Kapitel 2

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"Entschuldigt bitte, Miss. Ist alles in Ordnung bei Euch?"

Ich öffnete langsam meine Augen und sah direkt in das Gesicht eines Mannes.
Ich nickte vorsichtig.
Wer zum Teufel war das und wieso.. halt!

Ich drehte mich schnell um. Es sah alles ganz anders aus. Wo waren das Hotel und der Fußballplatz?
Stattdessen zierten Fachwerkhäuser die Umgebung. Ich lag im Sand neben einer Steinmauer. Ich setzte mich auf und drehte mich wieder um. Der Mann stand immer noch bei mir.
"Seid Ihr sicher, dass alles gut ist? Ihr seht etwas.. nervös aus, wenn ich das so sagen darf"

Ich nickte wieder nur und hoffte, er würde wieder gehen. Stattdessen sah er mich jedoch nur stirnrunzelnd an.
"Wieso liegt Ihr hier am Strand?"

Super, wie sollte ich ihm das erklären? Ich wusste es doch selber nicht! 
Ich sah mich um und überlegte. Dann fiel mir wieder diese Kette ein, wegen der ich im Meer gewesen bin. Lange suchen musste ich nicht. Die Kette hielt ich noch immer fest in meiner linken Hand. Ich sah sie mir kurz an.

"Könnt Ihr mich verstehen?", fragte er nun.
Ich sah zu ihm nach oben und nickte. "Wieso antwortet Ihr mir nicht?"
Ich lächelte unsicher.
Zum Glück verstand er sofort. "Ah, Ihr seid stumm, nicht wahr?"
Ich nickte bestätigend, woraufhin er ein bisschen lächelte und mir seine Hand reichte. Ich ergriff sie und stand auf. Danach klopfte ich mir den Sand von den Sachen, die mittlerweile fast trocken waren.

"Gut, dann werde ich wohl 'Ja oder Nein'-Fragen stellen müssen", sagte er und grinste.
"Wisst Ihr, wo Ihr seid?"
Ich schüttelte langsam meinen Kopf und spielte ein wenig mit der Kette.
"Das hier ist Port Royal. Demnach denke ich, dass Ihr auch nicht wisst, wohin Ihr könntet, richtig?"
Wie schon erwartet nickte ich.

"Wir kennen uns zwar erst seit zwei Minuten, aber.. ich könnte Euch anbieten, bei mir erstmal unterzukommen. Natürlich nur, wenn es Euch nichts ausmacht"

Ich biss mir auf die Unterlippe während ich überlegte. Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Andererseits fühlte ich mich in seiner Nähe nicht wirklich unwohl.

Mit einem Nicken bejahte ich seine Frage und lächelte kaum sichtbar.
"Dann wäre das ja erstmal geklärt. Ich bin übrigens Will. Ich würde ja jetzt nach Eurem Namen fragen, aber  den könnt Ihr mir wohl nicht sagen"

Ich überlegte kurz und hockte mich dann schließlich hin. Dann schrieb ich mit einem Finger meinen Namen in den Sand.

"Du bist also Mute? Ich darf doch 'Du' sagen, oder?"
Ich nickte erneut und lächelte dabei.
"Nun gut, Mute, dann komm mit. Nebenbei erwähnt wohne ich nicht in einen großen schicken Haus und bin auch kein Prinz oder ähnliches, aber das hast du sicher auch nicht erwartet. Ich bin Schmied und lebe auch in meiner Schmiede. Betten haben wir nicht, aber sehr viel Stroh. Ich glaube aber das wichtigste ist, dass du erstmal einen sicheren Schlafplatz hast"
Ich hörte Will aufmerksam zu und betrachtete die verschiedenen Gebäude während wir durch die Stadt gingen.

"So, da wären wir. Lady's first", sagte Will und öffnete mir die Tür. Ich betrat den großen Raum und sah mich um. Fast überall lag sehr viel Stroh. Weiter hinten war ein Ofen. Auf der rechten Seite stand ein Esel an einer großen 'Maschine' aus Holz.

"Ich hoffe es stört dich nicht, wenn ich noch etwas arbeite"
Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf einen Strohballen.
Ich nahm die Kette hervor und betrachtete sie eine Weile. Sie hatte einen grünen Stein innen drinnen, welcher leuchtete, wenn man ihn gegen das Sonnenlicht hielt.
Sie sah wunderschön aus.

Ich steckte die Kette erstmal in meine Hosentasche, welche ich danach verschloss, damit sie nicht hinaus fiel.

"Hat das eigentlich einen bestimmten Grund, dass du nicht sprichst?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Konntest du noch nie sprechen?"
Ich wartete kurz, zuckte dann aber mit den Schultern. Ich wusste nicht genau, ob ich jemals sprechen konnte.
Um genau zu sein wusste ich nichts, was bis zu dem Tag passiert war, an dem mich Maria und Jacob fanden.
Ich wusste nur meinen Namen und mein Alter. Das hatte ich jedoch niemandem erzählt. Maria gab mir den Namen 'Mute', da ich nie sprach.
Ich mochte diesen Namen sehr.

Anfangs war es schwer, sich lautlos auszudrücken, doch mit der Zeit wird man besser.
Viel reden musste ich nie wirklich. Oft zog ich mich zurück und las oder ging zum Meer.

In den nächsten paar Stunden passierte nicht viel. Will arbeitete an einem Schwert. Ich lag nur herum. Irgendwann spät am Abend legte er sich schlafen. Ich schlief irgendwann auch ein, auf einem Strohhaufen.

Mute's CaribbeanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt