"Wusstest du, dass mindestens ein Drittel aller Menschen nicht genügend zu Essen hat", meinte meine Mom, als sie in der Küche stand und mir beim Essen zusah. Ich stocherte lustlos auf meinem Teller herum und trennte die Erbsen von dem restlichen Gemüse. Diese üblen Dinger konnte man einfach nicht essen.
"Aber ich esse doch!", protestierte ich halblaut.
"Trotzdem darf ich nacher das ganze Essen von deinem Teller wieder in den Müll kippen", meckerte sie.
Mürrisch schob ich mir ein paar voll beladene Gabeln in den Mund und kaute darauf herum. Meine Mom sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, sagte aber nichts. Sie drehte sich nur um und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Ich beobachtete wie sie das Geschirr in den Geschirrspüler räumte und musste feststellen, dass sie mit ihren 36 Jahren noch relativ jung war. Zumindest, da ich jetzt achtzehn war und bald ausziehen werde. Schon lange wollte ich in eine eigene Wohnung ziehen, in der ich das Sagen hatte. Mit dem verdienten Geld der Ferienjobs der letzten Jahre konnte ich mir das endlich leisten. Eine eigene Wohnung zu haben, war momentan mein größter Wunsch. Es bedeutete Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu werden. Jeden Morgen schaute ich die Immobilienanzeigen in der Zeitung durch, doch bis jetzt habe ich noch nicht das Passende gefunden. Ich wusste nichteinmal genau, nach was ich suchte. Vielleicht sollte es eine Dachwohnung mit Balkon und schönem Ausblick oder doch wohl eher eine Wohnung im Erdgeschoss mit Terasse sein. Ob groß und kühl oder klein und gemütlich, auf den Gesamteindruck kam es an. Es musste mir auf den ersten Blick gefallen. Bis es so weit war und ich die absolut perfekte Wohnung gefunden hatte musste ich wohl oder übel warten. Doch das störte mich kaum. Es machte mich sogar noch aufgeregter und es war umso spannender mir auszumalen wie ich die Wohnung gestalten und einrichten würde.
Ein helles Piepsen riss mich aus meinen Gedanken. Eine SMS von Jonah, meinem besten Freund:
"Wo steckst du?? Warte schon eine ganze Weile auf dich.. hurry up! Jo"
Vor Schreck ließ ich die Gabel fallen, die mit einem scharfen Klirren auf dem Boden landete. War es schon so spät? Ich musste mich wirklich beeilen, um noch pünktlich zum Mittagsunterricht zu kommen. Schnell schnappte ich mir meine abgenutzte Tasche und ging zur Haustür hinaus. Als ich um die Ecke bog sah ich schon Jonah's Auto. Die Beifahrertür hatte er bereits für mich geöffnet. Mit einem schwungvollen Hallo begrüßte er mich und ich küsste ihn auf die Wange.
Wir hatten uns heute noch nicht gesehen. Zwar gingen wir auf dieselbe Schule, jedoch nicht in die gleiche Klasse. Vielleicht war das aber auch ganz gut so. Jonah und ich erzählten uns wirklich alles und ich möchte nicht wissen, wie wenig produktiv wir als Sitznachbarn wären. Der Gedanke lies mich schmunzeln.
Wir kannten uns schon seit der Grundschule, als Jonah mit seinen Eltern hierher nach Coburg gezogen war. Er wohnte in der Nachbarschaft und ich hatte es nicht weit bis zu ihm. Fast jeden Tag haben wir gemeinsam verbracht und egal in welchen Problemen ich steckte, er stand mir immer an der Seite. Ohne ihn hätte ich die schmerzhafte Trennung von meinem letzten Freund nicht überwinden können. Das liegt zwar schon fast ein ganzes Jahr zurück, aber ich erinnere mich immer noch regelmäßig daran.
Als ich im Auto saß und die Tür geschlossen hatte fuhr er sofort los. Jonah war ein Jahr älter wie ich und hatte seinen Führerschein schon etwas länger. Vor vier Monaten hatte ich die Führerscheinprüfung bestanden und wenn nicht gerade Jonah fuhr, was er so gut wie immer tat, durfte ich sein Auto mitbenutzen. Ich hatte mich an seinen Fahrstil gewöhnt, trotzdem bereitete es mir immer wieder sorgen wie er das Auto rasend schnell beschleunigte. Man könnte meinen man säße in einer Hochgeschwindigkeitsachterbahn und nicht in einem kleinen, getunten, dunkelblauen VW Golf.
Nicht selten kam es vor, dass wenn Jonah mal wieder eine seiner neuen Freundinnen in seinem Auto mitnahm, es ihnen schlecht wurde oder sie sich weigerten sich jemals wieder in den Wagen zu setzen. Ich kannte ihn sehr gut und wusste auf welche Art von Frauen er stand. Er bevorzugte es, wenn sie klein und zierlich waren und trotzdem einen starken Charakter hatten. Auf das Aussehen achtete er eher weniger.
Ich hatte welliges, kastanienbraunes Haar, eine kleine Stupsnase und blaue große, charmante Augen. Ich war relativ groß, fast so groß wie Jonah, obwohl er fast 1.85 groß war. Mir gefiel es so groß zu sein und mit meiner schlanken Figur sah ich damit echt gut aus. Jonah hält mich immernoch für ein unentdecktes Model. Wobei ich doch überhaupt keinen Geschmack für gute Kleidung habe.
Wenn wir gemeinsam unterwegs waren wurden wir schon öfters für ein Pärchen gehalten, weil wir so vertraut miteinander umgingen. Als es uns das erste Mal passiert ist brachen wir beide in lautes Gelächter aus. Mit der Zeit ist es uns aber zur Tradition geworden mitzuspielen und wie ein frisch verliebtes Pärchen herumzuturteln. Ich habe nie darüber nachgedacht ob wir es in der Realität ebenfalls versuchen sollten und ich denke er sieht es genauso. Ich weiß das er mich überaus attraktiv findet, denn wir reden oft darüber. Schließlich zerre ich ihn jedesmal mit zum Shoppen und er muss mich dann professionell Beraten. Mein Geschmack in Sachen Kleidung ist nichts gegen sein modisches Gespür. Keine Ahnung woher er das hat, aber er sollte verdammt nochmal in die modische Branche einsteigen. Mit seinem Talent sehe ich ihn schon als gutverdienenden, überaus gutaussehenden Geschäftsmann, der die Frauen mit nur einer Gehste zum schweigen bringt. Im übrigen tut er das jetzt schon. Auf gewisse Art und Weise ist er eben doch ein Frauenheld.
Das Autoradio spielte gerade einen von Jonah's Lieblingssongs und natürlich musste er die Boxen bis zum Anschlag aufdrehen. Als die Ampel von orange auf rot schaltete und er kräftig auf die Bremse treten musste, um noch rechtzeitig vor der Kreuzung stehen zu bleiben, zog er die Blicke der anderen Autofahrer auf sich. Doch das hielt ihn nicht davon ab, lauthals und mit offenen Fenstern das Lied mitzusingen. Als ich die verdutzten Gesichter der Autofahrer sah konnte ich mich nicht mehr halten und prustete laut los.
Mit einem schiefen Grinsen im Gesicht schaute Jonah mich an und fuhr weiter, als die Ampel wieder auf Grün schaltete. Beide mussten wir lachen und sangen den Rest des Songs gemeinsam zu Ende.
Immer noch kichernd hielten wir auf dem Schülerparkplatz vor dem klotzigen Schulgebäude.
Manchmal fragte ich mich wer diesen grauen, traurigen Klotz wohl konstruiert hat. Aber so alt wie das Gebäude war, lebte der mit Sicherheit nicht mehr, um ihm mal ordentlich die Meinung zu geigen, was er sich eigentlich dabei gedacht hat dieses potthässlige Gebäude zu errichten.
"Willst du auch eine?", bot Jonah Mir an.
"Du weisst doch ich rauche nicht", erinnerte ich ihn. "Zumindest nicht hier auf dem Schulgelände. Du weisst doch was passiert, wenn wir erwischt werden."
"Schon gut", sagte er, nahm die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Ich verdrehte die Augen und schaute ihn mahnend an.
"Jetzt sei doch mal nicht so streng. Ich hab von einem Club gehört der neu eröffnet hat. Soll ziemlich cool dort sein", meinte er während er die Zigarette zwischen den Fingerspitzen drehte. "Außerdem ist morgen Samstag, unser freier Tag. Mila schätzchen, wie wärs wenn wir morgen dort mal reinschauen?"
Grinsend kam ich auf ihn zu und führte seine Hand, in der er den Stümmel hielt zu meinem Mund. Ich schaute ihm tief in die Augen und zog daran.
"Du holst mich ab. 20 Uhr, und vergiss die Blumen nicht."
Dann streckte ich ihm die Zunge raus und ging davon.
"Jedem schönen Mädchen bringt man Blumen mit, um ihr zu zeigen wie sehr man sie schätzte", äffte er meine Worte, die ich ihm jedesmal vorhielt nach.
Solche Späßchen machten wir öfters miteinander. Noch kein einziges Mal gab es zwischen uns mehr als nur gute Freundschaft und so sollte es auch bleiben. Das was wir hatten war einfach unbeschreiblich und wertvoll. Genau deshalb liebte ich ihn so sehr. Jonah war wie ein Bruder für mich und ich wüsste nicht, was ich ohne ihn machen sollte.
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Hallo ihr :)
Ich bin gerade dabei ein neues Buch zu schreiben und so sieht mein erster Part aus. Ich hoffe es gefällt euch
...und wenn ihr irgendwelche Ideen oder Verbesserungsvorschläge habt, dann schreibt mir einfach.
Ich freu mich auf eure Kommentare und Votes :)
LG Kim
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Am Leben
HumorDas Schicksal kann manchmal ziemlich fies sein, genau das ist der Grund warum man sich nicht mit ihm anlegen sollte. Oder zumindest nicht, wenn so einiges auf dem Spiel steht. Dein Schulabschluss oder dein bester Freund zum Beispiel. Denn nur eine K...