Kapitel 2: Alle wollen Sarah

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"Bloß weg hier" forderte Clea und tippte wahllos auf irgendwelchen Knöpfen herum. "Lass mich das machen" sagte ich und schob Clea schnell zur Seite. Wir konnten gar nicht schnell genug aus diesem Universum verschwinden. Überall liefen furchtbar kranke Menschen herum, die keuchten und husteten als würden sie jeden Moment zusammen brechen.  Jede Sekunde, die sie hier verbrachten war eine Sekunde, in der sie sich anstecken konnten. Nein. Dieses Universum war wirklich nicht schön. 

Es dauerte eine Weile bis sich die beiden von dem Anblick all dieser leidenden Menschen erholt hatten und erschöpft entschlossen erst einmal schlafen zu gehen.

"Hast du das gehört?" fragt Clea als wir beide in unsere Schlafzimmer gingen. Ich blieb im Türrahmen stehen und lauschte. "Clea, du spinnst doch. Ich höre nichts, was soll da denn sein?" fragte ich und wollte schon die Tür hinter mir schließen als plötzlich die Spülung im Raumschiff betätigt wurde.
Wir brauchten keine Worte zu wechseln und sprinteten beide förmlich zur Toilette. Die Hand immer an unserer Laserpistole. "Wer ist da?!" rief ich mutig und richtete meine Waffe auf die Tür. Auch Clea zielte auf die Tür und wollte gerade die Klinke hinunter drücken, als sich die Tür vor uns öffnete.
Vor uns stand ein offensichtlich menschliches Geschöpf, welches wohl gerade geduscht hatte, denn es... nein sie... war nur mit einem Handtuch bekleidet. Mein Kiefer wanderte schlagartig nach unten. Noch nie zuvor hatten meine Augen eine derartige Schönheit vernommen. Mein Herz klopfte ganz aufgeregt und mein Gesicht fing an zu glühen, sodass ich kurzzeitig der Überzeugung war, ich hätte mich auf dem letzten Planeten angesteckt. Diese Frau sah aus als wäre sie vom Himmel gefallen, ihre Augen leuchteten im tiefsten Blau, ihre Haare glänzten in der schönsten Farbe. Ich verspürte das Verlangen ihre Haut zu berühren, so zart musste sie sein. Wie Seide. Auch Clea schien ein wenig von der Rolle zu sein, da sie es nicht schaffte einen vernünftigen Satz zu formulieren "Äh... äh... also. Du äh?" Ich wusste genau was sie damit sagen wollte und eilte ihr zur Hilfe "Schiff! Du bist auf unserem Schiff! Wieso? Wer bist du?" zu mehr Worten war ich momentan nicht fähig und es deckte auch so ziemlich alles ab, was ich wissen wollte. Die Gestalt lehnte sich gegen den Türrahmen und seufzte und mein Herz machte einen Sprung, als ich schließlich ihre liebliche Stimme vernahm. "Ich bin Sarah und ich musste dringend kacken". Das war zu viel für Clea. Ich sah nur noch aus den Augenwinkeln wie sie auf den Boden sackte und auch ich verlor die Kontrolle über meine Beine. Ihre Schönheit und ihre Stimme wurden nur noch durch ihre wunderbare Wortwahl unterstrichen. Wie perfekt konnte ein Mensch sein? In meiner Ohnmacht phantasierte ich bereits, wie unsere gemeinsamen Kinder wohl aussehen würden. 

"Möchtest du noch etwas Sahne zu deinem Pudding?"  hörte ich Clea aus der Ferne sagen. So langsam erwachte ich aus meinem Koma, welches Clea wohl bereits hinter sich hatte und quietsch-vergnügt durch das Raumschiff wandelte. "Ja bitte, aber dann direkt in den Mund" sagte dir andere Stimme. Diese Stimme... die Frau... Sarah! Meine gesamte Lebenskraft schien urplötzlich wieder in meine Glieder geschossen zu sein, denn ich sprang auf und eilte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Alles was mich antrieb war der unbändige Wunsch dieses Gesicht noch einmal zu sehen.

Und da war sie. Ich traute meinen Augen kaum.

Wieder wurde mir ungemein warm, doch dieses Mal nicht, weil ich von ihrer Schönheit überwältigt war, sondern weil ich die Wut in mir aufsteigen spürte. Dort saß sie und leckte Sahne von Cleas Fingern. "Was soll das werden?!" war meine erste Reaktion auf diesen Anblick. Beide blickten sofort in meine Richtung. Clea schien ebenso wenig glücklich zu sein mich zu sehen. "Was machst du denn hier? Musst du nicht das Raumschiff steuern oder sowas?" Pah! Musste sie gerade sagen! Wütend stapfte ich zu ihr hin und stellte mich an Sarahs andere Seite "Nicht bevor ich auch etwas Sahne bekommen habe" sprach ich und schnappte mir Sarahs Hand und die Sahnereste davon abzulecken. Ich gab ein langes genussvolles "hmmm" von mir und blickte Clea dabei in die Augen. Sie kochte vor Wut. 

Was nun folgte war ein regelrechtes Gemetzel. Beißen, kratzen, an den Haare ziehen. Eben alles was man so tat, wenn man dem anderen wehtun, ihn aber nicht umbringen wollte.

"Mädels... bitte" sagte Sarah schließlich. "Hört auf euch um mich zu streiten. Es ist doch genug für alle da". Lächelnd streckte sie ihre Hände aus und deutete auf die Sahne. Wir stoppten. "Was tun wir hier eigentlich?" kam es plötzlich von Clea und ich wusste instinktiv was sie meinte "Es macht keinen Sinn sich um sie zu streiten. Wir müssen sie ohnehin wieder in ihrem Universum abliefern" ich nickte traurigen Blickes. "Moment." rief Sarah dazwischen "ihr wollt mich nicht ernsthaft wieder zurück auf MEINEN Planeten schicken?" Sarahs Lächeln schwand plötzlich einem recht verzweifelten Gesichtsausdruck. Es war wie ein Stich mitten ins Herz sie so zu sehen. "Wir müssen! Wir dürfen nichts von den Planeten mitnehmen. Ansonsten bringen wir alles durcheinander." sagte ich "alles muss so bleiben, wie es schon immer ist, war und sein wird." fügte Clea hinzu. Sarah schaute zwischen den Beiden hin und her "Das könnt ihr mir nicht antun. Ich... werde auf diesem Planeten sterben! Sie werden mich anstecken und dann lauf ich ebenfalls rum wie so ein Zombie! Da könnt ihr mir nicht antun!!". Aufgrund unserer Blicke musste sie wohl ahnen, dass es wenig brachte sich zu beschweren. Wir fanden diese Regel ja selbst ziemlich kacke. Aus Verzweiflung versuchte sie noch wegzurennen, doch Clea schaffte es noch rechtzeitig mit ihrer Waffe einen Betäubungsschuss abzufeuern.
Es war ein trauriger Tag, an dem Clea und ich Sarah wieder auf ihren Planeten brachten. Sie wehrte sich mir Händen und Füßen, doch gegen uns beide hatte sie einfach keine Chance. Und so trat sie vor die Tür unseres Raumschiffs und drehte sich noch ein letztes Mal zu uns um. Sie winkte. Hinter ihr sah man Massen an halb toten, kranken Menschen vor sich her gehen, humpeln, oder kriechen. Während sich die Tür wieder schloss konnten wir auf ihrem Gesicht einen versöhnlichen Gesichtsausdruck erkennen. Wir alle wussten, welches Schicksal ihr auf diesem Planeten blühte. Doch sie schien ihren Frieden damit gemacht zu haben. 

Clea und ich hielten uns noch eine Weile in den Armen. Nicht nur weil wir uns gegenseitig Trost spendeten, sondern auch weil wir uns gegenseitig festhielten, damit niemand den Knopf noch einmal drückte um die Tür wieder zu öffnen und Sarah doch wieder ins Raumschiff zu lassen. Wir wussten, dass es nicht ging und nun war es auch schon zu spät, denn von draußen hörte man bereits wie die kranken Menschen über sie her fielen und infizierten. Sarah war wohl nicht nur bei ihnen so beliebt.

Clea und Kim - Abenteuer durch Zeit und RaumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt