine Haare waren stumpf und durcheinander,die Haut war fast weiß, meine Augen milchig, aber man sah das ehemalige blau-grau etwas durchscheinen - dunkle Schatten hatten sich darunter gebildet. Ich war dünner, meine Kochen zeichneten sich deutlich ab. Ich hob eine Hand und betrachtete sie. Dünn und die Fingernägel schienen brüchig. Chris legte mir das Kinn von hinten auf die Schulter: "Du bist fast wieder normal.". "Sah ich schon immer so schrecklich aus, ja?", meine Stimme klang zwar noch wie ein Knurren, dafür konnte ich jetzt aber wenigstens ganze Sätze sagen. Er lachte: "Du siehst nicht schrecklich aus.. bloß etwas dolle mitgenommen.". Jetzt lachte ich auch, im Spiegel waren nun zwei Menschen zu sehen.
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Doch die Erde dreht sich weiter
HorrorWenn man gebissen wurde und gestorben ist, wird man zum Zombie. Eigentlich. Aber was, wenn man sich an sein früheres Leben erinnern kann und dann auf seine Freunde trifft? Wie soll es nur weiter gehen, wenn man selbst als Untoter in der Mitte von L...