Kapitel 10

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Carmillas Uhr zeigte 3 Uhr an, als wir in der Küche saßen. Chia und ich auf der Arbeitsablage, Carmilla und Marie am Tisch. "Meine beste Freundin heißt Mariko, ihr Verlobter nennt sie manchmal Marie.", sagte ich irgendwann als mir die Stille zu viel wurde. "Woher weißt du, dass sie noch leben?", fragte Carmilla missmutig. Ich seufzte: "Ich habe doch gesagt, dass ich meine früheren Begleiter verlassen haben. Das waren die beiden und..noch jemand, den wir erst aufgegabelt hatten.". Chia sah mich von der Seite an: "Wie hieß ihr Verlobter?". Ich lächelte leicht: "Christian. Wir nennen ihn aber immer nur Chris.". "Hattest du jemanden?", sie spielte mit ihren Fingern. "Naja..", ich kratzte mich am Nacken: "Vorher nicht. Wir haben zwischendurch jemanden kennengelernt, Henry. Sein Begleiter Paul ist gestorben, um uns zu retten und mit Henry..ist das irgendwie alles ein bisschen anders gelaufen, als eigentlich gedacht.". "Ist er gestorben?", anscheinend hatten wir damit auch Maries Aufmerksamkeit geweckt. Ich zuckte mit den Schultern: "Kann ich nicht so genau sagen.". Es wurde wieder ruhig, vermutlich dachten sie, ich wolle nur nicht darüber reden.
"Müsste nicht irgendwann mal das Fieber überhand nehmen?", flüsterte Carmilla der Frau neben sich zu. Ich verdrehte die Augen: "Ihr begreift nicht, dass ich euch hören kann, oder?". Sie verstummten sofort, wurden beide jedoch etwas rot. "Wenn ihr schon so fragt: ihr könnt so wie es jetzt aussieht, lange darauf warten, dass es so weit kommt.". Chia grinste: "Sie ist immun.". Ich nickte bestätigend: "Nicht ganz, aber fast. Als ich infiziert wurde, hab ich das Fieber bekommen, alle anderen Symptome noch dazu und bin schließlich gestorben. Dann irgendwann wieder auferstanden und habe mich zurück zum menschlichen gekämpft." Fast zumindest. "Klar.", Carmilla verschränkte die Arme: "Passiert mir auch ständig.". Ich sprang von der Platte runter und streckte mich: "Dann glaubt ihr mir eben nicht. Ist mir auch egal.". Chia sah mich fragend an: "Was tust du?". Ich nahm meine Jacke vom Boden und streifte sie über, bevor ich das Katana griff: "Gehen. Wonach sieht es denn aus.". Ihr Blick wechselte ins giftige: "Vergiss es, wir-". "Wie du selbst gesagt hast, lass einfach gut sein.", unterbrach sie Marie: "Wir können sie nicht zwingen zu bleiben und wenn wir mal ganz ehrlich sind, habe ich auch nicht das all zu große Bedürfnis, sie bei uns zu behalten.". Sie wollte etwas sagen, jedoch bekam sie keinen Ton heraus. Was sollte man auch gegen seine eigenen Argumente anbringen. "Ihr seid ohne mich besser dran, glaub mir ruhig.", ich lächelte ihr noch ein Mal zu, bevor ich mich zu den beiden anderen wandte: "Ihr müsst ganz dringend daran arbeiten, wie ihr euch draußen verhaltet, ansonsten bleibt ihr nicht mehr lange am Leben. Es ist so schon ein Wunder, dass ihr es bis hier geschafft habt.". "Hast du schon ein Mal erwähnt.", gab Carmilla entnervt zurück. Ich antwortete nicht, sondern verließ nur Küche, denn Griff fest um mein Katana geschlossen. Hinter mir waren Schritte zu hören: "Es tut mir leid.". "Chia, ich-". "Gehe ganz bestimmt nicht alleine weiter.", beendete sie in veränderter Form meinen Satz. "Was hat sich geändert?", fragte ich sie, während sie ihre Schuhe band. Chia sah kurz auf: "Du.". Ich blickte verwirrt zurück. "Am Anfang warst du so kalt und distanziert. Doch nachdem ich das gesagt habe, warst irgendwie nicht mehr so abweisend. Herrgott, du hast sogar Marie geholfen, als sie zu dumm zum laufen war. Wofür sie sich nicht mal bedankt hat!", den letzten Satz rief sie fast. Ich lächelte leicht: "Spielt doch keine Rolle.". Chia zog sich zwei Jacken über und hängte sich dann ihren Rucksack über eine Schulter.
Ich seufzte: "Du wirst nicht mit mir kommen.". Sie legte den Kopf etwas schief: "Doch. Glaubst du wirklich, ich will mit den beiden-", sie deutete in Richtung Küche: "meine letzten Tage verbringen?". "Ich glaube einfach nicht, dass du es mit mir tun willst.", ich drehte mich zur Haustür um sie zu öffnen, ließ jedoch meinen Kopf dagegen sinken, als ich die lachen hörte: "Du hast deinen Fehler schon mitbekommen, oder?". Ich grinste und drückte dann die Klinke nach unten, bevor ich kurz nach draußen sah und prüfte, ob etwas in der Nähe war. Mit vorsichtigen Schritten betrat ich den Garten, Chia folgte mir so leise es ging und zog die Tür hinter sich zu. "Wirst du mir erzählen, was mit dir anders ist, als mit den anderen infizierten?", flüsterte sie. Ich blieb stehen und sah halb über meine Schulter: "Hab ich doch schon. Mehr weiß ich auch nicht.". "Also..war alles, was du gesagt hast, wahr?", mittlerweile schien sie relativ nervös. Verständlich. Ich sah über den glitzernden Schnee, der nur in der Furche, durch die wir vorhin gelaufen waren, eine rötliche Färbung hatte. Der Rest glänzte noch erstaunlich weiß. Rein, unberührt, fast schon unschuldig.
Ich antwortete ihr nicht, sondern ließ nur den Weg zum Tor. Chia folgte mir die ganze Zeit über wie ein Schatten, als wäre sie wieder genau so ängstlich wie am Anfang. "Wovor hast Angst?", fragte ich, als wir wieder auf der Straße standen. Sie sah mich genervt an: "Ist das ernst gemeint? Wir befinden uns seit vielleicht drei Monate in der Apokalypse. Da musst du noch diese Frage stellen?". Ich zuckte mit den Schultern: "Ist das Sterben? Oder die Untoten? Der Prozess, wenn man zu einem wird? Der Verlust?".
Wir gingen relativ langsam neben einander her, ihr Blick wanderte über jedes Haus, jede Ecke und Straße, als würde sie alles nach dem kleinsten Anzeichen von Tod untersuchen. "Alles würde ich sagen.", meinte sie nach einiger Zeit, ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, als müsste sie lange überlegen. Wir verharrten von da an eine ganze Weile in Schweigen, bis wir den Ausgang des Dorfes erreichten. Sie starrte das gelbe Schild mit dem durchgestrichenen Namen an und seufzte leise: "Wohin gehen wir?". Plötzlich ergriff mich Mitleid. Ich fragte mich, warum sie wohl wirklich mit mir gekommen war. Ob sie genau so kein Ziel vor Augen hatte wie ich. Ob sie auch nichts mehr hatte, an dem sie sich festhalten konnte. Ob sie auch so gut wie alles verloren hatte. Ob sie genau so keinen Sinn mehr im Leben sah wie ich. Wenn man all das überhaupt noch als ein Leben bezeichnen konnte. "Icb weiß es nicht.", gab ich zu. Sie nickte nur und lief dann weiter. "Wohin willst du?", ich holte schnell auf und lief dann meinen Blick über die Felder gleiten, die rechts und links von der Straße lagen. "Irgendwo. Ich kenne mich hier nicht aus. Was ist denn in der Nähe?". Ich lächelte leicht: "Nichts, was sich zu sehen lohnt.". "Geht es darum?", sie spielte mit dem Messer in ihrer Hand. Am Horizont war ein Untoter zu sehen. "Geht es überhaupt um irgendwas?", konterte ich. Sie lachte sanft: "Nein. Nein, ich denke nicht.". Als die Dämmerung einsetzte und wir das nächste Dorf erreichten, fing sie an vor sich her zu singen. Ich hörte ihr zu und sorgte dafür, dass wir nur Wege nahmen, bei denen ich mir sicher war, dass wir niemandem begegneten - weder lebendig noch tot. Und je länger sie sang, desto mehr hatte ich das Gefühl, wieder Kälte, Hunger und Erschöpfung zu spüren.

Doch die Erde dreht sich weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt