Carolines POV:
Langsam kam sie wieder zu sich. Um sie herum war es immer noch dunkel und neue Panik durchflutete sie. War sie etwa immer noch in diesem schrecklichen Raum? Ertrank sie immer noch in einem Meer aus Spinnen?
Vorsichtig streckte Caroline sich. Keine wuselnden Leiber, die plötzlich in Aufruhr gerieten und anscheinend hatte sie auch wieder völlige Bewegungsfreiheit. Also war sie nicht mehr in ihrem persönlichen Alptraum gefangen.
Kurz hoffte Caroline, dass das Ganze vielleicht doch nicht mehr war: Ein Alptraum. Doch sie begrub ihre Hoffnungen wieder, als sie sich langsam aufrichtete und deutlich spürte, welche Spuren die Folter hinterlassen hatte.
Zum einen brannte ihre Kehle. Ihr letzter Blutbeutel war schon länger her und die körperlichen Strapazen hatten auch ihr übriges getan. Carolines Haut spannte und schmerzte leicht, wie bei einem Sonnenbrand. Außerdem fühlte sie immer noch am ganzen Körper, wie die Spinnen in dem winzigen Raum über sie hinweg krabbelten. Allein bei der Erinnerung daran, durchfuhr sie ein Schauder. Eilig kam sie auf die Füße und versuchte sich zu beruhigen.
Es ist vorbei, Caroline. Da sind keine Spinnen, das bildest du dir nur ein. Dennoch, ihr Atem wurde angestrengter und die ersten Anflüge von Panik kamen. Ihre Augen huschten hektisch durch die Dunkelheit, auf der verzweifelten Suche nach einer Lichtquelle. Sie brauchte dringend Licht, um sich so davon zu überzeugen, dass hier keine einzige Spinne mehr war, sonst würde sie durchdrehen.
Caroline ließ sich auf alle Viere nieder und tastete in der Dunkelheit herum. Der Boden unter ihr war kalt und rechts von ihr schien ein Stuhl zu stehen. Allerdings konnte das kein gewöhnlicher Stuhl sein, denn an den Stuhlbeinen fühlte sie Metall. Als ihre tastenden Finger das kalte Material streiften, zuckte sie zurück.
Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder, sie befand sich wieder in „ihrem" Zimmer und dies war der Stuhl, auf dem Marcel sie nach oben transportiert hatte, oder sie war immer noch in dem Folterzimmer, genau in der Mitte zwischen dem Folterstuhl und der Little-Ease-Kammer.
Prüfend tastete Caroline die Metallfesseln ab und stellte fest, dass diese noch intakt waren. Sie befand sich also in der Folterkammer. Unwillkürlich wich sie in die Richtung zurück, in der sie den Stuhl ertastet hatte. Sie wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Little-Ease-Kammer bringen. Womöglich waren ein paar Spinnen entkommen, als Marcel – sie vermutete, dass er es gewesen war – sie dort rausgeholt hatte. Die Vorstellung, dass hier irgendwo ein paar Vogelspinnen rumkrabbelten, ließ Caroline prompt wieder in Hysterie verfallen. Das vorhin Erlebte hatte seine Spuren hinterlassen und Care war sich nicht sicher, ob sie sich jemals wieder in einem kleinen Raum aufhalten könnte oder überhaupt in absoluter Dunkelheit. Dass sie bis jetzt noch nicht durchgedreht war, schrieb sie dem Schock zu, vielleicht auch dem Adrenalin, das immer noch durch ihren Körper gepumpt wurde.
Doch nun, da Caroline wusste, wo sie sich befand, konnte sie auch ungefähr einschätzen, wo sich der Lichtschalter befinden musste. Sie blendete aus, dass ihre tastenden Hände jederzeit auf eine am Boden kauernde Spinne treffen konnten und krabbelte tapfer weiter in die Richtung, in der sie die Tür vermutete.
Kurz darauf ertastete sie vor sich eine Wand. Erleichtert, nicht mehr auf dem Boden herumrutschen zu müssen, zog sie sich daran hoch und tastete sich an ihr entlang, bis sich das Material unter ihren Fingern veränderte.
Vor Erleichterung hätte Caroline fast aufgeschluchzt. Die Tür. Der Weg hinaus aus dieser Hölle. Ohne zu zögern schlossen sich ihre Finger um die kalte Türklinke und drückten sie hinunter. Fast hatte sie erwartet, die Tür verschlossen vorzufinden, so wie jeden Fluchtweg, den sie bis jetzt ausprobiert hatte, doch ohne Schwierigkeiten schwang die Tür auf und Caroline stürzte praktisch in das angrenzende Zimmer. Kaum hatte sie die Schwelle überquert, schlug sie die Tür auch schon wieder zu und trat einen Schritt zurück. Voller Abscheu dachte sie an den furchtbaren Raum, der dahinter lag. Nie wieder wollte sie dahin zurück und wenn Marcel sie das nächste Mal dort reinstecken wollte, würde sie sich mit Händen und Füßen wehren, so viel stand fest.
Caroline wandte sich ab. Als erstes würde sie dem Badezimmer einen Besuch abstatten. Sie wollte sich den Angstschweiß vom Körper waschen und inspizieren, inwieweit ihre Haut von der Sonne Schaden genommen hatte. Außerdem bestand die Chance, dass Marcel eventuell gelogen hatte und es doch Fenster in dem Raum gab, durch die sie diesen Ort hier verlassen konnte. Und wenn nicht, blieb ihr hoffentlich genug Zeit, um zu überprüfen, ob Davinas schlechtes Gewissen inzwischen eingesetzt hatte und möglicherweise die Barrieren um ihr Zimmer herum verschwunden waren.
Etwas beruhigt, da sie nun einen Plan und auch ein bisschen Hoffnung hatte, machte Caroline sich auf den Weg zum Badezimmer, wobei sie über den Folterstuhl hinweg stieg, der immer noch am Boden lag. Doch kaum hatten ihre Finger die Klinke berührt, flog die Tür zu ihrem Zimmer auf und erschrocken drehte sie sich um. Marcel lehnte im Türrahmen und lächelte überlegen.
„Na, ausgeschlafen, Dornröschen?", fragte er spöttisch. „Die Spinnen waren wohl doch etwas zu viel des Guten, du hast ständig gewimmert und um dich geschlagen, als ich dich aus der Kammer geholt habe."
Abwartend sah er sie an, doch Caroline schwieg. Ihre Augen huschten zwischen ihm und der Tür hin und her und niedergeschlagen musste sie sich eingestehen, dass es wohl keinen Zweck haben würde, einen weiteren Fluchtversuch zu starten. Selbst, wenn die Barrieren auf wundersame Weise verschwunden wären, stünde immer noch Marcel zwischen ihr und der Freiheit. Sie war zu schwach, um lange vor ihm davon zu rennen, außerdem kannte sie sich im Gegensatz zu ihrem Peiniger in dem Gebäude nicht aus. Er würde sie schnappen, bevor sie auch nur einen Fuß hinaus setzen konnte, ganz zu schweigen von ihrem derzeitigen Problem mit der Sonne.
Sie würde wohl darauf vertrauen müssen, dass Klaus kommen und sie retten würde. Ihre angespannte Haltung fiel in sich zusammen und sie senkte den Blick.
Marcel lachte ungläubig auf. „Sag mir nicht, du hast schon aufgegeben, Caroline." Er flashte vor sie und betrachtete sie eingehend. „Bei so einer Kämpfernatur wie dir hätte ich erwartet, dass es lange dauert, dich zu brechen. Eigentlich schade, dein Trotz hat wenigstens etwas Schwung in die Sache gebracht."
Seine Worte machten sie wütend. Er hatte Recht, sie war eine Kämpfernatur und es passte ganz und gar nicht zu Caroline Forbes, jetzt einfach das Handtuch zu werfen und alles still über sich ergehen zu lassen. Sie sollte es diesem Bastard nicht so leicht machen.
Als sie nichts erwiderte, lächelte Marcel triumphierend und hob eine Hand, um ihr über die Wange zu streichen. Das war zu viel. Zornig schlug Caroline sie weg, bevor sie ihn mit einer Hand an seiner Kehle an die Wand nagelte und mit ihrem Vampirgesicht fauchte: „Wage es nie wieder, mich so anzufassen!"
„Denkst du nicht, du bist in der falschen Position, um Forderungen zu stellen?", fragte Marcel spöttisch, bevor er sich aus ihrem Griff befreite und sie einmal quer durch den Raum schleuderte. Caroline knallte gegen die Wand und für einen Augenblick wurde ihr schwarz vor Augen. Während sie versuchte, die schwarzen Flecken aus ihrem Gesichtsfeld zu vertreiben, ging Marcel seelenruhig an ihr vorbei in das Folterzimmer. Sie hörte ein metallisches Scheppern durch das Hämmern in ihrem Kopf hindurch.
Stöhnend setzte sie sich auf. Der Raum drehte sich und eine Welle der Übelkeit schwappte über sie hinweg. Kurz dachte sie, sie müsste sich übergeben, doch dann legte sich der Schwindel wieder. Ihr Atem ging rasselnd, als sie sich, immer noch sitzend, gegen die Wand lehnte und kurz ihre Körperfunktionen prüfte. Ihr linker Arm war anscheinend gebrochen, an der Schläfe hatte sie eine Platzwunde, dazu kam höchstwahrscheinlich auch noch eine Gehirnerschütterung. Außerdem hatte der Aufprall aus der Wand ein paar Bruchstücke gelöst, die sich in ihren Rücken und ihre linke Seite gebohrt hatten.
Schwer atmend zog Caroline sie heraus, wobei sie darauf achtete, nicht an ihren linken Arm zu kommen.
Dann lehnte sie sich mit geschlossenen Augen zurück, darauf wartend, dass die Heilung einsetzte. Doch aufgrund ihres Blutmangels schlossen sich nur ein paar Kratzer, die die Qualen auch nicht wirklich erträglicher machten.
Marcel kam wieder aus der Folterkammer, in seiner Hand hielt er etwas. Caroline konnte nicht genau erkennen, was es war, ihre Sicht war ziemlich unscharf geworden und sie fürchtete, gleich wieder ohnmächtig zu werden.
Der König von New Orleans blickte auf sie herab. „Das sieht ja gar nicht gut aus, Caroline. Ich glaube nicht, dass du noch lange durchhältst und normalerweise würde ich das Schicksal einfach seinen Lauf nehmen lassen, aber ich habe noch etwas mit dir vor, bevor Klaus' Frist abgelaufen ist. Außerdem hätte ich mit deinem Ableben kein Druckmittel mehr und das wäre wirklich sehr ärgerlich." Seine Stimme wurde zunehmend dumpfer und hallte in ihrem Kopf immer mehr. Carolines Lider wurden schwer und sie hörte praktisch, wie ihr Herzschlag langsamer wurde.
Plötzlich stieg ihr ein unverkennbarer Geruch in die Nase und schlagartig war sie wieder wach. Ihr Vampirgesicht trat hervor und die aufkommende Gier verschaffte ihr einen solchen Energieschub, dass sie zu schnell für das bloße Auge aufsprang und sich auf Marcel stürzte, der in seinen Händen die Quelle des Geruchs hielt. Ein Blutbeutel.
Doch Marcel hatte mit ihrem Ausbruch gerechnet und hielt den Beutel außerhalb ihrer Reichweite, während er gleichzeitig sie auf Abstand hielt. „Nicht so voreilig, Süße. Ich kann dir keinen ganzen Beutel auf einmal geben, sonst würdest du doch nicht mehr denselben mitleiderregenden Anblick wie jetzt abgeben und dann könnte ich Klaus nicht mehr so gut erpressen." Aus seiner Hosentasche holte er einen etwas eingedrückten, winzigen Plastikbecher hervor, den er zur Hälfte mit der roten Flüssigkeit füllte, nach der es Caroline so sehr verlangte. Er hielt ihn ihr hin und sie riss ihm den Becher praktisch aus den Händen.
Während sie den Inhalt hinunterstürzte, fuhr er fort. „Das hier sollte reichen, um dich temporär nicht austrocknen zu lassen. Allerdings ist es nicht genug Blut, um die Spuren deines Aufenthalts hier zu beseitigen. Wenn überhaupt schließen sich noch ein paar Kratzer."
Caroline hatte den Becher inzwischen bis auf den letzten Tropfen geleert und ihre Augen huschten zu dem Blutbeutel in seinen Händen. Er musste nur einen Moment unaufmerksam sein...
Marcel bemerkte ihren Blick und hielt er den Beutel von ihr weg. „Denk nicht einmal dran."
Plötzlich schoss er auf sie zu und Caroline hatte gerade noch Zeit, überrascht auf zu schreien, als sie etwas Spitzes an ihrem Hals spürte.
Marcel trat einen Schritt zurück und erst jetzt sah Caroline die inzwischen leere Spritze in seinen Händen. Es war eine von denen aus der Folterkammer, nur ob sie mit Eisenkraut oder der unbekannten Flüssigkeit gefüllt gewesen war, konnte sie nicht sagen.
„Was ist das?", keuchte sie überrascht und führte unwillkürliche eine Hand an die Einstichstelle an ihrem Hals.
Ein böses Lächeln breitete sich auf Marcels Gesicht aus. „Werwolfgift."
Carolines Augen weiteten sich ängstlich. Marcel sah es und fügte hinzu: „Keine Sorge, du wirst nicht sofort sterben und von Minuten zu Minute schwächer werden, wo bliebe da der Spaß? Nein, Davina hat den Inhalt dieser Spritzen ganz besonders verzaubert. Das Gift wirkt viel langsamer als normalerweise, also wirst du die ersten paar Stunden nur Halluzinationen haben und schwächer werden, lebensgefährlich wird es für dich erst nach ungefähr acht Stunden." Er warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Obwohl, bei deinem momentanen Zustand könnte dieser Zeitpunkt auch früher eintreten als geplant. Wollen wir einfach hoffen, dass Klaus sich einsichtig zeigt, bevor du stirbst."
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Zimmer. Kaum war er draußen, sackte Caroline in sich zusammen. Betäubt zog sie die Knie an ihren Körper und schlang die Arme darum. Werwolfgift. Sie war oft genug damit infiziert worden, um zu wissen, wie schlimm die Qualen, die auf sie zukamen, werden würden. Tränen stiegen ihr in die Augen und ein ersticktes Schluchzen verließ ihren Mund. Caroline presste die Lippen zusammen, legte die Stirn auf die Knie und weinte lautlos, während ihr Körper von unterdrückten Schluchzern geschüttelt wurde.
„Caroline." Ruckartig hob sie ihren Kopf und versuchte, durch den Tränenschleier vor ihren Augen etwas zu erkennen. Sie hatte ganz deutlich ihren Namen gehört und zwar von einer ihr sehr bekannten Stimme.
Ihre Augen huschten durch den Raum, auf der Suche nach der Person, der die Stimme gehörte und ihr Blick blieb an der immer noch offenen Tür hängen, in deren Rahmen eine schlanke Gestalt stand.
„Elena?", fragte Caroline mit tränenerstickter Stimme und die Brünette löste sich von der Tür, um mit schnellen Schritten auf sie zuzueilen.
„Hey, Care", murmelte sie leise, als sie bei ihr angelangt war und nahm sie in den Arm. „Wer hat dir das angetan?"
„Marcel", antwortete Caroline und schluchzte erneut auf. „E-er hat mich gefangen genommen, weil... ich und Klaus..." Ein erneuter Weinkrampf schüttelte sie und Elena umarmte sie fester.
„Oh Süße... Es wird alles gut, das verspreche ich dir."
„Was machst du überhaupt hier?" Caroline sah zu Elena hoch, die bei der Frage erstarrte.
„Na was wohl?", sagte sie dann schließlich mit einem gekünstelten Lächeln. „Ich bin hier, um dir zu helfen." Mit diesen Worten schloss sich ihre Hand plötzlich im Klammergriff um Carolines Oberarm und zerrte sie hoch.
Die Blondine gab ein überraschtes und auch schmerzerfülltes Keuchen von sich und versuchte, sich loszureißen, während ihre Freundin sie durch den Raum zog. „Elena, was soll das?! Lass mich los, oder..." Plötzlich wurde ihr etwas klar und sie begann, sich noch heftiger zu wehren. „Oh mein Gott, Katherine!"
Elena warf ihr über die Schulter einen Blick zu und lächelte sie böse an. „Ich bin nicht Katherine, Caroline. Katherine hat das Heilmittel geschluckt, weißt du nicht mehr? Sie ist also kaum in der Lage, das hier zu tun." Bei ihren letzten Worten trat ihr Vampirgesicht zum Vorschein und sie schleuderte Caroline durch eine Tür, die sie gerade geöffnet hatte. Mit Schrecken erkannte Caroline, dass es Marcels Folterkammer war und mit einem Aufschrei rappelte sie sich wieder auf, um zur Tür zu gelangen. Diese wurde allerdings von Elena versperrt, die die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
Die Brünette legte den Kopf schief und fragte in bester Katherine-Manier: „Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass ich dir deinen Aufbruch aus Mystic Falls so einfach verziehen hätte, oder?" Ihre Augen verengten sich und sie kam langsam auf Caroline zu. „Du hast mich alleine gelassen, Caroline. Als ich dich am meisten gebraucht habe, bist du einfach abgehauen und wozu?" Ihre Stimme hatte sich immer mehr gesteigert und jetzt schrie sie fast. „Damit du hier Klaus' Hure werden kannst!"
Sie schnaubte verächtlich. „Ich kann nicht glauben, dass ich so eine falsche Person wie dich zu meinen besten Freunden gezählt habe, Caroline Forbes."
Inzwischen stand Elena dicht vor Caroline und als braune Augen auf blaue trafen, sah Caroline nichts als Abscheu und Hass in ihnen. „Du bist wirklich das allerletzte", zischte Elena und Caroline zuckte zusammen.
Sie konnte nicht fassen, dass die Person vor ihr tatsächlich Elena war. Elena, das Mädchen, das nie jemandem etwas zu leide tun konnte, das Familie und Freunde über alles stellte, diejenige, die alles verzeihen konnte. Ob sie ihre Gefühle abgestellt hat?, schoss es ihr durch den Kopf.
Elena maß sie noch mit einem letzten, abschätzigen Blick, dann wandte sie sich ab und stolzierte zu der Wand mit den Folterwerkzeugen. „Dann sehen wir doch mal, mit was wir unser Wiedersehen gebührend feiern können." Ihre Hände strichen über die dort aufgereihten Waffen, bis sich ihre schlanken Finger um einen spitzen Holzpfahl schlossen.
„Hey Caroline, weißt du noch, als Alaric als böser Urvampir uns beide in der Schule als Geisel genommen hatte?", fragte sie im Plauderton, während sie den Holzpfahl spielerisch in ihren Händen drehte. „Wenn ich mich recht entsinne", fuhr sie gespielt nachdenklich fort, während sie langsam auf Caroline zuging, „dann hat er dich", sie deutete mit dem Pfahl auf Caroline, „mit Bleistiften in den Händen an den Tisch gefesselt."
Plötzlich holte sie aus und im nächsten Moment sirrte der Holzpfahl mit der Spitze voran durch die Luft, direkt in Carolines Richtung. Diese wich gerade noch rechtzeitig aus und der Pfahl bohrte sich hinter ihr in das Holz der Tür. Erschrocken sah Care zuerst zu dem immer noch zitternden Pfahl und dann zu Elena, die sich jetzt einen der Becher, die randvoll mit Eisenkrautextrakt gefüllt waren, geschnappt hatte. Bevor sie reagieren konnte, schleuderte ihre ehemals beste Freundin das durchsichtige Behältnis in ihre Richtung und Caroline schrie schmerzerfüllt auf, als der Becher vor ihrer Brust in tausend Glasscherben zersprang und das Eisenkraut ihren gesamten Körper benetzte.
Sofort fraß sich die Säure in ihre Haut, die anfing höllisch zu brennen. Elena nutzte den Moment, in dem Caroline von ihren Schmerzen abgelenkt war, um zu der Wand mit dem Graffiti zu flashen. Entschlossen biss sie sich ins Handgelenk und träufelte das austretende Blut in die Mitte des Pentagramms. Wie schon bei Marcel kam der verborgene Mechanismus in Gang und mit einem schweren Ächzen öffnete sich die Tür.
Elena ging wieder zu Caroline, die sich inzwischen das Eisenkraut aus den Augen gewischt hatte und zog sie in Richtung der Tür. Carolines Augen weiteten sich schreckerfüllt, als sie in das schwarze Loch der Little-Ease-Kammer blickte.
„Erinnerst du dich, Caroline?", zischte Elena und schubste sie direkt vor die Kammer. „Kannst du dich an das Gefühl erinnern, als tausend Vogelspinnen über deinen Körper gekrabbelt sind? Nein? Nun, ich helfe deiner Erinnerung nur allzu gerne auf die Sprünge."
Mit diesen Worten wollte sie Caroline hineinstoßen, doch diese hatte sich eine der Glasscherben, die in ihrer Brust steckte, herausgezogen und stach damit zu.
Elena schrie auf, als sich das Glas in ihre Augen bohrte und abrupt ließ sie Caroline los. Diese fackelte nicht lange und stieß die abgelenkte Vampirin mit dem unverletzten Arm in das schwarze Loch vor ihnen. Mit einem Rums knallte sie die Tür zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Elena hatte sich anscheinend wieder gefangen, denn jetzt schlug sie von ihnen gegen die Tür, während sie keifte: „Lass mich raus! Lass mich sofort raus, du dumme Gans!"
Dann hielt sie plötzlich inne und auch Caroline konnte hören, wie das Schaben einsetzte. Sie wich von der Tür zurück und floh mit einem letzten, entschuldigenden Blick aus der Folterkammer.
Wieder in ihrem Zimmer hielt sie sich gar nicht lange auf, sondern eilte direkt auf die Tür, die zum Flur hinaus führte, zu. Sie musste hier raus. Mit ihrem Vampirgehör konnte sie immer noch Elenas gedämpfte Schreie vernehmen und das hielt sie nicht aus.
Kurz vor der offenen Tür zögerte sie. Konnte sie überhaupt raus? War die Barriere verschwunden? Prüfend streckte sie eine Hand aus und zu ihrer Überraschung stieß sie auf keinen Widerstand, als sie sie in den Flur hinaus hielt.
Caroline verlor keine Zeit mehr und schnellte aus dem Zimmer hinaus. Wachsam sah sie sich um. Links und rechts von ihr erstreckte sich ein langer Flur. Links, das wusste sie, war die Eingangshalle mit dem Ausgang, den sie aber, so lange es hell war, nicht benutzen konnte. Außerdem war in der Halle das Risiko, von Marcel entdeckt zu werden, viel größer. Caroline wandte sich also nach rechts, wo der Flur nach einigen Metern um eine Ecke verschwand.
Leise schlich sie durch das Haus, immer wieder innehaltend, um auf etwaige Verfolger zu lauschen. Plötzlich schnappte sie ein leises Stöhnen auf und überrascht blieb sie stehen. War da etwa noch ein Gefangener?
Das Stöhnen ertönte erneut und ohne noch länger zu überlegen, folgte Caroline dem Geräusch. Schließlich blieb sie vor einer nur angelehnten Tür stehen und nach einem kurzen Moment des Zögerns legte sie ihre Hand auf das Holz. Sofort schwang die Tür auf und Caroline stockte der Atem.
Das erste was sie sah, war Blut. Überall an den Wänden und auf dem Boden fanden sich rote Spritzer, die sich schließlich zu ganzen Pfützen ausbreiteten. In der größten Blutlache lag ein menschenähnliches Wesen. Obwohl die zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden von Blut überströmt und durch eine Vielzahl von Wunden fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt war, erkannte Caroline das Gesicht.
Entsetzt schlug sie sich die Hände vor den Mund. „Stefan", hauchte sie und im nächsten Augenblick kniete sie neben ihm in der Blutlache.
„Ca...ro...line", brachte er fast unhörbar hervor.
„Ich bin hier, Stefan", sagte sie und kämpfte gegen die Tränen an, die sich erneut in ihren Augen gebildet haben. Sie griff nach seiner Hand. „Es tut mir so leid, ich hätte nicht einfach abhauen sollen, ohne zu wissen, wie es dir geht. Und ich hätte mich melden sollen, bitte verzeih mir."
Stefan schnitt eine Grimasse, die wohl ein Lächeln sein sollte, doch durch sein entstelltes Gesicht und den gequälten Ausdruck wirkte es eher wie ein Zähnefletschen. „Schon... okay, Care. Du...hast eben...einfach eine Aus...zeit gebraucht. Ich...versteh das."
Jetzt konnte sie ein kleines Aufschluchzen nicht mehr unterdrücken. Seit Jahren hatte sie ihren besten Freund nicht gesehen, es nicht mal für nötig gehalten, sich nach ihm zu erkundigen und jetzt lag er im Sterben, weil er wahrscheinlich wegen ihr hier war. Und dennoch hatte er ihr verziehen.
Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen und ihren Verstand rational zu gebrauchen. „Okay", sagte sie mit zittriger Stimme. „Ich seh mir an, wie schlimm das hier ist und dann bringe ich uns beide hier raus, in Ordnung?"
„'Kay." Stefans Antwort war nicht mehr als ein gehauchtes Flüstern. Als Caroline die zahlreichen Wunden an seinem Körper näher inspizierte, musste sie schlucken. Seine Haut war rot, angeschwollen und schlug eitrige Blasen. Sie tippte auf ein Eisenkrautbad und als sie mit spitzen Fingern seine nasse Kleidung berührte, bestätigte sich diese Vermutung. Überall hatte er Schnittwunden, die durch kleine Holzsplitter offen gehalten wurden. Außerdem hatte ihm jemand einen Holzpfahl in die Brust getrieben, anscheinend nur haarscharf an seinem Herzen vorbei.
„Okay, Stefan, pass auf, ich werde dir jetzt diesen Holzpfahl rausziehen. Es wird zwar höllisch weh tun, aber danach geht es dir besser, versprochen."
Um seine Zustimmung zum Ausdruck zu bringen, drückte Stefan kurz ihre Hand und biss die Zähne zusammen. Caroline stützte sich mit ihrem gebrochenen Arm auf seine Brust, ihre freie Hand schloss sich um den Pfahl. „Bereit? Eins... zwei..."
Bei Zwei zog sie den Pfahl mit einem Ruck heraus und legte Stefan schnell eine Hand auf den Mund, um sein schmerzerfülltes Brüllen notdürftig zu ersticken.
Gebannt beobachtete sie seine Verletzungen, doch zu ihrer Bestürzung heilte nicht eine einzige. „Verdammt", murmelte sie. „Wir brauchen unbedingt Blut für dich, damit wir hier raus können. Ich weiß, dass Marcel hier irgendwo welches aufbewahrt, vielleicht kann ich es finden."
Stefan antwortete nicht und als sie ihm einen Blick zuwarf, bemerkte sie, dass er kurz vor der Bewusstlosigkeit stand. Seine Augen waren nach oben verdreht und er japste leise nach Luft.
„Stefan hey!" Sie rüttelte so sanft wie möglich an seiner Schulter, sie wollte ihm nicht noch mehr Schmerzen zufügen. „Du darfst jetzt nicht ohnmächtig werden, hörst du? Bleib wach, bleib wach, okay?"
Sie flehte ihn praktisch an, doch Stefan wisperte nur: „Tut... mir... leid...", bevor sich seine Augen endgültig verdrehten und die Lider zuklappten. Verzweiflung machte sich in Caroline breit und sie schüttelte ihn, um ihn wieder wachzukriegen. Blut, sie brauchte unbedingt Blut!
Sie warf einen zögernden Blick auf ihren besten Freund. Konnte sie ihn hier lassen? Unter normalen Umständen hätte sie aufs heftigste dagegen protestiert, doch die Alternative war, einen ohnmächtigen Vampir durch ein ihr fremdes Terrain zu schleifen, während sie selbst nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte war.
In Anbetracht dieser Umstände war es für sie beide am besten, wenn sie ihn hier ließ und das Blut alleine besorgte. Kaum hatte sie diesen Gedanken gefasst, sprang sie schon auf und hastete zur Tür. Sie durfte keine Zeit verlieren, denn wenn Stefan nicht bald Blut bekam... Ihr Bewusstsein versperrte sich vor dem Gedanken und Care begrüßte das. Heute hatte man sie mit ihren schlimmsten Ängsten gefoltert, ihre beste Freundin befand sich auf einem irren Rachefeldzug gegen sie und außerdem würde sie morgen um diese Zeit tot sein, wenn sich Klaus nicht beeilte. Ihre Psyche war sowieso schon durch die ganzen Ereignisse instabil, wenn sie sich jetzt noch mit dem möglichen Tod von Stefan auseinandersetzen musste, würde sie auf der Stelle zusammenbrechen, das wusste sie ganz genau.
In ihre düsteren Gedanken vertieft, bog sie um die Ecke, ohne hochzuschauen und stieß plötzlich mit jemandem zusammen. Sofort machte sie einen Satz rückwärts und ging in Kampfhaltung, bereit, Marcel, Elena oder in wen auch immer sie reingerannt war, in den Arsch zu treten. Doch ihr Kampfgeist verflog, als sie die Person vor sich einer genaueren Musterung unterzog und sie erkannte. Überrascht zuckte sie zurück.
„Matt?" Ihr blonder Ex-Freund sah sie mit unergründlicher Miene an, doch Caroline dachte nicht weiter darüber nach. Tausend Fragen stürmten auf sie ein und bevor sie es verhindern konnte, schossen diese aus ihrem Mund. „Was machst du hier? Bist du mit Elena und Stefan gekommen? Was hast du deiner Verlobten erzählt? Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit dem Übernatürlichen..." Ihr Ansturm wurde je unterbrochen, als Matt wild mit den Händen rumfuchtelte und ihr mit einem wütenden Blick zu verstehen gab, gefälligst die Klappe zu halten. Er tippte sich ans Ohr und machte dann eine Geste, die das gesamte Haus einschloss.
Caroline verstand. Er wollte nicht, dass Marcel mitbekam, dass auch er hier war. Am liebsten hätte sie sich dafür geohrfeigt, dass sie nicht selber daran gedacht hatte und ohne Rücksicht auf Verluste die Namen ihrer alten Clique durch die Gegend brüllte, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für eine wütende Schimpftriade gegen ihre Dummheit.
Sie nickte Matt zu, um ihm zu zeigen, dass sie verstanden hatte und deutete auf das Blut auf ihrem Kleid. Stefan formte sie mit den Lippen und deutete hinter sich.
Matts Augen wurden groß und nachdem er kurz überlegt hatte, bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Die beiden setzten sich so leise wie möglich in Bewegung, bis Matt plötzlich immer schneller wurde und Caroline mehr und mehr Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Verdammt, seit wann war er denn so schnell? War sie tatsächlich so geschwächt, dass der ehemalige Quarterback schneller war als sie? Das war ein Problem, ein riesiges sogar.
Matt, der inzwischen einige Schritte Vorsprung hatte, bog um eine Ecke und Caroline strengte sich an, um so schnell wie möglich zu ihm aufzuschließen. Als sie ebenfalls um die Ecke bog, blieb sie überrascht stehen. Sie stand vor einer steilen, metallenen Wendeltreppe, die nach unten führte und Matt war nirgends zu sehen. Eilig beugte sie sich über das Geländer und konnte gerade noch einen hellblonden Haarschopf verschwinden sehen.
Von der plötzlichen Panik ergriffen, ihn aus den Augen zu verlieren, zapfte Care ihre letzten Kraftreserven an und flashte die Treppe hinunter. Keuchend kam sie unten an und sah, wie eine Tür am Ende des kurzen, breiten Ganges ins Schloss fiel. Sie hastete durch den Flur, riss die Tür auf und schlüpfte hinein, bevor sie, überrascht von dem Anblick, der sich ihr bot, stehen blieb.
Sie stand in einem hohen, weitläufigen Saal, der edel eingerichtet war. Die Vorhänge vor den großen Fenstern waren zugezogen, der Raum wurde nur noch von einigen prachtvollen Kronleuchtern erhellt. Von Matt war keine Spur mehr zu sehen, aber dafür waren eine Menge andere Leute in dem Saal, der Caroline frappierend bekannt vorkam.
Die Leute trugen alle elegante Abendkleidung und Caroline kam sich in ihrem inzwischen ziemlich schmuddeligen Kleid völlig fehl am Platz vor.
Plötzlich ordneten sich die Leute und als Caroline auf der Suche nach Matt prüfend den Blick über die Menge schweifen ließ, entdeckte sie zu ihrem Schrecken mehrere ihr wohlbekannte Gesichter. Da war die vor fünf Jahren verstorbene Carol Lockwood, an der Seite von einem inzwischen vollkommen genesenen Stefan. Sie sah Kol, wie er Amy Fell am Arm führte und Damon, der mit einer noch menschlichen Elena die Tanzfläche betrat. Rebekah, die an der Seite von Matt – inzwischen in einem schicken Smoking – strahlte. Und schließlich sah sie sich selbst, wie sie stur geradeaus blickte, während Klaus neben ihr den Blick nicht von ihr wenden konnte.
Der Mikaelsonball, schoss es ihr durch den Kopf, während sie sich erschöpft gegen die Wand lehnte und verwirrt zusah, wie die Paare den jahrhundertealten Walzer begannen. Es war seltsam sich selbst dabei zuzusehen, wie sie mit Klaus tanzte. Caroline konnte sich noch gut erinnern, wie sich damals die ersten zarten Gefühle in ihr geregt hatten, die sie aber sofort im Keim erstickte hatte, indem sie sich selbst an seine zahllosen bösen Taten erinnerte. Dennoch wusste sie noch ganz genau, dass sie sich bei diesem Tanz für einen winzig kleinen Moment ausgemalt hatte, wie es als die Frau an seiner Seite wäre. Wie sie auf jedem Ball das Paar schlechthin waren und alle Blicke beim Tanzen auf sich zogen. Und jetzt, wo sie sich selber bei dem Walzer zusah, konnte Caroline nicht leugnen, dass sie und Klaus allein von der Optik her schon miteinander harmonierten. Jeder Schritt saß perfekt, so, als hätten sie sich nach jahrzehntelangem Tanzen miteinander perfekt auf den anderen eingestellt.
Versunken betrachtete sie die Szene und verdrehte ab und zu genervt die Augen, wenn sie mal wieder ihren kalten Gesichtsausdruck sah, als plötzlich eine Stimme neben ihr ertönte.
„Schade, dass ich damals nicht dabei sein konnte, dann wäre mir schon viel früher klar geworden, dass ich dich an diesen Bastard verloren hatte."
Erschrockenen drehte Caroline ihren Kopf zur Seite und entdeckte Tyler, der sich mit verschränkten Armen neben sie gestellt hatte und so wie sie gerade eben die tanzenden Paare beobachtete.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu und lächelte sie fies an. „Hi Care."
Caroline war sprachlos und das war für sie eine absolute Seltenheit. Seit Jahren hatte sie Tyler nicht mehr gesehen. Zuerst war er einfach nicht mehr zu ihr zurück gekommen, obwohl er gekonnt hätte und nur wenige Jahre später war sie ebenfalls aus Mystic Falls verschwunden. Matt hatte ihr erzählt, dass Tyler letztes Jahr an ihrem Geburtstag wieder zurückgekehrt war, doch nachdem er erfahren hatte, dass seit Jahren niemand wusste, wo sie sich herumtrieb, war er ebenso schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war.
Und jetzt stand er hier neben ihr, doch er wirkte so anders, als der Tyler, den sie gekannt und geliebt hatte. Sein ganzes Wesen wirkte kälter und in seinen Augen war etwas Stahlhartes und Gewissenloses, was ihr Angst machte.
„Was machst du hier?", brachte sie schließlich heraus. Tyler wandte sich ihr zu und sah sie verärgert an. „Die Frage ist wohl eher, was machst du da?" Er deutete auf die Tanzfläche, wo sie gerade über ein Kompliment von Klaus etwas lächelte.
„Gib es zu, Caroline, du hast mich schon damals mit ihm hintergangen, oder? Kaum war ich weg, hast du dich diesem Arschloch an den Hals geworfen und keinen Gedanken mehr an deinen festen Freund verschwendet, der sich für dich in den Appalachen hundert Mal die Knochen gebrochen hat. Du bist einfach weiter zum nächsten Bad Boy, nur ließ sich das nicht mehr mit deinem Gewissen vereinbaren, als ich schließlich zurückkam, oder? Sag schon, seit wann lief das mit euch?"
Caroline blieb vor Empörung die Luft weg. Jedes seiner Worte schmerzte, doch dieser Schmerz rief gleichzeitig ihr Temperament wach, das jetzt mit ihr durchging. „Jetzt hör mir mal zu", sagte sie wütend und stieß ihm mit dem Zeigefinger in die Brust. „Ich habe dich kein einziges Mal betrogen und schon gar nicht mit Klaus. Klar gab es da diese Anziehung zwischen uns, aber jedes Mal habe ich ihn weggestoßen und zwar nur deinetwegen Tyler! Für alles, was er dir angetan hat, habe ich ihn verachtet und ihm die kalte Schulter gezeigt. Ich habe immer dir die Treue gehalten, obwohl du damals kaum da warst und wenn doch, dann hieß es für dich immer nur Klaus hier, Klaus da. Ich will gar nicht wissen, mit wie vielen Schlampen du mich damals betrogen hast!"
„Du hast ihn von dir weggestoßen?", wiederholte er ungläubig und lachte dann freudlos auf. „Das soll wohl ein schlechter Scherz sein. Wie willst du mir dann das hier erklären?"
Er deutete in die Richtung des Balls, doch die Szenerie hatte sich inzwischen verändert.
Anstatt dem prachtvollen Ballsaal der Mikaelsons befanden sie sich nun im Salon der alten Villa. Es war abends und Klaus stand telefonierend in der Mitte des Raumes, während im Kamin hinter ihm ein Feuer prasselte. „Komm heim, Bruder. Wir lösen das wie eine Familie", sagte er gerade, bevor er auflegte und erleichtert aufseufzte.
Hinter ihm kam eine frühere Version von Caroline mit einem Handtuch in der Hand in den Raum und trocknete sich die Hände ab. „Es ist alles wieder sauber", informierte sie Klaus reserviert und stöckelte an ihm vorbei.
„Hey." Seine Hand schoss vor und fasste sie am Ellenbogen. Überrascht fuhr sie herum und warf einen kurzen Blick auf seine Hand an ihrem Arm, bevor sie ihn fragend ansah.
„Danke. Für deine Hilfe."
Etwas überrumpelt sagte sie einfach nur: „Ja." Die beiden sahen sich in die Augen und immer noch etwas neben der Spur fing die andere Caroline an: „Wenn Sie noch was brauchen, irgendwas..." Sie hob ihren Blick wieder und ein Lächeln erhellte ihr Gesicht.
Klaus lächelte zurück und in dem Moment schien sich die blonde Vampirin vor ihm wieder zu fangen. „... rufen Sie ja nicht an." Sie warf ihm einen drohenden Blick zu und drückte dem überraschten Klaus forsch das Handtuch in die Hand. „Ich muss einen Abschlussball planen", fügte sie noch hinzu und wandte sich zum Gehen.
Klaus sah lächelnd zu Boden, bevor er den Blick wieder hob und zögernd fragte: „Sind wir also... Freunde?" Seine Stimme klang so hoffnungsvoll, dass die Caroline in der Gegenwart ihn am liebsten umarmt und ihm immer wieder gesagt hätte, dass sie ihn liebte. Doch auch ihr vergangenes Ich schien sein Ton nicht kalt zu lassen, denn sie hielt kurz inne und drehte sich dann ihrerseits mit einem hoffnungsvollen Schimmern in den Augen um. „Lassen Sie dann Tyler wieder zurückkommen?"
Klaus öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch dann beschränkte er sich auf einen Blick, der alles sagte. Sie sah ihn enttäuscht an und drehte sich wieder zur Tür.
Doch Klaus war nicht bereit, sie einfach so ziehen zu lassen, denn er rief ihr hinterher: „Dir ist vielleicht aufgefallen, dass... ich in letzter Zeit nicht die Erde nach ihm abgesucht habe, stimmt's?"
Die vergangene Caroline hatte sich wieder zu ihm umgedreht und schien nun über das eben gesagte kurz nachzudenken. Dann schenkte sie ihm ein schüchternes Lächeln und ging ohne ein Wort. Auch Klaus lächelte jetzt breit.
Caroline wandte sich zu Tyler und sah ihn spöttisch an. „Das beweist doch nur noch mehr, dass ich selbst da noch an dir festgehalten habe, obwohl wir uns eigentlich offiziell voneinander für immer verabschiedet hatten."
Tyler schnaubte. „Ich weiß nicht, was du gesehen hast, Caroline, aber ich musste gerade zusehen, wie meine Freundin einer Freundschaft mit dem Typ zugestimmt hat, der ein paar Wochen zuvor meine Mutter, eine Frau, die du dein ganzes Leben lang kanntest, getötet und mich aus der Stadt gejagt hatte!"
„Nachdem du seine Hybriden gegen ihn aufgehetzt und versucht hast, ihn umzubringen", schoss Caroline ohne nachzudenken zurück. Tyler wich alle Farbe aus dem Gesicht und ihr wurde klar, was sie da gerade gesagt hatte. „Tyler, ich...", fing sie an, doch er unterbrach sie.
„Ver...verteidigst du ihn etwa?!", fragte er ungläubig.
„Nein!", protestierte Caroline sofort, doch Tyler ignorierte ihre Aussage einfach.
„Er hat meine Mom getötet, Caroline", sagte er eindringlich, bevor sich sein Gesichtsausdruck veränderte und er sie zornig ansah. „Er hat versucht, mich zu töten! Und du... rechtfertigst das damit, dass ich versucht habe, seinen Leuten, meinen Freunden, ein besseres Leben zu ermöglichen?"
„Es tut mir..."
„Wage es nicht zu sagen, dass es dir leid tut!", brüllte er. „Du bist so eine Heuchlerin, Caroline. Kaum hat er dich einmal gevögelt, ist plötzlich alles okay, was er jemals getan hat, oder was?!"
„Das hab ich nie..."
„Schon klar. Der große böse Hybrid interessiert sich für dich und schon springt dein Ego auf ihn an. Ich wusste immer, dass du extrem oberflächlich bist, aber das du sogar ein Monster wie ihn verteidigst, nur weil du seine momentane Schlampe bist..."
Den Rest des Satzes konnte er nicht mehr zu Ende bringen, denn er fand sich an die Wand gepresst wieder und das von niemand geringerem als Klaus höchstpersönlich.
„Hallo, Tyler." Der Urhybrid lächelte diabolisch. „Ich kann nicht behaupten, dass ich mich freue, dich hier anzutreffen."
„Klaus", flüsterte Caroline und eine Woge der Erleichterung brandete über sie hinweg. Er war hier. Endlich konnte sie von diesem schrecklichen Ort hier verschwinden.
Klaus beugte sich zu Tyler vor. „Sobald ich dich loslasse, hast du drei Sekunden Zeit, um zu verschwinden, bevor ich dir dein erbärmliches kleines Herz aus der Brust reiße. Hast du verstanden?"
Tyler nickte hastig und schnappte währenddessen nach Luft. Klaus' Griff schien ziemlich fest zu sein. „Gut. Und noch etwas, solltest du Caroline jemals wieder zu nahe kommen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass deine Einzelteile in der gesamten Welt verstreut werden."
Mit diesen Worten ließ er seinen ehemaligen Schützling los und trat einen Schritt zurück. Tyler verlor keine Zeit und verschwand im Vampirflash.
Klaus drehte sich zu Caroline. „Manchmal wünsche ich mir, Elenas Blut hätte bei seiner Verwandlung nicht gewirkt, das hätte so vieles erleichtert."
Normalerweise hätte sie ihn wegen dieser Bemerkung zumindest böse angeguckt, aber vor lauter Erleichterung war sie nur zu einem glücklichen Lächeln fähig, bevor sie ihm um den Hals fiel.
„Oh Gott, ich bin so froh, dass du endlich da bist", entfuhr es ihr mit zittriger Stimme, während sich in ihren Augenwinkeln Freudentränen bildeten.
Klaus erwiderte nichts, sondern löste ihre Arme von seinen Hals und schob sie ein Stück von sich weg. Verwirrt sah sie ihn an. Was war denn jetzt auf einmal los?
„Hör zu Caroline, ich bin nicht hier, um dich zu retten. Ich bin hier, weil ich dich verlasse." Er sah sie ernst an, doch Care konnte nicht glauben, was er ihr gerade sagte.
„Was?", fragte sie vollkommen verständnislos und sah ihn mit einem Ausdruck purer Fassungslosigkeit an.
Klaus erwiderte ihren Blick, kalt und unbeeindruckt. „Während du weg warst, ist mir bewusst geworden, dass du mich wahrscheinlich nie so akzeptieren würdest, wie ich bin. Du willst die böse Seite in mir nicht sehen, im Gegenteil, wenn du könntest, würdest du alles tun, um sie für immer zurückzudrängen. Aber ich bin nicht durch und durch gut, wie du es gerne glauben möchtest, Caroline, ich bin das personifizierte Böse. Ich bin egoistisch, manipulativ, skrupellos und brutal. Du könntest das niemals zur Gänze akzeptieren, das kann wohl kaum jemand. Aber mir ist bewusst geworden, dass es eine Person gibt, die mich so nimmt, wie ich bin und ich die ganze Zeit nur blind für mein wahres Glück war."
Caroline wusste, worauf er hinauswollte und alles in ihr weigerte sich, das hinzunehmen. „Nein", flüsterte sie und schüttelte den Kopf. „Nein, Klaus, hör zu, ich liebe dich und zwar alles, was dich ausmacht. Bitte, gib mir eine Chance, es zu beweisen."
Er sah sie kalt an, so kalt, wie er Camille auf Marcels Party angesehen hatte und ihr krampfte sich das Herz zusammen. „Dafür ist es zu spät."
„Nein, bitte!", rief sie verzweifelt und erneut kamen ihr die Tränen, doch dieses Mal vor Schmerz. „Bitte, tu mir das nicht an."
„Wie er bereits gesagt hat, Caroline, es ist zu spät." Die Stimme kam von der Tür und kurz darauf trat auch die Sprecherin in Carolines Blickfeld, als sie zu Klaus ging und sich an ihn schmiegte.
Der Ausdruck auf Carolines Gesicht verwandelte sich von Schmerz zu Wut. „Camille? Ernsthaft Klaus, du ersetzt mich durch diese billige Schlampe?!"
Die Barkeeperin lächelte sie überlegen an. „Ich bin vielleicht eine billige Schlampe, aber wenigstens versuche ich, Nik zu verstehen, anstatt ihn zu ändern."
Klaus lächelte sie liebevoll an und dann beugte er sich zu ihr herab, um sie zu küssen. Genauso schnell, wie Carolines Wut gekommen war, verrauchte sie wieder und ließ ein kaltes Gefühl in ihrem Inneren zurück. Während sie wie erstarrt dastand, unfähig, den Blick von dem küssenden Paar abzuwenden, sammelten sich neue Tränen in ihren Augen, von denen ein paar über ihre Wangen kullerten.
Das hier war ohnehin schon der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen und diese Szene war nur der krönende Abschluss.
Als sich Cami schließlich von Klaus löste, schenkte sie Caroline einen gehässigen Blick. „Tja, wie sagt man so schön? Alte Liebe rostet nicht."
Klaus schlang ihr einen Arm um die Taille und sagte noch: „Du solltest einen Fluchtweg suchen, hört sich so an, als wäre Marcel auf dem Weg hierher", bevor er und Camille durch die Tür verschwanden.
Für einen Moment stand Caroline stocksteif da und starrte ins Leere, bevor sie aufschluchzte und ihr neue Tränen über die Wangen liefen. Unfähig, sich noch weiter auf den Beinen zu halten, ließ sie sich zu Boden sinken und kauerte sich dort zusammen.
Was hatte sie getan, um diesen Tag zu verdienen? Klaus hatte sie für eine billige Kopie von ihr verlassen, Stefan war inzwischen wahrscheinlich tot und Elena hatte versucht, sie wieder in diese grässliche Kammer mit den Spinnen zu sperren. Was würde als nächstes kommen? Ein Anruf aus dem Krankenhaus in Mystic Falls, dass ihre Mutter tot war?
Plötzlich hielt Caroline inne. Etwas kratzte am Rande ihres Bewusstseins, es war wie eine Stimme, die schrie, dass irgendetwas falsch war. Zuerst sah sie sich aufmerksam im Salon der Mikaelson-Villa um, doch nichts kam ihr hier seltsam vor. Mit gerunzelter Stirn versuchte Caroline, ihre Gedankengänge zurückzuverfolgen, in der Hoffnung, dort die Ursache dieses komischen Gefühls zu finden. Klaus hatte sie für eine billige Kopie von ihr verlassen, Stefan war wahrscheinlich tot und Elena hatte versucht, sie wieder in diese grässliche Kammer mit... Und plötzlich wusste Caroline ganz genau, was hier los war. Es war so offensichtlich, dass sie sich dafür schalt, nicht eher darauf gekommen zu sein.
Elena konnte gar nichts von dem Raum mit den Spinnen gewusst haben, geschweige denn, wie man ihn aktivierte. Die einzigen, die das mit Sicherheit wussten, waren Marcel und Caroline. Caroline, die unter dem Einfluss von Werwolfsgift stand.
„Das alles war nur eine Halluzination", sprach sie das Offensichtliche in den leeren Raum aus. Das Auftauchen ihrer ehemaligen Clique, die Flashbacks und schließlich Klaus und Camille, das alles war nur eine einzige Scharade gewesen, die ihr Unterbewusstsein für sie inszeniert hatte. Nichts davon war echt gewesen. Vor Erleichterung über diese Erkenntnis hätte sie am liebsten wieder angefangen zu weinen, doch ihr kam ein neuer Gedanke und ihre Erleichterung verflog wieder. Das alles hatte sich so echt angefühlt. Wenn man mal von den klaffenden Logiklöchern absah, waren diese Wahnvorstellungen Caroline absolut realistisch erschienen. Jetzt kann ich nicht mal mehr entscheiden, was real ist und was nicht, dachte sie entsetzt.
Auf einmal ertönte ein langsames, sarkastisches Klatschen hinter ihr und als Carolines Kopf herumflog zu der Quelle des Geräusches, erblickte sie Marcel, der an der Wand lehnte. Ihr fiel auf, dass diese nicht länger von den stilvollen Gemälden des Mikaelson-Anwesens geschmückt wurde, sondern stattdessen von einer abblätternden Tapete.
Kurz musterte sie den Rest des Raumes. Ihre Halluzination schien fürs Erste verflogen zu sein, denn auch der Rest des Zimmers wirkte trotz seiner beeindruckenden Größe verfallen und heruntergekommen.
„Sieht so aus, als wäre der erste Schub deiner Wahnvorstellungen vorüber", meinte Marcel hinter ihr. Als sie sich ihm wieder zuwandte, lächelte er sie vergnügt an. „Und, erzähl mal. Was hat dir dein Unterbewusstsein denn Schönes vorgegaukelt? Muss ziemlich spannend gewesen sein, du warst mehrere Stunden in deinem Wahnsinn gefangen."
„Stunden?", entfuhr es Caroline überrascht, bevor sie sich daran hindern konnte. Nach ihrem Zeitgefühl hatte dieser Alptraum höchstens eine Stunde gedauert.
„Ungefähr drei, wenn man es genau nimmt. Man könnte sagen, du bist gerade rechtzeitig wieder zu dir gekommen." Marcel deutete auf eine alte Standuhr mit zerbrochenem Glas an der Wand gegenüber, die ihr vorher gar nicht aufgefallen war. Trotz ihres etwas ramponierten Aussehens schien sie noch zu funktionieren und Caroline zuckte unwillkürlich zusammen, als sie sah, dass die Zeiger auf fünf vor drei Uhr standen.
„Falls es dich interessiert, der hochverehrte Niklaus Mikaelson hat noch nichts von sich verlauten lassen, er scheint bis zur letzten Minute zu warten. Er könnte allerdings auch versuchen, dich auf eigene Faust zu finden oder er ist egoistisch genug, um mein großzügiges Angebot abzuschlagen. Ersteres wird er trotz deiner Instruktionen", er warf ihr einen finsteren Blick zu, „nicht schaffen, dafür gibt es hier einfach zu viele Lagerhallen. Und sollte letzteres der Fall sein... nun, dann braucht er wohl noch ein bisschen Ansporn, meinst du nicht auch?"
Bevor Caroline reagieren konnte hatte sich seine Hand schon um ihren Ellenbogen geschlossen und er schleifte sie im Vampirspeed quer durch das Haus nach oben in die Folterkammer. Verbissen versuchte sie, sich zu wehren, doch erstens waren ihre Bemühungen gegen den älteren Vampir natürlich vollkommen sinnlos und zweitens hatte er – mit Absicht oder durch Zufall – ihren gebrochenen Arm gepackt, was quälende Schmerzen zur Folge hatte. Allerdings erschienen ihr diese, im Vergleich zu denen der letzten zehn Stunden, geradezu banal.
Oben angekommen verfrachtete Marcel die heftig um sich schlagende Caroline auf den Stuhl in der Mitte des Raumes und schaffte es schließlich auch mit einiger Mühe, ihre Arme und Beine zu fixieren. Carolines Herzschlag beschleunigte sich und ihr Atem wurde keuchend, als ihre Augen nervös durch den Raum huschten. Was würde er dieses Mal mit ihr machen? Spinnen auf ihre Haut setzen? Den Spanischen-Stiefel benutzen? Oder warten, bis ihre Halluzinationen wieder einsetzten und sie dann ganz bewusst damit quälen?
Sie beobachtete, wie Marcel zum Lichtschalter ging und seine rechte Hand an ein kleines Rad legte, das sie bis jetzt übersehen hatte. Fieberhaft überlegte sie, wofür das gut sein könnte. Es sah irgendwie aus wie bei einem Gashahn, aber was wollte er mit Gas bei ihr erreichen, immerhin...
Plötzlich wurde Caroline klar, was Marcel vorhatte und langsam hob sie den Blick zur Decke. Die dort angebrachten Sprinkler funkelten bedrohlich im grellen Licht der Glühbirne und versprachen unvorstellbare Qualen.
„Du weißt, was das ist, oder?" Der selbsternannte König von New Orleans sah sie durchtrieben an. „Ich hab gehört, die Wassertropfenfolter soll für Menschen eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit sein, wie sieht dasselbe Prinzip dann erst für Vampire aus, wenn man das Wasser durch Eisenkrautkonzentrat ersetzt?"
Caroline fing an zu zittern. Mit jeder Sekunde, die verstrich, sank ihre Hoffnung auf Rettung und mehr und mehr machte sich eine müde Resignation breit, die ihre Seele abstumpfen ließ.
„Bitte nicht", hauchte sie kaum hörbar.
In Marcels Augen trat ein triumphierender Ausdruck und er beugte sich vor. „Was war das, Süße?"
Die Genugtuung in seinem Blick ließ den Trotz in Caroline wieder auflodern und sie entgegnete mit all dem Hass und der Verachtung, die in ihr schwelte: „Fahr zur Hölle, du verdammter Hurensohn."
Wut verdunkelte Marcels Züge, doch er fasste sich wieder und meinte eisig: „Tzz, solche Ausdrücke... jemand sollte dir eine Lektion in gutem Benehmen erteilen. Ich denke, diese hübschen Sprinkler hier oben eignen sich hervorragend für diese Aufgabe."
Er legte eine Hand an das kleine Rädchen und drehte es minimal. Caroline sah gerade noch rechtzeitig zur Decke, um zu sehen, wie sich aus einem der Sprinkler ein Tropfen löste und hinunterfiel. Dann traf er auf ihre Hand, die daraufhin sofort anfing zu brennen.
Sie biss die Zähne zusammen, schrie aber nicht. Der nächste Tropfen fiel herab und dann der nächste und der nächste. Mit jedem leisen Platschen wurde der Schmerz in ihrer Hand größer, während sich gleichzeitig ihre blasse Haut rötete und Blasen schlug.
Caroline kniff die Lider zusammen, doch dadurch empfand sie das Lodern auf ihrem Handrücken nur umso intensiver, weswegen sie ihre Augen wieder aufriss. Währenddessen ätzte sich das Eisenkraut mit jedem Tropfen tiefer in ihre Haut und ließ sogar den dumpfen Schmerz des Werwolfgiftes verblassen. Nun schrie sie doch und der schrille Klang hallte im ganzen Haus wieder. In einem letzten Aufbegehren ruckte sie an ihren Fesseln, doch das Metall gab nicht nach und vor Verzweiflung traten ihr Tränen in die Augen. Inzwischen hatten die stetigen Tropfen ein kleines Loch in ihre Hand geätzt und in einem Anflug von wahnsinniger Hysterie fragte sie sich, was Marcel machen würde, wenn ihre ganze Hand weggeätzt wäre. Doch dann traf ein weiterer Eisenkrauttropfen auf ihr gereiztes Fleisch und das leise Zischen und der damit einhergehende Schmerz riss Caroline aus ihren morbiden Gedankengängen. Ihre Finger krümmten sich vor Pein, doch auch das änderte nichts an den unerträglichen Qualen, die sich langsam von ihrer Hand aus weiter ausbreiteten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit bemerkte sie, dass das Brennen in ihrer Hand seit einigen Sekunden lediglich nur noch Nachwirkungen waren, denn Marcel hatte das Tröpfeln wieder ausgestellt und beobachtete sie nun mit einer kranken Freude im Blick.
„Die Zeit ist abgelaufen", verkündete er, als er sich sicher war, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mehr ausschließlich ihren neuesten Wunden galt. „Und da dein Märchenprinz dich anscheinend im Stich gelassen hat, denke ich, dass wir die Motivation erhöhen sollten, was meinst du?"
Erneut legte er eine Hand an das Rädchen und Caroline senkte mit Tränen in den Augen den Kopf, unsicher, ob sie eine weitere Runde überleben würde. Doch der erwartete Eisenkrautregen blieb aus, stattdessen ertönte ein dumpfes Krachen von unten und ein unterdrückter Schrei, der sich nach Davina anhörte.
„So, kleine Hexe, wenn du mich jetzt sofort und ohne Tricks zu dem Mädchen führst, das Marcel hier gefangen hält, werde ich deinen Tod nicht allzu lange hinauszögern." Obwohl die drohenden Worte nur undeutlich nach oben drangen, erkannte Caroline dennoch die Stimme und im ersten Moment fragte sie sich, ob ihre Halluzinationen erneut eingesetzt hatten. Doch als sie einen kurzen Blick auf Marcel warf, sah sie den Schock in seinen Augen. Das hier war eindeutig nicht Bestandteil seines Plans gewesen und an der Art, wie sein Blick panisch durch die Gegend huschte, erkannte sie, dass er versuchte, einen Ausweg aus der Situation zu finden.
Die Erkenntnis, dass er tatsächlich hier war und sie rettete, erreichte nun endgültig ihr Bewusstsein und plötzlich fühlte es sich an, als hätte ihr jemand ein drückendes Gewicht von der Brust genommen. Vor Erleichterung wurde ihr beinahe schwindlig und kurz fühlte es sich sogar an, als würde sie ohnmächtig werden, doch der innige Wunsch, Marcels Gesicht zu sehen, wenn Klaus hier hereinstürmte, bewahrte sie vor der Bewusstlosigkeit.
Ein mattes Lächeln breitete sich auf Carolines Gesicht aus und erschöpft lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Endlich würde sie diesem Alptraum entfliehen können.
Doch plötzlich bemerkte sie, wie Marcel mit einem Schlag ganz ruhig wurde und nervös befeuchtete sie sich die Lippen, während sie sich wieder etwas gerader hinsetzte. Anscheinend hatte er einen Plan B entwickelt und das behagte der geschwächten Vampirin ganz und gar nicht.
Sie beobachtete, wie Marcels Blick langsam zu dem Rädchen an der Wand und dann zu ihr wanderte und jetzt wusste sie, was er vorhatte und alle ihre Hoffnungen, hier doch noch lebend herauszukommen, verpufften wie ein Traum nach dem Erwachen.
Seine Hand schloss sich um das Rad und blitzschnell drehte er es voll auf. Caroline war sich darüber im Klaren, dass ihr geschundener Körper dem Eisenkrautregen nicht lange würde standhalten können, bevor er endgültig aufgab, also nutzte sie diese letzte klare Sekunde, um sich stumm bei Klaus dafür zu entschuldigen, dass sie nicht lange genug durchgehalten hatte, um ihm all das zu sagen, was ihr seit Jahren auf der Seele brannte.
Dann trafen die ersten Tropfen auf ihre Haut und fraßen sich sofort tief in ihren Körper. Caroline brachte lediglich ein schwaches Wimmern zustande, während vor ihren halbgeschlossenen Augen Erinnerungsfetzen vorbeizogen. Der Schmerz wurde schier unerträglich, bis sich ihr Bewusstsein fast vollständig zurückzog und ihre physischen Qualen zu einem stetigen, aber leisen Vibrieren wurden, das sie kaum noch wahrnahm. Ihr Herzschlag verlangsamte sich und ihre Atmung wurde flacher, während ihre Haut sich unter dem stetigen Ansturm des Eisenkrautes mehr und mehr zersetzte und dabei Fleisch freilegte.
Dumpf hallte das Knirschen von zersplitterndem Holz in ihrem Kopf wieder und unter allergrößter Anstrengung schaffte Caroline es, einen letzten Blick auf ihre Umgebung zu werfen. Sie erkannte undeutlich drei Schemen, von denen einer von einem zweiten an die Wand gedrückt wurde und der dritte durch den tödlichen Regen auf sie zustürmte.
Dann klappten ihre Lider ein für allemal zu und kurz bevor sie endgültig ins Nichts abdriftete, nahmen ihre verbliebenen Sinne noch ein paar letzte Eindrücke auf.
Ihre Fesseln, die sich lösten und zwei Arme, die sie hochhoben.
Ein Geruch, der ihr vertraut war und sie mit einem Schlag alles vergessen ließ, was in den vergangenen Stunden passiert war.
Und schließlich, so weit entfernt und leise, dass sie sich nicht sicher war, ob es ein letztes Hirngespinst von ihr oder doch real war, eine wohlbekannte raue Stimme, die ihr die vier Worte zuflüsterten, auf die sie seit ihrem ersten Erwachen hier wartete.
Dann verlor sie endgültig das Bewusstsein, unsicher, ob sie jemals wieder aufwachen würde und in ihrem Kopf wiederholten sich die letzten Worte, die sie gehört hatte.
„Es ist vorbei, Caroline."
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Party in New Orleans
FanfictionFünf Jahre sind seit dem Staffelfinale der 4. Staffel vergangen. Caroline hat das College nach zwei Jahren geschmissen und lebt nun als exzessives Partygirl. Mit einer Truppe anderer junger Vampirinnen zieht sie ziellos von Großstadt zu Großstadt un...