Kapitel 6

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Ich zuckte mit den Schultern - zu einer geistreicheren Antwort war ich im Moment nicht wirklich fähig. Irgendwie steckte mir der Schock von gerade eben noch zu tief in den Knochen. "Du siehst übrigens richtig schrecklich aus.", sagte er leise und setzte sich aufrecht hin. Ich stürzte die Lippen: "Jedes Mädchen träumt davon so einen Satz zu hören.". Chris grinste schief: "Na dann ist ja gut.". Tiny stand bloß hinter mir und bewegte sich nicht. "Kannst du laufen?", fragte ich schließlich meinen besten Freund. Er nickte zögerlich und versuchte sich hinzustellen. Jedoch zuckte er sofort zusammen, als sein Kopf anscheinend ziemlich weh tat. "Gehirnerschütterung.", stellte ich nüchtern fest. Tiny ließ ein leises "Sorry" hören, Chris murrte bloß etwas unverständliches. Ich sah mich kurz im Raum um und ging dann in den Küchenabschnitt, um jetzt wirklich alles zusammenzupacken, jedoch ließ ich Quentin dabei keine Sekunde aus den Augen. Er schien mir zu unschuldig, zu ruhig. Vielleicht das aber auch nur alles, weil er einen langen Begleiter verloren hatte. "Sobald wir wieder bei den anderen sind, bekommst du was gegen die Schmerzen und die Übelkeit, okay? Jetzt im Moment müssen wir dich erst ein Mal da hin bekommen, ohne das du zu benebelt bist.", erklärte ich nebenbei. Chris stöhnte gernevt: "Du weißt doch jetzt schon, ob wir Untoten begegnen werden oder nicht..warum-?". "Weil ich trotzdem nicht zaubern kann und wenn wir doch angegriffen werden sollten, kann ich maximal mich allein verteidigen.". Jetzt meldete sich Tiny zu Wort: "Ich bin auch noch da.". Ich erstarrte in der Bewegung: "Das ist mir durchaus bewusst, allerdings vertraue ich dir nicht.". Er schien wie vor den Kopf gestoßen zu sein und antwortete so lange nicht, bis ich wieder bei ihm und Chris war und meinem besten Freund auf die Beine half. "Wen meint ihr mit 'die Anderen'?", fragte Tiny schließlich zögernd. Ich lächelte: "Hab ich doch gesagt. Seine Verlobte und mein Freund.". Chris hob den Blick: "Wie jetzt Freund? Hab ich was verpasst?". Ich sah auf den Boden und murmelte: "So etwas wie 'Freund'.".

"Was machen wir jetzt mit ihm? Ich meins Ernst! Wir können ihn nicht einfach so mitnehmen- frei nach dem Motto: "Das ist übrigens jemand, der Hilfestellung zur Vergewaltigung gegeben hätte und sich mit mir geprügelt hat. Wir sind jetzt beste Freunde!"!", zischte Chris, als wir uns gerade durch den Schnee zurück bewegten. Quentin lief in sicherem Abstand vor uns, sein Puls war etwas gestiegen. Als hätte er Angst, dass wir ihm jede Sekunde ein Messer in den Rücken rammen könnten. Ich seufzte: "Was fragst du mich das? Ich will das nicht entscheiden!". Ich hieb mit meinem Katana durch die weiße Masse um uns herum und knurrte frustriert. "Hast du..", begann er irgendwann zögerlich: "..eigentlich vorhin etwas von dem anderen..naja...gefressen?". Ich blieb stehen und funkelte ihn böse an: "Punkt eins - ich bin kein wildes Tier. Ich fresse nicht!". Er sah mich abwartend an: "Und Punkt zwei?". "Ich war nicht ich selbst.". Ich hörte ihn schlucken: "Das heißt ja?". Ich nickte: "Aber nicht so wie die richtigen Zombies.. Nicht so mit Bauch aufreißen und Organe herauszerren und die sich so lange ins Maul stopfen bis nichts mehr rein passt.. Ich hab einfach Stücke aus seiner Haut rausgebissen.. gut, es waren zugegebenermaßen große Stücke, aber ich bin nicht so wie die!". Ich hatte mich leicht in Rage geredet und sah ihn jetzt panisch an: "Bin ich doch nicht, oder?". Er kam auf mich zu und umarmte mich: "Du solltest einfach dein Gesicht waschen.". Ich stieß ihn von mir: "Bitte?!". "Du bist komplett blutverschmiert. Außerdem sind deine Augen wieder so komisch milchig.". Ich schloss die Augen: "Du hast meine Frage nicht beantwortet.". "Sorry.. Lass uns später darüber reden, okay?". Ich nickte. Im Prinzip stand die Antwort damit ja fest..

Als wir in der Nähe des Hauses waren, blieb Chris schließlich stehen. "Was ist?" , fragte ich und legte den Kopf etwas schief. Er verschränkte die Arme: "Ich werde diesen Typen nicht in die Nähe meiner Verlobten lassen.". "Fängt die Diskussion jetzt schon wieder an!", ich ging einfach an ihm vorbei. Quentin sah sich nervös um. "Beruhig dich. Töten werden wir dich schon nicht und Zombies sind auch keine in der Nähe.", keifte ich ihn an. Er nickte und senkte den Blick. "TABITHA MEI!", brüllte eine mir nur zu bekannte Stimme. Keine drei Sekunden später stand Mariko vor mir und funkelte mich und Chris böse an. "HABT IHR EIGENTLICH EINE AHNUNG, WAS FÜR SORGEN WIR UNS HIER MACHEN?! ERST LÄUFT HIER EINE HERDE DURCH DIE STRAßEN UND DANN SEID IHR EINFACH FÜR ZWEI STUNDEN VERSCHWUNDEN!!". Ich zog die Augenbrauen zusammen: "Zwei Stunden? Echt jetzt?". "Wenn wir nicht seit Jahren so gut befreundet wären, würde ich dir jetzt eine klatschen!", sagte sie bedrohlich leise. Chris kam zu ihr und wollte sie umarmen, doch sie wich ihm aus. Er seufzte: "Ach komm, Schatz. Es tut uns leid, wir wurden aufgehalten.". sie deutete auf Tiny: "Ja, das sehe ich. Wer ist das?". "Ich heiße Quentin.. Freut mich..". Sie nickte nur knapp: "Mariko. So, jetzt kommt ihr mit rein und erklärt mir alles.". Ich ging an ihr vorbei und wollte gerade ins Haus, als sie "Ist das Blut?" murmelte. Ich drehte mich um: "Wo?". Sie kam zu mir und fuhr mit einem Finger über meinen Hals. Es war tatsächlich Blut. Eigentlich hatte Chris alles mit einen nassen T-Shirt auf dem Weg hier her abgewischt, damit Henry und Mariko keinen Herinfarkt bekommen würden, wenn sie mich so gesehen hätten. Ich versuchte ihr auszuweichen, doch sie hielt mich fest. Ich stöhnte genervt: "Lass uns das drinnen besprechen, okay?".

Nachdem wir die Rucksäcke ausgeräumt, uns im Wohnzimmer verteilt und Chris seine Schmerztablette bekommen hatte, begannen wir die Geschichte zu erzählen - ausgenommen der Tatsache, wie Theo gestorben war. Den beiden sagten wir, dass es ein guter Hieb mit dem Katana war. Quentin saß auf dem Boden und war so rot wie eine überreife Tomate. Als wir fertig waren, starrte Henry mich mit offenem Mund an: "Ihr wollte uns also erzählen, dass du fast vergewaltigt und umgebracht wurdest, während Chris sich fast zu Tode geprügelt hat und ihr schleppt den Kerl trotzdem hier an?". Mariko zog ihn zurück auf die Couch: "Ganz ruhig.". Er schüttelte sie ab und rutschte von ihr weg: "Vergiss es!". "Könntet ihr vielleicht aufhören, euch wie kleine Kinder zu verhalten?", fragte Chris und rieb sich die Schläfen. Henry ging jetzt direkt zu Quentin. Dieser wiederum sprang so schnell wie möglich auf und wollte noch die Flucht ergreifen, doch Henry war schneller, verdrehte seinen Arm und pinnte ihm mit dem Bauch gegen die Wand. Er flüsterte ihm etwas zu, was Chris und Mariko wohl beide nicht verstanden, doch ich hörte deutlich "Ich werde es dir noch zehn Mal schlimmer zurückzahlen, Arschloch.". "Henry!" ,knurrte ich jetzt. Er ließ von Tiny ab und drehte sich zu mir: "Willst du ihn jetzt auch noch in Schutz nehmen? Den hier? Trotz all dem?". "Du vergisst, was ich ihm angetan habe.", murmelte ich. Er lachte zynisch: "Du hast seinen Begleiter umgebracht, nachdem er-". "ES IST EGAL, WAS ER MACHEN WOLLTE! ICH HABE IHN UMGERBACHT, HENRY!", unterbrach ich ihn. Mariko war merklich zusammengezuckt, der Mann vor mir jedoch, hatte nicht ein Mal geblinzelt. "Es war verdient. Er hätte dich auch umbringen können.", Henry zuckte mit den Schultern: "Notwehr.". Ich presste die Kiefer aufeinander: "Raus.". "Was?", fragte er ungläubig grinsend. Ich ging einen Schritt auf ihn zu: "Raus aus diesem Haus.". "Du ziehst den hier vor? Und überlässt mich den Untoten?". Chris legte mir von hinten eine Hand auf die Schulter: "Lass es gut sein.".

Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn ich die Kontrolle verliere. Als würden die Leitfäden, mit denen du dein Leben festhälst, Entscheidungen triffst und Gefühle zeigst, einfach durch deine Finger rinnen, als seien sie zu Sand geworden. Egal, wie sehr du es versucht, du kannst sie nicht halten. Im ersten Moment steigt Panik auf, weil du weißt, was kommt und du genau das verhindern willst. Dann wirst du sauer, weil du dich nicht beherrschen kannst. Diese Wut macht dich dann noch blinder, als du ohnehin schon bist. Mein normaler Verstand schaltet ab, das untote Monster kämpft sich an die Oberfläche. Rasend, seinen natürlichen Instinkten folgend - überleben, alles töten, was ihm zu nahe kommt. Und es ist jedes Mal so, als würde ich unbeteiligt daneben stehen und alles mit ansehen. Jedoch war es jetzt anders, als zum ersten Mal. Ich spürte, wie sich in mir etwas verschob. Wie meine Augen anfingen zu drücken, als sie lernten, schärfer zu sehen. Wie meine Nase juckte, als ich besser riechen konnten. Wie meine Ohren für einen kurzen Moment abschalteten, um im nächsten jedes kleinste Geräusch wahrzunehmen. Ich schlug kurz beide Hände vor das Gesicht. Als ich sie wieder wegnahm, waren die Eindrücke so überwältigend, dass ich befürchtete davon erschlagen zu werden. Jedoch gewöhnte ich mich schnell daran und konnte jetzt alles erkennen, was mir vorher verborgen geblieben war. Ich hörte quasi das Blut in den Adern meiner Freunde fließen, ihre Herzschläge, die veränderte Atmung. Ich sah rote, orangene Schlieren an den Menschen um mich und blau-vieloette in der Luft und den Wänden - anscheinend Temperaturen. Dazu noch alles andere: der Geruch nach Angst, Wut, Schweiß, die Zombies auf den Straßen, das Blut an meinem Nacken. Es war viel zu viel. Als schließlich noch jemand anfing zu sprechen, hielt ich es fast nicht mehr aus. "Tabitha? Hörst du mich?", es war unverkennbar Chris Stimme, jedoch völlig anders, als ich es gewöhnt war. Die Worte schienen nicht zusammenzupassen, keinen Sinn zu ergeben - sie drangen nicht zu mir durch. Mein ganzer Körper fing an zu zittern. Schließlich richtete ich mich auf, da ich unbemerkt zusammengesunken war, und ließ meinen Blick umherschweifen, bis er an den beiden Menschen vor mir hängen blieb. Ungewollt entkam ein bedrohliches Knurren aus meiner Kehle. "Fuck..", murmelte einer von ihnen und versuchte aus der Tür zu flüchten, der Andere stand flach an die Wand gepresst und rührte sich nicht. Ich sprang jedoch dem Laufenden hinterher - es war wie ein Spiel zwischen Hase und Wolf. Wenn allerdings der Hase keinen Bau findet, hat er keine Chance zu überleben.


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Ich lebe noch! :D

Nach etwas längerer Zeit mal wieder ein Kapitel - zu meiner Verteidigung hatte ich aber auch einiges zu tun und war teilweise einfach nicht in der Lage zu schreiben. Mal sehen ob das in den nächsten Wochen besser wird, immerhin ist jetzt die zeit, in der allen Lehrern einfällt, dass sie ja noch Noten brauchen -.-

Wie dem auch sei, man sieht sich! (:

Doch die Erde dreht sich weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt