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"She's gonna forever say "I got this" even with tears in her eyes."

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Schleppend zogen sich die nächste Wochen dahin. Langsam gewöhnte ich mich auch an die neue Umgebung und die Leute. Zwar sprach ich mit den Meisten nicht, bemerkte aber dennoch die neugierigen und mitleidigen Blicke der anderen Schüler. 

Zwei bis drei Lehrer trauten sich sogar mich auf meine momentane Situation anzusprechen und mir ihr Beileid zu bekunden. Natürlich verstünden sie, wenn ich mal nicht mitarbeitete oder meine Hausaufgaben vergaß, schließlich sei es "nicht ganz leicht, so ganz ohne Eltern zu Leben.". Statt ihnen mitzuteilen, dass sie mich damit in Ruhe lassen sollen, lächelte ich freundlich, bedankte mich bei Ihnen für die Beileidsbekundungen und versicherte Ihnen, dass ich mir sehr viel Mühe geben werde mitzuarbeiten und Hausaufgaben pünktlich abzugeben. 

Immerhin hatte ich dafür die Nächte Zeit, denn an Schlaf war immer noch nicht zu denken. Zwei, drei Mal kapitulierte mein Körper aufgrund der Belastung und versetzte mich in eine Art komatösen Schlaf. Die Energie, die er dadurch ein Stück weit regenerierte, ließ mich dennoch fühlen als wäre ich von vier Bussen überfahren worden um anschließend nochmal wiederbelebt zu werden. Das einzig Positive daran war, dass ich Mia und Lucy beruhigen konnte, die sich immer mehr Sorgen machten und überlegten mich in eine Einrichtung zu stecken, um meine "depressive und lethargische" Phase bewältigen zu können. Mein Bruder, der die Idee übrigens super fand, hatte sich in der Zeit eine Wohnung gesucht, die zwei Straßen entfernt lag. Laut seiner Aussage, diente dies nicht dafür mich zu bewachen und zu kontrollieren, sondern dazu, dass er Näher an seiner Arbeitsstelle sei. Komischerweise war sein Arbeitsweg von 8 Kilometern auf 15 angestiegen, aber ich sollte mich nicht beschweren. 

Mason war immerhin der einzig Lebendige von meiner leiblichen Familie bis auf meine Tante Abigail, die mich nicht sonderlich leiden konnte. Sie kündigte an, dass sie uns in nächster Zeit besuchen würde, um zu überprüfen, dass wir auch nicht schwänzten und sorgfältig für unsere Zukunft lernten. Sie war strikt dagegen, dass ich mit Lucy und Mila zusammenzog, stattdessen kam ihr in den Sinn, dass ich ja auf ein Internat gehen könne, um mehr Struktur und Disziplin in mein Leben zu bringen. Ein Glück hatte Mason die Verantwortung für mich, solange ich nicht mein 21. Lebensjahr  vollendet hatte. Das stellte mich vor ein neues Problem, denn mein geliebter Bruder nahm seine Aufgabe als Vormund ernster als gedacht. 

Er erklärte mir, dass er für mich da sei und wir über Alles sprechen könnten. Um sicher zu gehen, dass ich genügend aß und pünktlich zur Schule ging, kam er jeden Abend oder Nachmittag vorbei. Zufällig hatte er zu jedem unangemeldeten Besuch etwas zu Essen dabei. Egal ob gesund oder ungesund. Manchmal Burger, um mich dazu zu Bewegen eine vollwertige Mahlzeit zu mir zu nehmen oder einfach nur Gummibärchen. Penibel achtete er darauf, dass ich die Lebensmittel vollständig mit ihm verspeiste. Dabei fielen oft Sätze, dass ich mit ihm über Alles sprechen könne, egal wie banal es mir erschien. Schließlich sei er mein Bruder und immer für mich da. Anders als Lucy und Mila sprach er mich jedoch nie konkret darauf an, wie es mir ginge oder was los sei. Ich liebte diese Art an ihm, versuchte er doch nur mir zu vermitteln, dass er da war und mich auffing, wenn ich fiel. Diese subtile Art mir zu zeigen, dass er sich sorgte, war  deutlich angenehmer als die Versuche der Anderen. 

Mein Bruder und ich hatten diese spezielle Art der Verbindung schon seit wir klein sind. Wir verstanden uns fast immer ohne Worte, die kleinsten Zeichen gaben uns immer Auskunft über die Gefühle des Anderen. Das ihm das momentan schwer fiel, bemerkte ich, da er verstärkt versuchte jede kleine Regung und Aussage von mir zu deuten. Oft erwischte ich ihn dabei, wie er abwechselnd grübelnd in die Luft und dann zu mir starrte. Wenn ich ihn fragte, worüber er nachdachte lächelte er traurig und sagte mir, dass er mich lieb habe. 

KaitlynWo Geschichten leben. Entdecke jetzt