90 Stunden Fasten

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Natuerlich war Ana nun wieder meine bessere Haelfte und ließ mich keinen Moment aus den Augen, dennoch sollte ich fuer meinen elendigen Recoveryversuch bestraft werden.

90Stunden fasten hieß ihr Plan fuer mich und meine naechsten Tage. Ich war mir unsicher, ob ich das nach dem vielen Essen direkt koenne, aber ich musste, es war meine Strafe und meine Chance zu zeigen, dass ich doch noch Disziplien und Willenskraft besitze.

Ana gestaltete es allerdings nie direkt als Strafe, sondern als freudiges Fest. Sonntagabend richtete ich mich fuer die Fastentage her, die Gesichtsmaske und Haarkur ließen es schließlich zu einem ganzen Beautyabend ausarten. Sogar abends spaet gab es noch einen halben Apfel fuer meinen bald leeren Magen.

Punkt 00:00Uhr schaute ich auf die Uhr, es ging los. 90 Stunden ohne jegliche Kalorien!

Ich war aufgeregt und nervös zugleich. So angespannt, dass ich die gesamte Nacht nur 40Minuten schlief. Am Morgen ging es weiter: ich schminke mich mehr als sonst und glättete meine Haare, wirklich so als würde ich etwas feiern, ich war gespannt wie lange die gute Laune anhält.

Doch mein Fest wurde mir schon beim Blick in den Spiegel vermiest und nun war mir klar, warum Ana mir lediglich eine dünne Strumpfhose und einen weiten Pullover bereit gelegt hatte. Ich war fett und sollte meinen Bauch, meine Arme und meine Oberschenkel weitgehend verstecken! Gleichzeitig erhoffte sie sich ich würde in der Strumpfhose bei diesem kalten Wetter frieren und zusätzlich Kalorien verbrennen.

Schon als ich das Haus verließ und vom Schneeregen begrüßt wurde, sank meine Laune weiter. Doch auf dem Weg zum Bus umschlich mich immer wieder eine angenehme Wärme, als ob sich Ana stolz an mich schmiegen würde.

Die ersten 24Stunden waren eine leichte Übung fuer mich, hier und da knurrte mein Magen, mal lauter, mal leiser, aber ich genoss es. Ich genoss es so sehr, es war wirklich ein schönes Gefühl, so schön, dass ich es nicht mit Worten formulieren kann. Wie konnte ich auf dieses Gefühl bloß verzichten wollen? War mir fraglich.

Ich trank Wasser und Tee, bei starkem Hunger nahm ich mir zusätzlich eine Zigarette. Kontrolle. Eins der schönsten Sachen in meinem Leben.

Die zweiten 24Stunden waren schwerer, mich plagte zwar kein Appetit, aber meine Kraft schwand. Am Tag zuvor lief ich noch 500Kalorien im Fitnessstudio ab und an diesem verließ mich meine Kraft schon nach 50 Sit-ups und 50 Kniebeugen, wo ich sonst mehr als das Doppelte schaffte. Ich war fertig und wollte einfach nur schlafen.

Der nächste Tag sollte mein Untergang sein. Ich wachte mit einer schrecklichen Übelkeit auf, dass ich dachte ich müsste mich übergeben. Aber was denn? Mein Magen war seit über 48Stunden leer, Wasser und Tee waren längst verdaut. Als ich mich hinsetzte wurde mir augenblicklich schwarz vor Augen und alles begann sich zu drehen.

Verdammt, mein Körper war wirklich nichts mehr gewohnt. Nach einigen Stunden besserte sich meine Übelkeit, aber meine Kreislaufprobleme blieben. Da ich zuhause geblieben bin, überwand ich mich einen verdünnten Orangensaft zu trinken. So zerstörte ich zwar Anas Pläne, verhinderte aber eine sich anschleichende Ohnmacht.

Der Orangensaft schmeckte gut und ich hoffte, dass die Vitamine mir halfen, anschließend lutschte ich 2 Eiswürfel um die aufgenommenen Kalorien wieder zu verbrennen.

Doch der Saft hatte meinen Körper auf den Geschmack gebracht, der nun mit aller Kraft gegen meinen Willen und meine Liebe zu Ana kämpfte.

Ich war schwach, sehr schwach, der Saft half nicht und ich war allein. Eine Fressattacke bahnte sich an und gewann... noch ein Glas verdünnten Saft, 2 Scheiben Knäckebrot und 3 Scheiben Toast. 520Kalorien beinhaltete mein komplettes Essen fuer den Tag.

Der Selbsthass ließ nicht auf sich warten und obwohl meine Kraft begrenzt war, begann ich sofort ein Workout, was 400kcal verbrennen sollte, anschließend ging ich spazieren und verbrannte nochmal 100kcal. Ständig wurde mir schwindelig und kurz schwarz vor Augen.

Ich merkte nun, dass es nicht mein Nichtsessen war, sondern eine Grippe, die mich plagte. Ich hatte also gegessen, ohne einen Grund und das machte es noch schlimmer.

Mein Kopf dröhnte schrecklich und auch die Schreie Anas wuchsen von Augenblick zu Augenblick. Ich hatte versagt und sie ließ es mich spüren. So gut wie sie mir die letzten Tage tat, demütigte sie mich jetzt, so dass ich bitterlich zu weinen begann. Tränen über Tränen verließen meine brennenden, glasigen Augen, bis ich spaet abends endlich in den Schlaf fand.

Zart wie eine Feder - Ana oder Recovery (Reload)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt