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„Ich freute mich eigentlich schon darauf."

Wieso hatte ich mich bloß auf diesen Unterricht gefreut? Es war so deprimierend, dass ich nichts hinbekam, was der Lehrer uns befahl zu tun. Er wollte unter den Schülern erst einmal herausfinden, was für Fähigkeiten in uns schlummerten und dafür mussten wir jede Einführungsübung machen, die es für jede einzelne Fähigkeiten gab. Ich musste auf Flammen, Wassergläser, Blumentöpfe und Metallkrüge starren und nichts geschah. Unser Lehrer Mister Taliga meinte, es käme mit der Zeit und manche können nicht sofort ihre Gabe finden, aber trotzdem fühlte ich mich hundeelend, als ich meine Augen schloss, und wie Mister Taliga befohlen hatte, mir vorstellte, wie ich die Luft um mich herum spürte, wie als wären sie kleine Atome, zusammengesetzt zu Moleküle und ich sie kontrollieren konnte, um die Flamme zum erlischen zu bringen. Laut Mister Taliga war es zwar selten, wenn es Luftbändiger unter den Schülern gab, aber man musste alles Eventualitäten ausschließen können. Einige von meinen Mitschülern hatten ihre Gabe schon gefunden und konnten mit Mister Taliga jetzt ein paar Stärkungsübungen machen, um ihre Gabe zu festigen und ich suchte mit der Minderheit noch meine Fähigkeit. Na, danke. Ich fühlte mich, als würde ich mit 40 noch in der ersten Klasse sein werden! „Irgendwie hatte ich das Gefühl, du willst es gar nicht." Sagte Mister Taliga, als ich mich enttäuscht auf einen Stuhl setzte. „Ich will es, weiß nur nicht wie." Mit einem Mut machenden Lächeln setzte er sich neben mich. „Du musst jedes Mal, wenn du eine neue Übung ausprobierst, dich voll und ganz auf diese Fähigkeit einlassen, sie in dir willkommen heißen und dich dafür öffnen. Stell dir mit deiner Fantasie vor, wie es wäre die Fähigkeit zu haben, stell dir vor zu fliegen oder Gedanken zu lesen. Sinniere darüber, wie man sich im Körper eines Affens lebt oder lache darüber, dass du bald andere mit dem Wasser ihres Wasserglases nass machen kannst. Probier' es und lass deiner Fantasie freien Lauf. So kommt man am schnellsten ans Ziel." Seufzend versuchte ich es noch einmal. Ich schloss meine Augen und träumte. Ich träumte davon, wie es wäre, eine Luftbändigerin zu sein. Ich stellte mir vor, wie ich hoch in den Lüften schwebte oder wie ich andere durch die Gegend schleuderte, ich stellte mir vor, wie ich mir die Fernbedienung vom Fernseher holte, in dem ich sie einfach vom Fernseher bis zu mir schweben ließe. Ich stellte mir vor, nie wieder Auto, Bus und Bahn fahren und Flugzeug fliegen zu müssen. Ich war mein eigenes Transportmittel. Und dann war es um mich geschehen, ich hatte mich in die Idee verliebt, eine von den seltenen Luftbändigern zu sein. Ich konzentrierte mich auf mich, schloss die Anderen aus und war ganz bei mir. Ich konnte den Sauerstoff fast um mich herumschwirren hören und fühlen. Ich stellte mir vor, die Krüge aus Metall in der Luft schweben zu lassen und eine der Glücklichen, die ihre Gabe schon gefunden haben, mit dem Wasser aus den Gläsern nass zu machen. Schließlich öffnete ich wieder die Augen, um zu sehen ob wirklich das geschehen war, was ich mir vorgestellt hatte. Enttäuschung überkam mich. Die Krüge lagen unberührt in der Ecke neben dem Lehrerpult und die Wassergläser waren noch voll bis oben hin. Wütend schnaubte ich und schloss meine Hände zu Fäusten. Wenn es jedes Mal so sein würde, wie als würde man sein eigenes Kind verlieren, dann würde das die schlimmste Unterrichtseinheit werden, die ich in meinem Leben je erlebt habe.

„Und wie waren deine ersten beiden Schulstunden?" Den Rest der FT-Stunde saß ich ohne jeglich Hoffnung in einer Ecke und habe weiterhin auf ein Wasserglas gestarrt.Die zweite Stunde war zu meinem Glück sehr normal, ohne Viertel-Götter Schnick Schnack oder so. Wir hatten einfach, wie in jeder Schule Mathematik. Auch wenn man Mathe noch nie mein Lieblingsfach gewesen war, freute es mich einfach an einem Pult zu sitzen und für eine Stunde einfach so zu tun, als wäre ich ein normaler Teenager. Und das Kampf-Training, welches jeder Schüler absolvieren sollte, fiel für mich heute aus, da ich noch viel zu schwach war, um schon kämpfen zu können. „Fähigkeiten-Training war total deprimierend." Sagte ich und schlug meine Hände vor dem Gesicht zusammen. „Ich hab nichts hingekriegt. Das Ganze war einfach total beschämend." Was hatte ich erwartet? Das sofort alles anfing aus der Erde zu sprießen und innerhalb von Sekunden zu wunderschönen Bäumen herangereift sei? Oder dass ich einen Wasserfall zum Stillstand bringen könne? Das war lächerlich, meine Naivität war lächerlich.

Der Ruf der EulenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt