Bis wir bei Nico waren, sprachen Mama und ich kein Wort miteinander. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und ich denke keiner wollte dem Anderen zu nahe treten. Ich klingelte und Nico öffnete die Tür. "Meine Eltern sitzen im Esszimmer. Jenni liegt bei mir im Bett und schläft. Ihr ging es nicht so gut."
Wir gingen rein und Nico zog mich erstmal in eine Umarmung. Mama ging schon in die Küche, wo die Eltern von Nico saßen und auf uns warteten. Sonst wirkten sie immer ausgelassen und fröhlich, heute war die Stimmung gedrückt und ernst.
"Hallo Karina.", sagte Nicos Mutter und stand auf, um meine Mutter zu begrüßen. Früher waren die beiden enge Freundinnen gewesen, aber als die Alkoholexesse immer schlimmer wurden entfernten sich die meisten Freunde von Mama und auch Nicos Mutter hielt von da an Abstand. Sie war nie böse, verlor nie ein schlechtes Wort über Mama und war uns allen gegenüber immer sehr fair, aber sie kam sonntags nicht mehr einfach zum Mittagessen und wenn sie Nico bei uns abholte, als wir noch kleiner waren, blieb sie nicht mehr für einen Kaffee.
"Hallo Natascha. Eric.", begrüßte sie auch Nicos Vater. "Wir freuen uns, dass du hier bist." Ich wusste, was das eigentlich hieß. Wir freuen uns, dass du zur Vernunft gekommen bist und deine Kinder bei uns lässt. "Ich würde gerne das Gleiche behaupten können.", lächelte Mama müde. Wir ließen uns auf die freien Plätze nieder, dann herrschte erstmal Ruhe.
"Also...", begann Nico schließlich. "Jenni und Sina kommen hier her?" "Ja. Wenn das für deine Eltern in Ordnung ist, dann würde ich das Angebot gerne annehmen. Die Kinder sind hier quasi aufgewachsen, Nico ist wie ein Bruder für Jenni und Sina und ich kenne euch, Eric und Natascha, gut genug um zu wissen, dass ihr gut auf meine beiden Mädchen acht gebt."
Ich wusste wie schwer es ihr viel, aber sie tat es und das rechnete ich ihr hoch an. "Wir möchten nur, dass es den Kindern und auch dir gut geht.", erwiderte Natascha. "Ich weiß. Ich werde mich in eine Klinik einweisen lassen und versuche trocken zu werden. Ich will mein altes Leben zurück und da gehört auch das dazu. Aber allein schaffe ich das nicht."
"Ich bin stolz auf dich.", sagte ich und lächelte Mama an. Sie nickte mir dankbar zu. "Können wir nun die Details besprechen? Für mich ist das sehr schwer alles." "Natürlich. Wir haben noch ein Zimmer frei. Da würden zwei Betten rein passen. Oder vielleicht mag Sina auch bei Nico schlafen, das sollen sich die Kinder selbst aussuchen. Es wäre sinnvoll, wenn sie ihre wichtigsten Sachen erstmal mitbringen würden, sollte was fehlen können sie ja immer noch nachhause. Generell wäre es gut, wenn sie mindestens einmal die Woche nachhause gehen, um nach dem Rechten zu gucken. An Miete oder so müsst ihr natürlich nichts bezahlen.", erklärte Eric. Er wirkte gefasst und sachlich und ich war froh, dass er den Fels in der Brandung spielte. "Und wegen den Aktivitäten, das kriegen wir hin. Sina kann ja schon Auto fahren. Das wird kein Problem."
Mama nickte. "In Ordnung. Wenn es erlaubt wird, dann würde ich die Kinder gerne auch mal sehen. Wäre das in Ordnung für euch?" "Natürlich. Solange Jenni und Sina das wollen." Alle nickten. "Gut, dann holen wir morgen die Sachen. Ich denke nicht, dass du so schnell einen Platz kriegst, aber vielleicht ist es trotzdem nicht verkehrt, wenn sie jetzt schon kommen."
Nachdem alles geklärt war, verabschiedete ich mich von meiner Mutter und ging dann in Nicos Zimmer, wo er saß und Jenni vorsichtig weckte. "Hey. Deine Mama war eben hier. Wir haben alles geregelt. Ihr bleibt erstmal hier." Er strich Jenni eine Strähne aus dem Gesicht. "Danke Nico. Ich hab dich lieb.", murmelte sie. "Darf ich heute hier bleiben?" "Natürlich. Ich schlaf auf der Couch. Sina kann zu dir ins Bett." Dankbar lächelte ich ihn an und krabbelte zu meiner Schwester ins Bett. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder schlief.
"Morgen ist mein Probetraining.", murmelte ich leise. "Ich weiß. Ich hab mit Philipp geschrieben. Du hast ihn ganz schön beeindruckt." Unwillkürlich musste ich lächeln. "Aber ich habe auch Angst. Was ist, wenn das mit Jenni nicht klappt? Oder Mama nicht trocken wird? Wie soll ich dann die Löwen und den ganzen andern Mist unter einen Hut kriegen?"
"Sina, jetzt gehst du da erstmal hin. Ihr könnt erstmal hier bleiben und egal was passiert, du trägst nicht die Verantwortung für deine Mutter!" "Nico? Danke." Dann schlief ich ein.
Am nächsten Morgen holten wir unsere Sachen. Wir hatten beschlossen, dass wir heute nochmal zuhause bleiben und dann morgen mit den Lehrern redeten. Mama war nicht zuhause, als wir die Sachen holten. Als wir dann wieder bei Nico waren versuchte ich mich dann aufs Handball zu konzentrieren. Heute würde ich Philipp wieder sehen und bei den Löwen trainieren können. Das war mehr, als die glückliche Seite in mir verträgt.
Als es endlich soweit war fuhr ich los. Ich trug mein Lieblingst-shirt von Kempa und hatte meine Hand abgetapet und je näher ich der Halle kam, desto nervöser wurde ich. Schon von weitem sah ich Hannah und Philipp, die auf mich zu warten schienen. Ich stieg aus dem Wagen und holte meine Tasche aus dem Kofferraum.
"Hallo!", begrüßte Hannah mich und umarmte mich stürmisch. Weniger aufbrausend war Philipp, der ein bisschen zurückhaltend zu mir kam und mich auf die Wange küsste. "Hey.", lächelte er verlegen und ich wurde ganz rot.
"Schön, dass du es geschafft hast.", grinste Hannah. "Komm, ich stell dir die Mädels vor.", sagte sie und lief in die Halle. Dort standen ungefähr 17 Mädchen in meinem Alter, die mich von oben nach unten musterten. "Die können manchmal ziemlich vorurteilend sein. Zeig ihnen einfach, wie toll du spielen kannst.", flüsterte Philipp in mein Ohr, damm griff er nach meiner Hand und hielt sie fest. Zögerlich lächelte ich ihn an. "Und sei nicht so schüchtern. Das bist du beim Handball doch auch nicht." Jetzt musste ich grinsen. Eigentlich hatte er ja recht.
"Hey Leute, darf ich vorstellen, das ist Sina. Sie wird unsere neue Mitte. Also hoffe ich mal.", verkündete Hannah. "Hi.", sagte ich und lächelte in die Runde. Teilweise bekam ich ein enthusiastisches Hallo zurück, andere wiederum murmelten nur irgendwas und nickten mir zu.
Na das kann ja heiter werden...
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Freistoß für mein Herz
Teen FictionHandball ist mein Leben. Wenn ich auf dem Spielfeld stehe, kann ich alles vergessen, was in meinem Leben so schief läuft. Und durch Handball habe ich IHN kennengelernt. IHN? Ja, IHN...