Langsam wachte ich auf, blinzelte mehrmals um meinen Blick scharf zu stellen, dann nahm ich mein Handy und sah auf die Uhr: 09:34 Uhr. Schnell ließ ich die Bildschirmsperre wieder an gehen um nicht mehr von dem Licht des Displays geblendet zu werden. Ich stand auf und zog mir meine Sachen wieder an, die ich einfach auf dem Boden hatte liegen lassen. Danach ging ich aus dem Zimmer und versuchte mich zu orientieren. Wo hatte Haru mich überall durch geführt? Etwas Ratlos ging ich los, durch sämtliche Gänge und fand mich irgendwann tatsächlich in der großen Eingangshalle wieder. Keiner kam mir entgegen, bis jetzt. Langsam öffnete ich die Tür zur Küche und lugte hinein. Keiner da. Ich ging rein und schloss die Tür hinter mir. Danach öffnete ich jegliche Schränke die vorhanden waren um nach etwas 'essbarem' zu suchen. Schließlich fand ich nichts was für mich Infrage kam und setzte mich auf die Theke, auf der ich bis eben noch mit den Knien hockte um ans oberste Fach eines Hängeschrankes zu kommen. Nach einigen Minuten rutschte ich nach vorne und landete leise auf den Fliesenboden, dann verließ ich die Küche und ging durch die Gänge um mein Zimmer wieder zu finden. Da ich die Orientierung einer Erdnuss hatte, verlief ich ein bisschen in dem großen Gebäude. Ich hatte beschlossen demnächst mal anzusprechen, dass ein Plan des Gebäudes ganz nützlich wäre. Gerade als ich das Gefühl hatte, weiter von meinem Zimmer entfernt zu sein als irgendwann vorher, hörte ich leise eine Melodie spielen. Ich ging dem nach und stand vor einer Tür die in einem Flur lag, der irgendwie viel weiter von anderen Gängen entfernt war. Es war ein Piano. Leise öffnete ich die Tür, das Piano stand seitlich zu mir, sodass ich sowohl die Tasten als auch den Spieler sehen konnte. Haru hatte seine Augen geschlossen und seine Hände schienen über die Klaviertasten zu schweben. Es war so gefühlvoll das ich eine Gänsehaut bekam. Ich hörte noch eine ganze Weile zu, sagte nichts und gab auch sonst keinen Mucks von mir. Ich lehnte mich an dem Türrahmen an und beobachtete ihn. Es war so, als würde er seine inneren Gefühle einfach hinaus spielen. Er sah frei aus. Ich lächelte. Es war ein schönes Gefühl wenn nicht nur ich mich durch Musik frei fühlte. Er beendete das Stück, öffnete die Augen und holte einige Noten aus einem Ordner. Er bemerkte mich nicht. „Es war sehr schön." sagte ich und ging langsam auf ihn zu. Er sah mich kurz überrascht an, lächelte dann aber leicht ohne etwas zu sagen. Ich stellte mich seitlich hinter ihm hin und sah über seine Schulter. „Ist das von dir?" ich sah auf die unter anderem auch durchgestrichenen Noten auf den Zetteln. „Ja." sagte er und sah zu mir hoch. „Es ist aber noch nicht fertig." fügte er hinzu. „Achso." ich lächelte. Er rutschte auf der kleinen Bank vor dem Musikstück etwas nach links und klopfte 2 mal kurz auf das Polster. Ich setzte mich neben ihn, wir saßen sehr dicht nebeneinander. „Wieso bist du hier?" fragte ich ohne ihn anzusehen. „Hier?" ich spürte seinem Blick auf mir. „Beim Schwarzen Schwur." sagte ich noch immer weg sehend. Er schwieg für eine Weile. „Ich bin hier, weil ich hier sein wollte, damals schon." ich sah ihn an. „Damals? Wie lange bist du denn schon hier?" er wich meinem Blick aus. „Seit ein paar Jahren, 5 ungefähr." „Und wie alt bist du?" ich war neugierig. „18 und du?" „Ah..ich bin 17." wieder schwiegen wir. Ich wollte vieles mehr über ihn erfahren, wollte ihn jedoch nicht mit irgendwelchen Fragen belästigen, zumal wir uns eigentlich gar nicht kannten. Mein Blick schweifte über die Zettel und ich las die Überschrift: 'Dear Mom'. Ob sie gestorben war? Ich sah wieder zu ihm, sah ihm in die Augen, als würden sie mir die Antwort geben. Seine Augen waren nicht wie am Anfang, nicht kalt oder herabwürdigend. Sie waren voller Trauer, dazu lächelte ein trauriges aber sanftes Lächeln. Es war unglaublich schön.