Angst ist ein eigenartiges Gefühl.
Es unterscheidet sich so sehr von anderen menschlichen Emotionen, die Angst ist eine ganz eigene Klasse für sich.
Wie facettenreich und tief kann sie sein, wie oberflächlich und lachhaft auf der anderen Seite.
Es gibt so viele verschiedene Arten und Äußerungen dieses Phänomens, alle sind sie so vielfältig und doch so unterschiedlich.
Doch ein was haben sie gemeinsam und das macht sie alle so besonders, so individuell und auf eine Person zutreffend.
Wenn sie einmal da sind, weichen sie nicht mehr so schnell.Immer weiter machten Milenas Gedanken sich auf unentdeckten Pfaden selbstständig.
Sie versank mit jeder Sekunde tiefer in ihrem eigenen Spiegelbild, stumm und ohne zu blinzeln starrte sie in ihre eigenen flaschengrünen Augen, versteinert und unfähig sich abzuwenden stand sie da.
Sie kamen ihr so fremd vor, als hätte jemand die Augen eines anderen Menschen in ihr Gesicht eingesetzt.
Einzelheiten die ihr nie zuvor aufgefallen waren brannten sich auf ihre Netzhaut, als sie sich selbst eingehend musterte.
Minutenlang stand sie nun schon im Badezimmer, gebannt von ihrem eigenen Anblick, überrascht von der Traurigkeit und dem fehlenden Glanz in ihren Augen.
Urplötzlich fragte sie sich ob ihre Züge schon immer so markant und herausstechend gewesen waren, ob die grauvioletten Augenringe schon immer so stark ausgeprägt waren, oder ob das alles eine Begleiterscheinung der Angst war, die sie just in diesem Moment so verzweifelt zu analysieren und zu verstehen versuchte.
Es war Sonntagabend.
Normalerweise würde sie jetzt in ihr Zimmer gehen und friedlich einschlafen.
Doch als sie ihr schmales, blasses Gesicht und ihre grünen Augen, die wie zwei Leuchtfeuer heraus stachen, sah, fragte sie sich nur noch, wie sie so lange hatte überleben können.
Der Gedanke an ein normales Leben erschien ihr unerreichbar entfernt.Auch wenn das Entsetzen langsam verblasste und die Realität sich wieder in den Vordergrund drängte, so wusste sie doch, dass sie nie wieder dieselbe sein konnte.
Ihre Angst hatte sich in den letzten Stunden und Tagen gewandelt.
Seit ihrer Flucht aus der Gasse hatte sie eine große Entwicklung zurückgelegt.
Sie fühlte im Moment mehr eine monotone Gleichgültigkeit, als das Gefühl des peitschenden Adrenalins, das sie ganz zittrig hatte werden lassen.
Es graute ihr vor dem morgigen Tag.
Schnell wandte sie sich ab und machte sich schweren Schrittes auf den Weg in ihr Zimmer.
Immer wieder redete Milena sich ein, dass sie stark bleiben musste.
Als sie sich nun bedacht auf ihr Bett legte und die Zudecke fest um ihren Körper schlang, wurde ihr klar, dass all diese kleinen winzigen Probleme des Alltags nicht mehr zählten.Die Menschen hatten sich im Laufe der Evolution einen Schutzwall gebaut.
Eine Wand aus Eis, die sie vor der Umwelt abschirmte und scheinbar alles Böse aus ihren Mauern ausschloss.
Doch dieser Wall war bei Milena binnen weniger Tage in scharfe, kleine Splitter zerborsten und nun sah sie sich nur noch dem nackten Überlebenskampf gegenüber.Morgen würde sie Max wiedersehen.
Sie fürchtete sich vor dieser Begegnung, denn selbst wenn er sie nicht beachten sollte, so hatte sie nicht den blassesten Schimmer wie sie nach allem was geschehen war auf ihn reagieren sollte.
Letztendlich war der Schlüssel zum Überleben für sie einfach.
Es war nicht nur nicht zu sterben.
Der Schlüssel war weiter zu kämpfen, gegen alles Glück und alles was noch kommen sollte.
In dem Moment, wo Milena aufgab, war sie tot.Der Montag begann ganz normal.
Ihr Wecker klingelte, riss sie mit seinem lauten Klirren aus ihrem unruhigen Schlaf.
Missmutig gelaunt stand sie auf, das hatte sich nicht geändert.
Doch während sie sich anzog, ihre Wimpern tuschte und die schnell ihre Sachen zusammensuchte, behielt sie den Gedanken an Max und den geschehenen Mord immer im Hinterkopf.
Als sie in die Küche kam, war ihr der Appetit vergangen.
Sie hatte einen Menschen sterben sehen und würde in wenigen Stunden seinem Mörder gegenüber stehen.
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Zwischen zwei Welten #Wattys2017
Fantascienza"Wer mit Streichhölzern spielt, wird irgendwann, wenn auch unabsichtlich, ein tödliches Feuer entfachen. Sicherheit existiert nicht. Sie ist nur eine Illusion, nicht mehr als ein fragiles Glashaus. Mach dich darauf gefasst, es zerbersten zu sehen." ...