Kapitel 8

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Am nächsten Morgen wurde ich wieder von dem piepen meines Weckers geweckt. Heute brauchte ich allerdings ein paar mehr Anläufe zum aufstehen als gestern. Ich machte mich fertig und ging zum Frühstücken runter. Nur um mitten auf der Treppe wieder anzuhalten, ich hatte mein Handy vergessen. Wirder hoch - wieder runter.
Ich setzte mich an den Tisch und aß mein Müsli. Dann kamen auch schon meine beiden Brüder Max und Sven.
,,Heute holen mich meine Freunde ab. Ihr zwei müsst ohne mich los", war meine Begrüßung an sie.
"Du hast Freunde?" fragte Sven erstaunt "Wer sind die armen Schweine?"
"Das geht dich nichts an!" giftete ich.
Er hob kapitulierend die Hände.
Wir aßen größtenteils schweigend unser Frühstück.
Keine zehn Minuten später war ich dann auch fertig. Gerade als ich die Schüssel in die Spülmaschine stellte, klingelte es.
"Ich gehe schon" rief ich - nicht das jemand auf mich hörte.
"Nur kein Stress mein Schatz." flötete meine Mutter, während sie die Treppe runterging und schon öffnete sie die Tür. Sie sah Carlo mit strahlenden Augen an.
"Du bist bestimmt einer von Lisad Freunden! Ich kann leider nicht sagen das ich schon viel von dir gehört habe." Ihre Stimme hatte einen vorwurfsvollen Ton angenommen.
"Ich weiß ja noch nicht einmal wie du heißt! Thomas hat von einem Carlo erzählt, der gestern hier war. Ich vermute stark dass du das bist, weil Lisa nie viele männliche Freunde hatte."
Sie holte Luft und eine kurze Pause entstand. Ich rang mit mir ob ich mich weiter in der Küche verstecken sollte, oder ob ich noch genug Würde besaß um Carlo gegenüber zu treten.
"Und?" hörte ich meine Mutter sagen.
"Was 'und'?" fragte Carlo verwirrt. Scheinbar hatte er während des Redeflusses meiner Mutter vergessen, Manieren zu zeigen.
"Bist du Carlo?"
"Ja?"
Das war der Moment in dem ich mich entschloss zu handeln. Ich trat in den Flur.
"Wie du schon herausgefunden hast,..." begann ich während ich mir die Schuhe überzog "...das ist Carlo. Er holt mich ab, wir gehen zusammen mit seinen Freuden zur Schule und langsam haben wir es eilig." Mittlerweile hatte ich mir auch meine Jacke übergestreift und schnappte mir meine Tasche. Ich quetschte mich an Carlo vorbei durch die Tür hindurch, wobei ich ihn einen Schritt nach hinten zog.
"Also...tschüss." Schnell zog ich die Tür zu.
"Was war das denn?" Carlo sah mich auffordend an.
"Meine Mutter" sagte ich nur und ging die Einfahrt runter.
"Wir wissen beide das ich das nicht meinte." rief er. Ich drehte mich um.
"Kommst du jetzt oder willst du da stehen bleiben?"
Carlo setzte sich schließlich in Bewegung. Mittlerweile hatte ich die Straße erreicht.
"Morgen Luc" begrüßte ich den Jungen der an unserem Eingangstor lehnte.
"Hey" stieß er sich vom Tor ab.
Carlo erschien neben mir.
"So sammeln wir jetzt die Turteltauben ein?" fragte er.
Luc nickte. "Was hat hier eigentlich so lange gedauert?"
Ich strich mir mein Haar hinters Ohr.
"Das müssen wir jetzt nicht näher erleutern." Ich fing an die Straße runterzugehen. Als ich den Jungs einen Blick zuwarf bemerkte ich, dass Luc jetzt scheinbar nur noch neugieriger war.
"Ach übrigens, wir sind mit dem Fahrrad unterwegs."
Ich sah Carlo böse an "Hättest du das nicht früher erwähnen können.
Er zuckte die Schultern "Du hast mir keine Zeit dafür gelassen."
Ich seufzte. "Ich muss dann nochmal rein und den Garagenschlüssel holen, damit ich an mein Fahrrad komme"
"Ach was" sagte Carlo und grinste "Wie du vorhin schon gesagt hast, wir haben's eilig. Komm auf meinem Gepäckträger."
Ich zog die Augenbrauen hoch "Ich hätte nicht gedacht, dass ihr Wert darauf legt, rechtzeitig zum Unterricht zu erscheinen."
Jetzt grinste Carlo noch breiter "Ich bin immer für Überraschungen gut."
Ich legte den Kopf schräg und zögerte einen Moment. Dann seufzte ich ergeben "Na schön".
Ich setzte mich hinter ihm auf sein Fahrrad. Carlo fuhr los. Plötzlich war ich unendlich dankbar für mein gutes Gleichgewicht, nichts destotrotz, hielt ich mich an ihm fest.
In diesem Moment hatte ich das Gefühl, als wären wir schon ewig befreundet.
Luc war schneller als Carlo, er fuhr die ganze Zeit vor und zurück.
Zuerst sammelten wir Olli ein, der gerade dabei war sein Fahrrad aus der Garage zu holen.
Dann kamen wir an Fabis Haus vorbei. Sie saß am Straßenrand, auch ein Fahrrad neben ihr.
"Was hat den so lange gedauert! Habt ihr etwa einen Kuchen gebacken, oder euch einfach noch einen runtergeholt?"
Sie drückte Olli einen schnellen Kuss auf den Mund und stieg dann auf ihr Rad.
,,Sind die zusammen?" fragte ich Carlo.
"Ja, ich hab doch gesagt, dass du dich nicht an Olli ranmachen sollst." sagte er und wir fuhren wieder los.
"Wie soll ich das denn so verstehen!" Beinahe hätte ich meine Augen verdreht.
"Ich habe auch gesagt dass Fabi sonst eifersüchtig wird." fügte der Idiot, der vor mir auf dem Fahrrad saß, hinzu. Jetzt verdrehte ich doch die Augen.
"N'bisschen Klatsch hat noch niemandem gestört..." brummte ich.
Ich konnte spüren wie Carlos Brustkorb vibrierte als er leise lachte.
"Na schön" sagte er "Sie sind seit nem' halben Jahr zusammen - oder so. Aber wenn du genaues wissen willst, musst du Fabi fragen. Ich halt mich aus solchen Dingen raus."
"Hmm"
Wir kamen an der Schule an.
Ich stieg von Carlos Fahrrad und die kleine Truppe schloss ihre Fahrräder an. Fabi war als erste wieder neben mir.
"Alles gut?" fragte sie mich.
"Ja, wieso fragst du?"
"Du siehst so nachdenklich aus..."
Ich lächelte leicht. "Bin nur müde."
Ich konnte ihr ja schlecht sagen dass ich über sie und Olli nachdachte.
Dann kam auch schon der Rest - wenn man ihn denn so nennen wollte.
"Wo ist Jojo?" rief Fabi plötzlich.
Er fehlte? Hatte ich noch gar nicht bemerkt. Carlo zuckte mit den Schultern.
"Weg" sagte Luc.
"Wie weg?" fragte Fabi irritiert.
"Ich weiß ja, dass Frauen nicht von allzu großer Intelligenz gesegnet sind, aber wenn ich sagte weg - dann meine ich weg. In einem Moment war er da, im nächsten nicht mehr."
"Entschuldigung das ich gefragt hab'!" fauchte Fabi und stürmte in die Schule hinein.
"Alter!" sagte Olli und sah Luc an.
"Es war doch nur ein Scherz. In der Pause hat's sich wieder." meinte Luc.
Daraufhin seufzte Olli nur und ging Fabi hinterher in die Schule.
Ich, Carlo und Luc folgtem ihn.
Im Jahrgangsflur trennten sich unsere Wege. Luc verschwand in eine, ich und Carlo in eine andere Klasse. Olli hatten wir längst aus den Augen verloren.
Wir hatten uns kaum hingesetzt, da kam ein mir unbekannter Lehrer durch die Tür.
"Guten Morgen" rief er gut gelaunt
"Guten Morgen, Herr Schmidt" rief die Klasse im Chor.
Herr Schmidt, also. Wie konnte ein Mensch am Morgen nur so gute Laune haben? Vor allem als Lehrer?
"Du bist also das neue Mädchen?" wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich bemerkte das Herr Schmidt mich ansah. Langsam nickte ich. "Lisa"
"Schön" sagte er fröhlich und nahm seinen Blick von mir.
Die Unterrichtsstunde verlief mindestens genauso langweilig, wie am Tag zuvor. Warum unterrichteten die Lehrer an dieser Schule nur einen so trockenen Stoff?
Als es schließlich zur Pause klingelte, hätte es nur noch ein paar Minuten gebraucht, und ich wäre eingeschlafen.
Ich brauchte mindestens noch eine Minute um wieder wach zu werden, bevor ich auch nur daran denken konnte meine Sachen zusammen zu räumen. Carlo und ich verließen - schon wieder - als letztes die Klasse.
Wir trafen quasi direkt auf Luc, Olli und Fabi.
"Hat sich Monsieur Lieb wieder blicken lassen?" fragte Carlo Fabi.
"Nein, er hat geschwänzt." Fabi zuckte die Schultern. Scheinbar hätte sie eben zusammen mit ihm Unterricht gehabt.
Daraufhin sagte keiner mehr was dazu.
Wir gingen gemeinsam nach draußen, an dem selben Platz, an dem wir gestert auch gestanden hatten. Scheinbar war das sowas wie ihr Stammplatz.
"Ist der Unterricht hier immer so extremst langweilig?" unterbrach ich das Schweigen.
Olli grinste breit "Du hattest gerade erst eine Kostprobe."
"Was meinst du damit?"
"Du wirst schon sehen..." murmelte Olli.
"Aber -" sagte Luc "- dafür sind die Pausen entsprechend lang."
Fabi lachte "Heißt es kann bis zur nächsten Stunde noch viel passieren..."
Davon dass Fabi am Morgen wütend in der Schule verschwunden war, war nichts mehr zu spüren. Offensichtlich hatte Luc recht gehabt als er sagte 'in der Pause hat's sich wieder'.
"Habt ihr mich vermisst?" sagte plötzlich jemand hinter mir.

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