5 ~ Blickduell

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Das ist Pipers Zimmer, wie ich es mir ungefähr vorstelle. Und ich hab herausgefunden, dass Piper eigentlich Vegetarierin ist... Ups. 

Piper

Dank dem Shoppingtag meiner Mum war ich so fertig, dass ich mich nur noch umzog und dann ins Bett krabbelte. Wenige Minuten später war ich auch schon eingeschlafen.

Leider wachte ich mitten in der Nacht auf, weil Cornflake auf meinen Bauch gesprungen war und leise schnurrte. Sie schien es echt zu mögen, mich zu wecken. Ihre grün blauen Augen leuchteten im Dunkeln und rieb ihren Kopf an meiner Schulter. "Kuschel mit Thals", flüsterte ich. Sie setzte sich auf meinen Bauch und sah mich an. "Was willst du?", fragte ich sie leise und genervt. "Miau", antwortete sie und lief aus meinem Zimmer. Stöhnend verließ ich mein warmes Bett und folgte ihr in die Küche. Dort war das Licht an und ich kniff die Augen zusammen, um nicht geblendet zu werden. "Keine Sorge, das hat sie bei mir auch schon probiert", sagte eine Stimme. Wenn ich richtig lag, war es Luke. Moment mal. Was suchte Luke mitten in der Nacht in meiner Küche?

Ich öffnete die Augen und sah Luke am Esstisch sitzen und essen. "Thalia hat gesagt, wir sollen uns wie zu Hause fühlen."

"Und daheim sitzt du morgens um", ich warf einen Blick auf die Küchenuhr, "morgens um fünf in eurer Küche und stopfst Essen in dich rein."

"Exakt", meinte Luke. "Ich brauche sehr wenig Schlaf."

Verwirrt holte ich das Katzenfutter für Cornflake und schüttete ihr ein wenig in den Napf. Stille kehrte ein und wurde nur durch Cornflakes Kauen unterbrochen.

"Meintest du das eigentlich ernst?", fragte er. "Ich meine, Thalia sieht nicht so aus, als würde sie mich sonderlich mögen."

"Das sagt noch lange nichts. Mich hat sie am Anfang mit Schuhen abgeworfen und jetzt sind wir auch beste Freunde", meinte ich.

"Was ein wundervoller Start in eine Freundschaft", meinte Luke ironisch und kippte ein Glas Wasser hinunter. "Weißt du, worauf ich jetzt so richtig Lust hab?", fragte er.

"Nein, worauf denn?"

"Pizza."

"Du spinnst doch."

"Ich esse morgens um fünf, ertrage die Stolls seit meinem vierten Lebensjahr und bin mit meiner verrückten Mutter aufgewachsen, natürlich spinne ich. Also, habt ihr Pizza da?"

Ohne auf eine Antwort zu warten, suchte er in unserem Tiefkühlschrank nach Pizza und fand sie schließlich. "Margherita und Salami?", fragte er.

Ich seufzte. "Okay."


Eine Viertelstunde später aßen wir unsere Pizzen. Cornflake hat sich schon längst wieder verkrochen. 

"Um noch mal zu Thalia zurück zu kommen", sagte ich. "Wenn du sie haben willst, musst du sie nicht beeindrucken. Behandel sie gleichwertig und nicht bevorzugt, nur weil sie eine Frau ist. Wenn sie Interesse hat, wird sie von sich aus aktiv, wenn nicht, hat sie dich entweder in die Friendzone geschoben oder sie mag dich nicht. Und-"

Luke schüttelte den Kopf und nickte auf die Küchentür. 

Thalia schlurfte wie ein Zombie zur Kaffeemaschine. "Warum riecht es hier nach Pizza?", gähnte sie. 

"Weil wir Pizza essen?", sagte ich. 

Sie ließ sich mit ihrer Kaffeetasse auf den Platz neben mir fallen. Ihren Kopf legte sie auf ihren Armen ab. "Die Stolls schnarchen", murmelte sie. 

"Nichts neues", sagte Luke munter.

Es sah schon witzig aus, wie sie so gegenüber von einander saßen, Thals total müde und Luke wach. 

"Dein Kaffee wird kalt", meinte ich zu ihr. 

"Stirb."

"Jaja, ich hab dich auch ganz furchtbar lieb." Die Augen verdrehend stand ich auf. "Bin im Bad." 

Ich duschte, zog mich an und deckte meine Augenringe ab, Leo sollte ja nicht  erschrecken, wenn er mich sah. 

Luke machte sich daran, die Stolls zu wecken, während Thalia im Bad verschwand und ich in der Küche aufräumte. "Habt ihr noch irgendwas zu essen oder so?", hörte ich Jason verschlafen fragen. 

Oh wow, die erste Frage an mich. Wortlos hielt ich ihm Müsli und Milch hin. "Teller sind über der Spülmaschine und Besteck daneben", sagte ich hastig und verließ fluchtartig den Raum. Ich schlug meine Zimmertür zu und lehnte mich dagegen. 

Unsere erste Konversation seit zwei Jahren. Okay, Konversation konnte man es nicht wirklich nennen, es waren zehn Sekunden Gespräch gewesen. 

Ich hatte mir immer vorgestellt, wie es wäre, würden wir aus Zufall wieder aufeinander treffen. Vielleicht hätten wir uns beide nicht mehr erkannt, wären nur Freunde gewesen oder hätten uns gegenseitig erkannt. Dann wären wir uns in die Arme gefallen und hätten langsam wieder Nähe aufgebaut, vielleicht hätten wir uns sogar wieder verliebt. Tja, wie schön Wunschvorstellungen doch sein konnten.

Jason tat so, als hätten wir uns noch nie getroffen und trotzdem kannte er noch meinen Zweitnamen. Irgendwas war da faul. 

Aber warum kümmerte mich das überhaupt noch?

Es war zwei Jahre her, dass ich Gefühle für ihn hatte. Ich liebte Leo und war glücklich mit ihm. Jason und ich waren im Guten auseinander gegangen und ich hatte keine Gefühle mehr für ihn. Das versuchte ich mir jedenfalls eine halbe Stunde einzureden, bis es an der Tür klopfte und Thalia rief, sie seien alle fertig. 

Den Blick gesenkt lief ich an Jason vorbei, der mir jedoch keine Beachtung schenkte. "Wir passen nicht alle in mein Auto", sagte ich und sah der Reihe nach Thalia, Luke, Jason, Connor und Travis an. "Also, da Thals und Luke schon Sport studieren, sollen sie auch was für ihre Fitness tun und laufen", schlug ich vor. 

Thalia sah mich mit gerunzelter Stirn an. Das war wirklich nicht mein bester erster Verkupplungsversuch, aber hey, was besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen.

Aber Connor und Travis Stoll warfen sich schon auf die Plätze auf der Rückbank, also musste Jason sich auf den Beifahrersitz direkt neben mir setzen. 

"Das ist mein Platz, Jay." Thalia sah gar nicht begeistert aus. 

"Ach komm schon Tata", sagte Jason. "Ich setz mich ganz bestimmt nicht zwischen die Stolls. Und auf Laufen kann ich auch verzichten, also musst du deinen heiß geliebten Sitz wohl mal mir übergeben."

Jay? Tata? Kannten sich die beiden etwa?

Sie lieferten sich ein Blickduell und es sah nicht so aus, als würden sie demnächst aufhören.

"Lasst doch Piper entscheiden", sagte Luke. 

Sofort drehten beide den Kopf zu mir. 

"Äh", machte ich verlegen. Wenn ich Thalia den Sitz gab, würde ich zwar nicht neben Jason sitzen müssen und hätte meine beste Freundin neben mir, aber Thals schien leicht misstrauisch zu sein und so bald würde sich keine geeignete Situation mehr ergeben. Sie war wirklich ein Naturtalent darin, andere Leute zu ignorieren und zu meiden.

"Sorry Thals, aber du musst laufen, wie ich schon gesagt hab."

Sie schenkte mir einen Killerblick und stolzierte dann davon. Luke folgte ihr seufzend. Der arme.

Jason ließ sich zufrieden auf den Beifahrersitz fallen.

Entgegen meiner Wunschvorstellungen fühlte ich mich unwohl in seiner Gegenwart. Das konnten spaßige zwanzig Minuten werden. Hoffentlich unterhielten die Stolls uns.

~~~

Soll ich im nächsten Kapitel einen Sichtenwechsel machen?

H.

Face to FaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt