Kapitel 9

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Ich drehte mich um. Jojo stand hinter mir und es wäre wirklich schwer gewesen das blonde Mädchen in seinem Arm zu übersehen. Ganz besonders bei dem hochnäsigen Gesichtsausdruck und dem so falschen Lächeln, was wie ein Roboter wirkte. Ich sagte dazu nichts. Ich grinste einfach.
"Was ist?" fragte Jojo mich mit misstrauisch verengten Augen.
Ich kleisterte mir ein Lächeln ins Gesicht das dem vom Blondchen Konkurrenz machen könnte.
"Nichts, nichts..."
"Hm" machte Jojo nur. Er sah mich noch eine Sekunde länger an dann wandte er sich den fragenden Blicken seiner Freunde zu.
"Wohin bist du denn verschwunden?" fragte Fabi.
"Arzt Termin" Jojo ließ das Mädchen los und stellte sich zu uns in den Kreis.
"Verabschieden geht auch nicht mehr" brummte Fabi.
Jojo lächelte lediglich entschuldigend.
Luc's gesamte Aufmerksamkeit wurde derweil von Blondchen beansprucht.
"Wer ist das, Jojo?"
Ich befürchtete das Luc jeden Moment anfangen würde zu sabbern.
"Ähm...weiß ich nicht. Sie geht in den Jahrgang unter uns. Wie heißt du?"
"Maliné"
Sie klang nicht minder hochnäsig als sie aussah. Aber Jungs schienen nicht die Gabe zu besitzten, das zu bemerken. Lediglich Fabi sah sie an wie eine Kakerlake.
Ein so schriller Ton erklang das es einem fast in den Ohren wehtat. Die Klingel. Seufzend setzte ich mich in Bewegung. Ich hörte das die anderen mir folgten.
Als wir den Jahrgangsflur betraten spürte ich jemandes Atem im Nacken.
"Du hättest an ihrer Stelle sein können." murmelte Jojo mir ins Ohr, bevor er in seinem Klassenraum verschwand. Er hatte nicht ihren Namen genannt dennoch war ich mir sicher das er Maliné's Stelle meinte. Ich war mir aber überhaupt nicht sicher ob ich an ihrer Stelle sein wollte. Er hatte nicht einmal ihren Namen gekannt! Oder sich überhaupt dafür interessiert.
"Nach einer ausführlichen Studie wurde bewiesen, dass es so ziemlich allen Menschen besser geht, wenn sie Jojo nicht zuhören. Wirklich nie. Nur so nebenbei bemerkt. Solltest du dir merken." bemerkte Carlo neben mir.
"So was in der Art habe ich mir schon gedacht." sagte ich grinsend.
Wir bogen in unsere Klasse ab und setzten uns auf unsere Plätze.
Frau Winter schneite in die Klasse. Nur ein paar Sekunden nach uns. Und während wir draußen sprichwörtlich geschmolzen waren, sah sie so aus als hätten wir tatsächlich Winter. Strickjacke und Stiefel.
Wie hatten Mathe. Während wir arbeiteten, kam sie zu mir und fragte mich, ob ich denn mit allen gut klar käme und dieses Zeug. Als ich bejahte, lächelte sie. Aus Höflichkeit deutete ich ein Lächeln an, dann arbeitete ich weiter. Nach zwanzig Minuten kam die Durchsage. Hitzefrei! Es war schwer zu sagen, wie lange es dauerte bis der Klassenraum sich gelehrt hatte. Kaum eine Minute. Es schien als hätten alle Angst vor einer zweiten Durchsage gehabt, in der die erste wiederrufen wurde. Was nicht hieß, dass ich langsamer gewesen wäre. Am Schultor trafen wir auf die anderen.
"Schwimmbad?" fragte Olli in die Runde. Niemand sagte irgendwas aber irgendwie war es dennoch klar das alle zustimmen. Abgesehen davon hatte Ollis Frage interessanterweise eher wie ein Befehl geklungen.
"Kommst du mit?", fragte mich Carlo und ünerwünschterweise bekam ich auch die Aufmerksamkeit der anderen.
,,Sicher" antwortete ich schnell. Ich überlegte einen Moment ob ich fragen sollte ob Maliné ebenfalls mitgeschliffen werden würde, endschied mich aber dagegen.
"Gut, sonst hätten wir dich mitschleifen müssen" Jojo grinste mich breit an. Während die anderen die Fahrräder ansteuerten, begann ich nach Hause zu gehen. Da ich kein Fahrrad hatte, konnte ich ja zumindest etwas vorausgehen. Ich erwartete nicht das Carlo mich wieder auf dem Gepäckträger mitnahm. Ich sollte vielleicht langsam mal lernen dass Menschen immer für Überraschungen gut waren.
Ich hatte gerade mal die Straße überquert da hörte ich auch schon das erste Fahrrad hinter mir. Einen Moment lang fragte wer von den Jungs - oder das Mädchen- es war. Heiß aber nicht das ich mir die Mühe machte es zu kontrollieren. Dennoch ließ die Antwort nicht lange auf sich warten.
"Was machst du da?" Carlo drückte auf die Bremse und rollte im Schneckentempo neben mir her.
"Wonach sieht's denn aus? Ich gehe nach Hause."
"Aber wieso gehst du?"
Ich sah ihn irritiert an. "Na, weil ich kein Fahrrad habe!"
Carlo seufzte abgrundtief und hielt endgültig an. "Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl. Steig hinten drauf."
"Sicher?" Obwohl wir heute morgen exakt dasselbe gemacht haben, sah ich ihn zweifelnd an.
"Jetzt mach schon!" Er grinste "Allein ist es doch langweilig."
"Von mir aus" Ich lies mich so heftig auf den Gepäckträger fallen das ein Ruck durck das Rad ging.
"Dann fahr mein kleiner Postfrosch..."
"Postfrosch?" Man musste ihm zugute halten - er klang nur ein bisschen verwundert.
"Du solltest mir nicht immer so genau zuhören."
Jetzt kamen die anderen auch um die Ecke. Carlo trat schweigend in die Pedale.
"Nehmt ihr jeden Morgen das Fahrrad?" fragte ich irgendwann.
"Immer" rief Jojo zu mir rüber.
"Ach übrigens, du gehörst jetzt offiziell zu uns, das heißt morgen solltest du dein eigenes Rad aus der Garage holen. Es sei den du willst mir weiterhin beim fahren Gesellschaft leisten. Ich hätte nichts dagegen..." sagte Carlo.
"Ich befürchte das ich mein eigenes Fahrrad nicht im Stich lassen kann- es wird mich doch ganz fürchterlich vermissen." flötete ich zuckersüß zurück.
Wir fuhren denselben Weg wie am Morgen. Zuerst, kapselte sich Fabi ab, dann Olli. Danach war ich an der Reihe. Als ich von Carlos Rad stieg, hielt er mich plötzlich am Handgelenk fest.
"Wir holen dich wieder ab." sagte er grinsend.
Ich befreite mein Handgelenk aus seinen Griff. "Gut zu wissen." antwortete ich dann noch bevor ich die Einfahrt zu unserem Haus hochging.
Als ich mir noch einmal über die Schulter sah, sah ich wie die Jungs wegfuhren.
"Wie war die Schule?" rief meine Mutter aus der Küche als ich zur Tür rein kam.
"Geil! Wir haben Hitzefrei!"
"Wo sind die Jungs?"
"Die sind zu Fuß gegangen." Ich warf meine Tasche in eine Ecke. Meine Schuhe folgten ihr.
"Du etwa nicht?" Scheiße. Der Tonfall meiner Mutter hatte sich verändert. Jetzt war sie neugierig. Wirklich und richtig neugierig. Vielleicht hatte ich Dummkopf auch ihre Ader für Klatsch und Tratsch geweckt.
"Äh, nicht wirklich" Ich fragte mich od die Treppe vielleicht eine Fluchtmöglichkeit darbot.
"Nicht wirklich?" Meine Mutter kam aus der Küche, unverhohlenes Interesse in der Stimme.
"Ein paar..." Was, Typen? Freunde? So weit würde ich doch noch nicht gehen. "...Bekannte haben mich auf'm Gepäckträger mitgenommen."
Meine Mutter lächelte. "Freut mich das du so schnell Freunde gefunden hast."
Ich lächelte ein wenig wehleidig zurück. "Ich sagte Bekannte."
Dann ging ich hoch in mein Zimmer.
"Das Essen ist gleich fertig." rief sie mir noch hinterher.
Nachdem ich meine Zimmertür hinter mir geschlossenen hatte, ließ ich mich auf's Bett fallen. Ich kramte mein Handy hervor und checkte meine Whatsapp Nachrichten.
4 Nachrichten von meiner alten besten Freundin. Sie fragte mich wie es mir hier ging. Eine Sprachnotiz und der Absprache, das wir am Abend telefonieren würden später, schließlich müsste ich mich ja beeilen, klopfte es an meiner Zimmertür.
"Ja?" rief ich und Finn kam rein.
"Essen" sagte er und drehte sich auf dem Absatz um. Ich hörte ihn die Treppe runterpoltern. Seufzend folgte ich ihm. Nachdem ich mich gesetzt hatte fingen wir an.
Es dauerte kaum drei Minuten, da fingen meine Brüder an von ihrem Schultag zu erzählen, bis ich sie schließlich unterbrach.
"Wir wollten heute ins Freibad gehen, also -"
"Du und deine Freunde?" giel mir meine Mutter ins Wort.
"Ja..."
"Kein Problem, geh ruhig." bewilligte meine Mutter und mein Vater nickte zustimmend.
Ich versuchteein irres grinsen zu unterdrücken. Hastig stopfte ich mein restilches Essen in mich hinein und spang dann schnell vom Tisch auf.
"Danke.. ich muss mich beeilen, werde gleich abgeholt" rief ich und lief die Treppe hoch, in mein Zimmer.
Nicht minger hastig packte ich mir nun ein Handtuch, Sonnencreme und was man noch so alles zum Schwimmen brauchte, in eine Tasche. Meinen Bikini zog ich gleich unter.
Als ich fertig war setze ich mich kurzerhand aufs Bett ind fing an zu lesen. Irgendwas musste ich zum Zeitvertreib ja machen. Mein Blick wanderte über das Bücherregal und meine Finger strichen über die Buchrücken. Ich endschied mich für ein bereits abgenutztes Taschenbuch und pflanzte mich auf mein Bett. Na einger Zeit hörte ich einen tiefen Ton durchs Haus hallen. Ich warf das Buch zur Seite und stürzte quasi aus meinem Zimmer, nahm die Treppe in ein paar Sätzen und öffnete die Tür bevor (Gott sei Dank) es jemand anderes tun konnte. Diesmal grinste mich nicht Carlo, sondern Fabi an.
"Hey" begrüßte sie mich.
"Hey, ich muss nur eben noch mein Fahrrad aus der Garage holen." sagte ich während ich nach dem Garagenschlüssel griff um genau das zu tun. Ich trar aus der Haustür hinaus, aber bevor ich Carlo erreicht hatte, hörte ich Carlo.
"Ey, Lisa" Ich könnte schwören das in seiner Stimme etwas herausforderndes lag. ,,Es wird voll sein! Desto weniger Fahrräder, desto besser! Steig bei mir auf.", rief er.

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