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„Staying busy is like a drug because you're distracting yourself from your feelings and giving yourself no time to feel what you need to feel." -Chris Michaud
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Ich rannte. 

Ich rannte weg.

Einfach weg.

Weg vor meinen Gefühlen, meinen Gedanken und der Situation. 

Weg vor all den Problemen, vor den Diskussionen und den besorgten und erschrockenen Blicken. 

Weg vor Mason, vor Lucy, Mila und den Anderen, die anscheinend Alles von dem lautstarken Streit mit meinem Bruder mitbekommen haben. 

Ich wusste nicht wie lange ich bereits rannte, doch mein Körper signalisierte mir klar, dass er nicht bereit dazu war. Meine Lunge und mein Hals brannten, mein Mund war staubtrocken und meine Beine brannten wie Feuer, doch ich rannte weiter. Immer weiter weg von meinem neuen zu Hause, meinen Freunden und meiner Familie. Das einzig Positive an meiner Flucht war, dass mein Körper keine Kraft mehr dazu hatte mich mit schmerzhaften Gefühlen zu bombardieren, noch dazu in der Lage ist eine Panikattacke zu erleiden. 

Ein Nachteil an meiner Flucht ist jedoch, dass ich jetzt erst bemerkte, dass ich mich in der Gegend wenig bis gar nicht auskannte und somit nicht wusste, wo ich mich gerade befand. Meine Beine wurden immer langsamer bis ich zum Stehen kam und meine Hände erst einmal auf meine Knie stützte. Zwar war ich durch das Tanzen relativ gut in Form, aber hatte mein Körper weder Energiereserven, noch hatte ich die letzten Wochen wirklich Sport getrieben. Schnaufend richtete ich mich auf und blinzelte die schwarzen Punkte in meinem Sichtfeld weg.

Und erst jetzt realisierte ich, wohin mein ermüdeter Körper mich in meinem Wahn gebracht hat. Ich blickte auf den hellen Sand vor meinen Füßen und spürte die restlichen Sonnenstrahlen des Tages auf meiner blassen Haut. Und seit Wochen hatte ich endlich wieder das Gefühl, dass ich Atmen könne. Genießend atmete ich ein und reckte mein Gesicht der Wärme entgegen, die die Sonne von sich gab. Das Rauschen des Meeres und der sanfte Wind, gemischt mit dem Gesang der Vögel, übermannte mich mit einem Gefühl der Ruhe. Frieden breitete sich in mir aus, entspannt schlossen sich meine müden Augen und ich atmete die frische, salzige Luft des Wassers vor mir ein. 

Anscheinend wusste mein Körper was er brauchte. Diesen Platz hatten wir vor zwei Wochen mit den Anderen angeschaut, zum Baden war es zwar zu kalt, aber die harmonische Atmosphäre war angenehm zu empfangen. Dieser Platz lud dazu ein, die Welt für ein paar Augenblicke zu vergessen und sich dem Gefühl der Stille hinzugeben. 

Langsam öffnete ich meine Augen und blickte auf das tiefblaue Wasser des Meeres vor mir. Fest entschlossen zog ich mir meine Schuhe und meine Socken aus und ging wenige Schritte durch den leicht warmen Sand. Vorsichtig setzte ich mich hin und blickte den Wellen dabei zu, wie sie das Licht der Sonne brachen und an den, sich links und rechts befindlichen, Klippen zu zerschellen.  Der dabei erklingende Ton hatte, komischerweise, eine beruhigende Wirkung auf mich, spiegelte er doch das Chaos in mir drinnen wieder. 

Lächelnd schloss ich erneut meine Seelenspiegel und ließ diese Stille auf mich wirken. 

Und plötzlich spürte ich wie das salzige Wasser erneut an diesem Tage meine Wangen herunterrann und mich tiefe Schluchzer erfüllten. Mein Lachen verzog sich zu einem stummen Schrei. Einem Schrei vor Schmerzen, die in meinem Inneren wüteten und sich anfühlten als würde jemand mit Hammer und Meißel versuchen meine sorgfältig errichteten Mauern zu zerstören. Es tat so weh und doch tat es so unglaublich gut, diese Gefühle am ganzen Leib zu spüren und von ihnen durchgerüttelt zu werden. Der Wind wehte durch meine schlampig zusammengebundenen Haare und gab mir das Gefühl, meine Mutter und mein Vater würden versuchen mir mitzuteilen, dass sie da wären. Auch, wenn ich sie nicht sehen, spüren oder riechen konnte, sie würden da sein. Bei jeder wichtigen und unwichtigen Entscheidung. 

Mein Körper bebte, die Tränen verließen in Sturzbächen meine Augen und meine Lunge versuchte zittrig die angenehme Luft zu inhalieren. Mein Blick hob sich und ich blickte verzweifelt in den Himmel, in der Hoffnung ich könnte etwas sehen. Ein Zeichen, dass meine Eltern hier wären, doch das waren sie nicht. 

"Wieso? Wieso seit ihr gegangen und habt mich allein gelassen?!", meine Stimme brach. Verzweifelt griff ich in meine Haare und schluchzte. Ich wollte schreien und doch verließ kein Ton mehr meinen Mund. Traurig musste ich mir eingestehen, dass sie mir nicht antworten würden können. 

"Sie haben dich nicht allein gelassen."

Erschrocken zuckte ich zusammen und wischte mir die Tränen aus meinem Gesicht. Schnell versuchte ich meine undurchdringbare Maske wieder zu errichten, meine Gefühle zu verstecken und das Zittern meines Körper zu unterbinden. Umso mehr ich mich konzentrierte, umso mehr spürte ich, wie kalt und wie durchgefroren ich mittlerweile war. Zitternd schlug ich meine Arme um meinen Oberkörper und versuchte die Kälte, die sich in meinen Körper geschlichen hat zu vertreiben. 


KaitlynWo Geschichten leben. Entdecke jetzt